Rekishi Jiyu

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Ich ging die drei Stufen zu unserer Wohnungstür hinauf, schloss die Tür auf und trat mit einem lauten „Hallo, ich bin wieder da" ein. Niemand antwortete. Aber was hatte ich anderes erwartet? Meine Eltern kamen immer erst wenn ich schon schlief und gingen bevor ich aufstehen musste, manchmal kamen sie auch gar nicht. Ich seufzte, zog meine Schuhe aus und ging in die Küche um mir etwas zu essen zu machen. Der Kühlschrank war fast leer, ich musste bald wieder einkaufen gehen. Ich brutzelte mir aus dem Rest der noch hier war etwas zusammen und setzte mich damit vor den Fernseher. Früher hätten meine Eltern mir das nicht erlaubt, jetzt war ihnen egal was aus mir wurde, ich war ja die gesunde Tochter. Ja, meine Schwester war krank, Leukämie, seit vier Jahren. Ich war damals dreizehn.

Flashback:

Wir spielten draussen im Garten. Es war warm und die Sonne schien. Ich lief versehentlich in meine Schwester rein, sie fiel hin und stand nicht mehr auf. Geschockt rüttelte ich an ihr doch sie rührte sich nicht. Ich schrie nach meinen Eltern. Meine Mutter kam herausgestürmt schaute entgeistert auf den am Boden liegenden Körper meiner Schwester. „Was hast du getan??!!" schrie mich meine Mutter an. Schluchzer schüttelten mich. „Ich habe nichts gemacht..." brachte ich unter Tränen hervor. Meine Mutter hob meine Schwester hoch und trug sie ins Auto. „Ich fahre ins Krankenhaus, du bleibst hier und wehe du stellst irgendetwas an." hisste sie mich an und schlug die Tür zu. Ich brach im Flur zusammen. Ich bewegte mich nicht von der Stelle. Irgendwann bekam ich Hunger und Durst, doch ich wollte da sein wenn sie zurückkamen. Meine Tränen verebbten irgendwann, meine Augen brannte aber ich schaute unentwegt die Tür an, in der Hoffnung meine Schwester würde quitschlebendig hereinkommen. Aber das passierte nicht.

Ich erfuhr am nächsten Tag was meine Schwester hatte. Mein Vater war Nachhause gekommen um meiner Schwester ein paar Sachen zu bringen und fand mich schlafend im Flur. Er sagte mir was los war. Ich wusste nicht was das genau war, aber an der Tonlage meines Vaters konnte ich erkennen dass es etwas schlimmes war. Mir war als ob die Luft zum atmen plötzlich knapp wurde und mein Körper einfror. Ich dachte ich sei schuld das sie jetzt so krank war.

Seit dem hatte ich meine Eltern fast nicht mehr zu Gesicht bekommen. Einsamkeit war zu meinem ständigen Begleiter geworden. Am Anfang hatten sie sich bemüht auch für mich da zu sein und mir gesagt ich müsse jetzt stark sein. Aber mit der Zeit schienen sie zu vergessen dass es mich gab. Natürlich tat mir meine Schwester leid, ich liebte sie. Aber sie hatten mehr als nur ein Kind, ich litt auch darunter. Ich versuchte mir guten Noten und gutem Benehmen auf mich aufmerksam zu machen, wenigstens etwas Aufmerksamkeit und vielleicht auch ein wenig Stolz zu erhaschen doch es blieb mir verwährt. Für sie war ich nur noch ein Spender, der meiner Schwester immer wieder das Knochenmark gab das sie brauchte. Sogar Elternabende oder Schulaufführungen besuchten sie nicht. Die Lehrer warfen mir dann immer mitleidige Blicke zu, wenn ich ihnen sagte dass meine Eltern nicht kamen. Sie sagten ich sei so stark, das ich weiter machte, trotz allem so gute Noten schrieb und so brav war, auch wenn meine Schwester so krank war und meine Eltern fast nie da waren. Aber ich war nicht stark wie alle dachten, viel zu oft lag ich abends in meinem Bett und weinte mich in den Schlaf. Nie tröstete mich jemand. Ich versuchte die Einsamkeit in Arbeit zu ertränken, übernahm den vernachlässigten Haushalt, arbeitete hart für die Schule, ging einkaufen und kochte. Aber sie hatten nur Augen für meine Schwester, meine Noten schauten sie nicht an und dass das Haus immer schön sauber war schienen sie auch nicht zu bemerken. Irgendwann gab ich auf zu versuchen sie auf mich aufmerksam zu machen, aber die Arbeit war längst zu meinem Tagesablauf geworden.

Von der Serie bekam ich nicht sehr viel mit, so schaltete ich den Fernseher wieder aus, klemmte mich hinter die Hausaufgaben und lernte, danach räumte ich auf und saugte das Haus. Früher hatten wir ein grosses Haus mit Garten. Jetzt hatten wir ein kleines Haus ohne Garten am Stadtrand, sie sagten was Grösseres könnten wir uns nicht mehr leisten. Die Behandlungen waren teuer... Mein Zimmer war winzig, es passten knapp ein Bett und ein Schrank hinein. Ich machte mich Bettfertig und schlief nach kurzer Zeit ein.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 24, 2015 ⏰

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