1. Kapitel - Eine Reise nach Hogwarts

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Anne stand aufgeregt neben ihrem Koffer inmitten einer wuseligen Menge am Bahnhof Kings Cross und beobachtete neugierig die vielen Menschen um sich. Leute, die aussahen wie ganz normale Reisende: Männer in dunklen Mänteln, mit Hüten und Zeitungen unter dem Arm, Frauen mit quengelnden Kindern und bunten Kopftüchern.

Und dann jene, die aus der Menge herausstachen, weil sie seltsame weite Umhänge trugen und Spitzhüte. Menschen mit Käfigen voller Eulen, Katzen oder Kröten und Unmengen an sperrigem Gepäck. Kinder mit Bücherstapeln und Schultaschen unter dem Arm, gewandet in eine Mischung aus altertümlicher, längst aus der Mode gekommener Alltagskleidung und zusammengewürfelter, bunt gemusterter Hippie-Klamotten.

Sie selbst trug heute ein fürchterliches rotkariertes Kleid, das ihre Mutter für sie ausgewählt hatte und das sie behutsam unter dem beigen Mantel, für den es eigentlich viel zu warm war, zu verstecken versuchte. Ihr langes, glänzend dunkelblondes Haar fiel wie ein seidig glatter Spiegel weit ihren Rücken hinab und ungeduldig wartete sie darauf, einsteigen und endlich ihre Schuluniform anziehen zu dürfen. Einen Moment lang schloss sie die Augen und nahm die Geräusche ringsum in sich auf. Die Abschieds- und Begrüßungsrufe, das aufgebrachte Eulengeschrei, das Zischen der prächtigen, scharlachroten Dampflok.

Sie befand sich am Bahnsteig des kuriosen Gleises 9 ¾, von dem jedes Jahr am ersten September der Hogwarts-Express abfuhr und eine quirlige Schülerschar in ein neues, aufregendes und hoffentlich lehrreiches Schuljahr in den Norden brachte. In dieser hektischen Betriebsamkeit fühlte sie sich zurückversetzt an den Tag, als sie mit pochendem Herzen das erste Mal hier gestanden und die unvergleichliche Magie dieses Ortes in sich aufgesogen hatte.

Seither hatte sie so viel erlebt und noch viel mehr gelernt und dennoch erfasste sie aufgeregtes Magengrummeln, wie schon die Jahre zuvor.

Zum fünften Mal durfte sie heute nach Howarts fahren. Es fühlte sich wie Abschiednehmen und Nachhausekommen zugleich an.

„Vergiss nicht, mir eine Eule zu schicken, wenn du angekommen bist!", schallte es neben ihr.

„Richte Professor McGonagall meine besten Grüße aus!"

„Ich hoffe, du schaffst es wieder in die Quidditch-Mannschaft!"

Rundum verabschiedeten sich Eltern von ihren Kindern und die Schüler begrüßten einander schnatternd nach den langen Ferien und tauschten Neuigkeiten und Urlaubsberichte aus.

„Hey, wie war deine Reise nach Cornwall?"

„Wow, hast du einen tollen neuen Rennbesen!"

„Ich schwöre, ich sterbe dieses Jahr in Binns Unterricht an Langeweile!"

Anne ließ sich von der Menge vorwärtstreiben, bis sie die Waggons erreichte. Dann stieg sie in den Zug, setzte sich in ein leeres Abteil, lehnte sich entspannt zurück und blickte nach draußen, wo sie dem vorbeieilenden Mitschüler Regulus Black zuwinkte, der ihr erwartungsfrohes Lächeln jedoch nicht erwiderte.

Sie freute sich auf das neue Schuljahr, auf ihre Freunde und ihre Kommilitonen, deren Respekt sie sich in den letzten Jahren hart erarbeitet hatte. Sie war eine gute Schülerin, außergewöhnlich gut sogar. Nur ihre beste Freundin Lily Evans konnte es ernsthaft mit ihr aufnehmen. Und dabei waren sie beide ohne jedes magische Vorwissen nach Hogwarts gekommen, als Töchter nicht-magischer Menschen, sogenannter Muggel. Jene Mitschüler, die sie deshalb verächtlich Schlammblut nannten und dachten, sie wären ihnen überlegen, steckten sie beide mit ihrem magischen Können längst in die Tasche.

Kaum hatte Anne an Lily gedacht, glitt schon im nächsten Moment die Abteiltür auseinander und die Freundin stürmte freudestrahlend herein. Anne sprang auf und die Mädchen fielen sich fröhlich in die Arme, um sich nach der zwei Monate dauernden Trennung herzlich zu begrüßen.

Zauberwelt - Anne Eastwood (Rumtreiber FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt