„Nein, nicht doch, bitte nicht dorthin werfen, neeeiiin, bitte! Iiiihgitt, hier ist ja alles voller Staub. Nun guck sich bloß einer mal den Dreck an. Wollmäuse in einer Menge, die einen halben Staubsaugerbeutel füllen würde, ein zerknülltes T-Shirt, eine zerquetschte Tube, mehrere benutzte Kondome, von denen ich lieber nicht wissen möchte, wie lange die ..."
„Nun hör endlich auf zu meckern, du blöder Heini, du gehst mir jetzt schon auf den Senkel, sofern ich denn einen hätte."
„Äh? Wer spricht denn da und überhaupt, seit wann duzen wir uns? Ich für meinen Teil liebe es gepflegt und dazu gehört selbstverständlich auch ein gewisses Benehmen. Immerhin wurde ich soeben eher unsanft vom Körper meines Trägers entfernt und der ist kein geringerer als der Chef des führenden Feinschmeckertempels dieser Stadt. Also bitte."
„Boah ey, was bist den du für einer? Eigentlich doch bloß eine nichtsnutzige Unterhose, die mein Besitzer deinem ach so wichtigen Menschen vom Leib gerissen hat. Ach übrigens, ich bin direkt über dir, die dritte Sprungfeder von links. Mensch, das andere links, Gott, was biste blöd. Gestatten, mein Name ist Erwin, zu meiner Linken, das ist ..."
„Hör auf, du Spinner, ich will gar nicht wissen, wie ihr alle heißt. Aber nur zur Information, mich nennt man Tomaso, ich entstamme der Elegant-Serie einer Nobelmarke und bin ein Designerslip, nicht bloß eine schnöde Unterhose. Und nichtsnutzig bin ich erst recht nicht. Also bitte ich mir ein gewisses Maß an Respekt aus, das kann ich ja wohl erwarten."
„Ach Gottchen, eine Nobelbüx, wie toll. Und überhaupt, weißt du eigentlich, wo du dich befindest, Herr von und zu Tomaso? Richtig, dein Träger hat sich seinen schnuckeligen neuen Kellner geschnappt und ist ..."
„Moment, Moment, was heißt denn Kellner? Du meinst bestimmt Kellnerin, oder?"
„Nö, ich meine schon das, was gesagt habe, nämlich einen männlichen Ober. Autsch, es scheint loszugehen."
„Ich verstehe grad bloß Bahnhof und Kofferklauen. Mein Besitzer geht nur mit Frauen ins Bett und ... was zum Teufel geht jetzt los? Warum kommst du dauernd so weit runter, als ob du mich küssen willst, und schnellst anschließend wieder hoch?"
„Du hast absolut von nichts eine Ahnung, was? Also erstens ist der Inhaber dieses Zimmers definitiv ein Mann, hört auf den Namen Sven und ist Kellner in diesem, wie du es so schön formuliert hast, Feinschmeckertempel, und zweitens ist dein Träger gerade dabei, meinen Besitzer zu ficken, deshalb drückt sich die Matratze ständig durch und wippt erst hoch, dann runter und wieder von vorn."
„Ficken? Mein Besitzer fickt einen Kerl? Wie soll das denn gehen? Ich meine ..."
„Na wie schon?", kommt es ein wenig ächzend von Erwin, der mittlerweile in einem absolut gleichmäßigen Rhythmus nach unten gedrückt und jedes Mal nur wenige Zentimeter über Tomaso abgebremst wird. „Zuerst dürften sich die beiden komplett ausgezogen haben, der beste Beweis dafür bist du, immerhin hat man dich im Eifer des Gefechts und Rausch der Lust sogar bis unters Bett befördert. Übrigens, nur zu deiner Information, die Kondome sind nicht etwa alt, wie du ganz offensichtlich vermutest, sondern liegen samt und sonders erst seit gestern Nacht unter dem Bett. Mein Besitzer gehört zu den etwas aktiveren Vertretern seiner Spezies."
