Kapital 1

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Taehyung stand vor dem großen Eingang des Restaurants, in dem heute das Klassentreffen stattfinden sollte. Ein Teil von ihm wollte einfach umkehren und sich diesem Abend entziehen – alte Bekannte, verschollene Freunde, unausgesprochene Erinnerungen. Doch ein anderer Teil war neugierig. Er schüttelte den Gedanken ab, atmete tief durch und straffte seine Schultern. Neben ihm stand Minna, seine Jugendliebe und mittlerweile auch seine Verlobte. Sie lächelte ihn an, beruhigend, wie sie es immer tat, und Taehyung fühlte sich sofort sicherer.

„Bereit?“ fragte sie mit einem Lächeln, das ihn seit Schulzeiten beruhigte.

„So bereit, wie ich sein kann,“ murmelte er und drückte ihre Hand.

Sie betraten das Lokal, und Taehyung ließ den Blick über die bekannten Gesichter schweifen, einige kaum verändert, andere älter, gereifter. Eine Welle von Nostalgie ergriff ihn – und dann blieb sein Blick an einer Figur hängen, die etwas abseits stand und ebenfalls suchend durch den Raum schaute. Jungkook.

Es war, als hätte die Zeit sich für einen Moment ausgedehnt und zurückgedreht. Erinnerungen flackerten in Taehyungs Kopf auf – sie beide als Schüler, lachend, geheimnisvolle Gespräche führend, Pläne schmiedend, die nie Realität werden sollten. Jungkook bemerkte ihn ebenfalls und ein breites Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Sie schritten aufeinander zu, Taehyung ließ Minnas Hand los, und bevor er wusste, wie ihm geschah, lag er in einer festen Umarmung.

„Taehyung! Mann, es ist ewig her!“ Jungkooks Stimme klang vertraut und zugleich fremd, tiefer und reifer als in seiner Erinnerung.

„Jungkook,“ erwiderte Taehyung leise, und in diesem Moment spürte er die Jahre zwischen ihnen und doch die Vertrautheit, die immer da gewesen war.

Die beiden setzten sich schließlich, während Minna sich mit einigen anderen alten Schulfreunden unterhielt. Gespräche flossen leicht, Lachen füllte die Luft, und es war, als hätten sie sich nie aus den Augen verloren. Doch irgendwann, als der Abend voranschritt, begann Taehyung sich zu fragen, was eigentlich mit Jungkook in all den Jahren geschehen war. Er schien sich verändert zu haben, und doch war er derselbe Jungkook, der ihn immer faszinierte und herausforderte.

Später am Abend, nachdem die meisten Gäste gegangen waren und nur noch ein kleiner Kreis übrigblieb, wandte sich Jungkook zu Taehyung und sagte leise: „Hast du Lust, noch einen letzten Drink mit mir zu nehmen? Nur wir beide.“

Taehyung zögerte, warf einen Blick auf Minna, die jedoch gerade in ein Gespräch vertieft war und ihm ermutigend zulächelte. „Klar,“ antwortete er und stand auf.

Sie fanden sich an der Bar wieder, abseits des Trubels, und Jungkook bestellte zwei Gläser Whisky. Das Gespräch driftete von den üblichen Floskeln ab und wurde tiefer, ehrlicher, wie früher. Irgendwann sprach Jungkook von seinen Reisen, seinem Job, und seinem Leben, das sich so grundlegend von Taehyungs unterschied.

„Und du heiratest also,“ sagte Jungkook schließlich, während er sein Glas leerte und Taehyung forschend ansah.

Taehyung nickte langsam. „In sechs Wochen. Kaum zu glauben, wie die Zeit vergangen ist. Es fühlt sich an, als hätten wir noch gestern im Klassenzimmer gesessen.“

Jungkook grinste und lehnte sich zurück. „Ja, aber jetzt sind wir erwachsen, oder?“

Die Frage klang rhetorisch, doch es lag ein Hauch von Zweifel in seinen Augen, als er das sagte. Taehyung konnte nicht sagen, was es war, doch er spürte eine Art Spannung, die plötzlich im Raum schwebte. Es war eine jener unausgesprochenen Spannungen, die zwischen ihnen immer wieder aufkamen und die Taehyung damals nicht verstand. Nun, Jahre später, schien sie stärker denn je.

„Vielleicht sind wir das,“ antwortete er schließlich und versuchte, die Gedanken beiseite zu schieben.

Taekook || please don't marry herWo Geschichten leben. Entdecke jetzt