Erwischt

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„Das ist ja wohl nicht dein Ernst?! Denkst du echt, ich würde es nicht merken?“ Die Stimme hallt aus dem hinteren Raum zu mir herüber, kommt näher, mit jedem Schritt wie eine lauernde Drohung. Während ich zusammenzucke und ehe ich reagieren kann, packt mich schon der Mitarbeiter des Kiosks fest am Arm. Ich halte die Luft an. Mein Blick ist starr, die Augen weit aufgerissen. Mein Herz rast, so laut, dass ich mir einbilde, man müsse es in ganz Hamburg hören können. Er mustert mich mit einer Ruhe, die alles nur schlimmer macht. „Ich rufe jetzt die Polizei“, sagt er, als wären das die letzten Worte, die ich in Freiheit höre. Langsam zieht er sein Handy hervor, lässt den Daumen über der Wähltaste ruhen. „Bitte, nicht die Polizei!“, flehe ich, die Panik in meiner Stimme lässt sich nicht verbergen. Die Worte kommen schneller heraus, als ich sie überhaupt denken kann. Sein Blick trifft mich, eiskalt und unerbittlich. Kein Funken Nachsicht. „Und warum sollte ich jemanden davonkommen lassen, der vorhat, bei mir zu klauen?“ Seine Stimme klingt scharf, wie das Zuschnappen einer Falle, kalt, hart und unnachgiebig. Ich bringe kaum Worte hervor, spüre, wie mir die Erklärung im Hals stecken bleibt. Er ahnt nicht, dass die Polizei das geringste meiner Probleme wäre – dass mein Vater völlig außer Kontrolle geraten würde. Ein Polizeibesuch würde einen Sturm entfesseln, der nicht nur mich in Mitleidenschaft ziehen würde. Ein Sturm aus Wut und … einer Menge blauer Flecken. Vor meinem inneren Auge sehe ich seine geballten Fäuste, die Adern, die im Gesicht pochen, das unkontrollierte Zittern in seinen Händen, das nur eins ankündigt … Auch kann ich seine raue Stimme hören, die durch den ganzen Block hallt. „Mein Vater würde ausrasten“, sage ich schwach, doch die Hoffnung auf Mitgefühl schwindet schon beim ersten Wort. Ein fataler, unberechenbarer Ausbruch.. Meine Stimme ist brüchig, doch seine Augen funkeln kurz amüsiert auf Na, das hättest du dir früher überlegen sollen.“ Für ihn ist „ausrasten“ wohl nur ein verärgertes Kopfschütteln – er ahnt ja nicht, was das in meiner Welt bedeutet.

Mir fällt eine Lüge ein, die mir fast automatisch über die Lippen kommt. „Ich wurde erpresst. Von zwei Mädchen aus meiner Klasse.“ Kaum ausgesprochen, spüre ich einen Hauch von Erleichterung. Auch wenn ich mich selbst wundere, wie glatt mir diese Lüge rausgerutscht ist. „Na dann“, sagt er leise. „Dann hat dein Papa doch sicher Verständnis, oder? Wir sagen den Bullen welche Mädchen das waren und dir passiert rein gar nichts. Dann ist die Sache erledigt.“ Ein kaltes Lächeln breitet sich auf seinen Lippen aus, als würde er nur darauf warten, dass ich weiter absinke. Ich kann den Spott in seinem Blick förmlich sehen, und weiß: Meine Lüge ist für ihn durchsichtiger als ein frisch geputztes Fenster, eine Lüge, die schon beim kleinsten Windstoß umkippen könnte. „Das … das geht nicht, weil …“, stammele ich. Ich höre selbst, wie verzweifelt es klingt. Er seufzt erneut, langsam, fast genüsslich, beinahe wie ein Raubtier, das keine Eile hat, weil die Beute ihm ohnehin sicher ist. Sein Gesichtsausdruck wirkt jetzt gereizt, aber auch.. fordernd. Dieser Ausdruck ist fast noch beunruhigender als die Vorstellung, wie mein Vater auf diese Situation reagieren würde. „Also gut.“ Seine Stimme wird weich, so weich, dass sie mir wie eine Falle vorkommt. „Ich rufe entweder die Polizei - oder du findest einen Weg, das hier wiedergutzumachen.“ Die Worte liegen schwer in der Luft, wie in Beton gegossen. Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter. Da ist dieses Lächeln, ein Lächeln, das keine Freundlichkeit verspricht. In seinem Blick liegt etwas Widerwärtiges, etwas, das ich nicht einordnen kann – oder lieber nicht einordnen will. Mein Herz schlägt schmerzhaft gegen meine Rippen, und mein Magen verkrampft sich wie ein Stein. Mir wird übel. Ich spüre, wie der Druck sich weiter aufbaut. >>Ich weiß ganz genau, was er meint,<< denke ich wütend. So eine arschige Aktion – als ob die Situation nicht schon schlimm genug wäre, drängt er mich in eine Ecke, aus der es kein Entkommen gibt. Wenn ich wirklich erpresst würde, wie ich behauptet habe, wäre das hier doppelt pervers. Aber ihm ist das egal. Er weiß, dass ich kaum eine Wahl habe, und er nutzt die Zwickmühle aus. Ohne lange nachzudenken, nicke ich – es fühlt sich wie ein Verrat an mir selbst an, aber ich sehe keinen anderen Ausweg.

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⏰ Letzte Aktualisierung: 7 days ago ⏰

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