„Im Ernst jetzt? Moment, das sind drei Kondome von letzter Nacht, wir haben noch nicht einmal halb elf morgens und dein Besitzer ist schon wieder aktiv? Das kann doch eigentlich gar nicht sein, du willst mich veräppeln, oder?"
„Nein", keucht Erwin, „wirst gleich sehen, dass es nicht bei der einen Nummer bleibt. Ich merke, wie es schneller wird, gleich spritzt mindestens einer ab und danach geht es im Normalfall nach relativ kurzer Zeit weiter."
Erwins Quietschen und das seiner Kollegen wird stärker und heftiger, wenige Sekunden später erklingen zwei Schreie und Erwin senkt sich zum letzten Mal, bevor das Bett ruhig bleibt.
„Was ist denn nun los?"
Tomaso ist ein wenig irritiert, dass Erwin plötzlich verstummt ist.
„Nix, alles gut, ich musste bloß erst mal prüfen, ob sämtliche Seitenfedern und Aufhängungen intakt geblieben und somit bereit für die zweite Runde sind."
„Du meinst wirklich, die fangen noch mal an? Komisch, mit den Frauen hat er sonst nur einmal Sex gehabt, danach mussten sie leider gehen. Gesehen habe ich die allerdings nie, nur ein bisschen was gehört. Weißt du, mein Träger gehört eigentlich zu der Sorte Mensch, die ihre getragenen Sachen sofort in den Wäschekorb steckt, er hat mich definitiv niemals auf den Boden geworfen. Er hätte auch nie geduldet, dass jemand anderer das tut. Dein Besitzer muss irgendwie etwas ganz Besonderes sein. Aber du wolltest mir doch erklären, wie das nun zwischen Mann und Mann funktioniert. Ich meine, die anderen Slips haben mir in diversen Schrankgesprächen oder in der Trommel der Waschmaschine irgendwann erzählt, wie das zwischen Männern und Frauen abläuft und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass mein Träger bloß auf der Suche nach der richtigen Person für sich ist. Man hat mir auch gesagt, dass es nur mit Mann und Frau gehen kann, weil es schließlich ein paar Kinder geben muss und dass Kondome dazu benutzt werden, um eben solche Sachen wie Babys zu verhindern. Von daher kann ich das alles gerade nicht richtig nachvollziehen."
„Mensch Tomaso, hörst du nicht, wie die beiden schon wieder stöhnen und keuchen, genau wie vorhin?"
„Doch klar, aber was ..."
„Also dann mal von vorne. Zuerst werden die sich sicher geküsst haben, das hat mir zumindest mal ein T-Shirt erzählt, zu sehen bekomme ich das ja leider nie. Als nächstes fallen die Klamotten. Mein Besitzer ist da recht forsch, ihm ist es ganz egal, wohin die fliegen. Und danach geht es los, auch das hat das T-Shirt zum Besten gegeben. Irgendwie ist es eines schönen Tages mal am Rand des Bettes hängengeblieben und konnte genau zusehen, wie das alles so abläuft. Sobald die Männer sich ausgezogen haben, also nackt sind, küssen die sich überall, also nicht nur auf den Mund. Sie streicheln sich dazu, lecken mit der Zunge über den ganzen Körper und arbeiten sich vor, bis sie bei den Schwänzen angekommen sind. Manchmal nehmen sie die sogar in den Mund und ..."
„In den Mund? Die Schwänze? Iiiih, das soll ich glauben? Richtig eklig so was!"
„Wenn ich es dir doch sage. Also unterbrich mich nicht dauernd. Das mit dem Mund soll sogar sehr schön sein, man hört die Kerle dabei immer ganz leise stöhnen und seufzen, fast so wie jetzt, horch mal."
Sowohl Erwin als auch Tomaso lauschen auf das lustvolle Keuchen, das von der Oberseite des Bettes zu ihnen dringt, auch wenn die Männer bisher kaum ein Wort gesagt haben, ihre Konversation beschränkt sich definitiv auf Lustlaute.
„Uiii, meinst du, dass die das gerade machen, also das mit dem Schwanz und dem Mund? Ob das wirklich schön ist? Ich weiß nur, dass mein Träger ab und zu zur Toilette geht und dort sein Mittelteil ein bisschen mit den Händen reibt. Es wird dabei schnell größer und beult mich vorne ganz gemein aus. Das ist echt blöd, so verliere ich vollkommen die Form und außerdem bin ich hinterher immer richtig schmuddelig."
„Das nennt man wichsen, hab ich von einer Boxershorts erfahren. Wenn Männer Lust bekommen und niemand da ist, den man gerade vögeln kann, dann massieren sich die Kerle selbst und da kann es natürlich passieren, dass sie abspritzen. Das, was du da in den Kondomen sehen kannst, ist das, was dann aus den Schwänzen kommt und dich dreckig macht. Übrigens nennt sich das Sperma."
Erwin tut sehr gelehrt, als er diese Informationen an Tomaso weitergibt. Einen Augenblick später rutscht ein viertes Kondom langsam vom Bett, das gerade erneut leicht zu quietschen beginnt.
„Siehste, was hab ich dir gesagt? Die fangen tatsächlich noch mal an und das Kondom da ist sogar ziemlich gefüllt, dein Träger hat offensichtlich schon länger nicht mehr abschießen dürfen, war also wohl dein Mensch, der gefickt hat. Aber weiter im Text. Wenn die irgendwann richtig heiß sind, also so ganz doll und endlich richtig ficken wollen, nicht nur rubbeln oder lutschen, dann streift sich einer der Männer ein Gummi über den Schwanz, der andere legt sich breitbeinig hin oder dreht sich um und hält ihm seinen Hintern entgegen. Und weil Männer schließlich nur eine Öffnung haben, die noch dazu auch recht eng ist, schmieren sie sich ein bisschen Gleitcreme auf den kleinen Eingang. Du siehst die leere Tube dahinten? Da war so was drin. Letztendlich schiebt sich der eine Kerl ganz langsam in den Hintern von dem anderen rein."
„In den Hintern? Echt jetzt? Und das geht? Aber Kinder können die doch nicht bekommen, oder?"
„Dummchen, natürlich nicht, Männer können Babys machen, nicht kriegen. Und dass das Ficken wirklich geht, kannst du jetzt gerade sehr deutlich feststellen. Hörst du das leise Klatschen? Da stößt der eine mit seiner Vorderfront an die Hinterbacken des anderen. Und das Keuchen klingt definitiv danach, als hätten die beiden eine ganze Menge Spaß. Dieses leise „yeah, yeah, jaaaa" deutet eigentlich darauf hin, dass es gar nicht mehr lange dauert, bis Kondom Nummer fünf hier bei uns landet und ich bin sicher, dass das garantiert nicht das letzte sein wird. Nicht umsonst bestellt mein Besitzer die Dinger im Hunderterpack direkt übers Internet."
„Du meinst, ich werde noch länger auf diesem dreckigen Fußboden liegen müssen?"
„Hmmm, ich denke schon. Aber weißt du was, so übel ist es hier doch gar nicht. Ich stelle dir jetzt einfach mal meine Kollegen der Reihe nach vor, wir werden nämlich ganz offensichtlich noch eine ganze Weile miteinander zu tun haben. Also, links von mir, das ist Ewald und ..."
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Unter einem Bett am Morgen
Short StoryDie italienische Designerunterhose Tomaso und die etwas quietschende Sprungfeder Erwin treffen unerwartet aufeinander. Nicht, dass Tomaso diese Bekanntschaft begrüßt, doch die Umstände dieses gewissen Morgens lassen ihm letztendlich keine andere Wah...