»Was meinst du damit? Du hast mit den hässlichsten Typen geschlafen, um erfolgreich zu werden?«
Obwohl mir kein bisschen zum Lachen zumute ist, zucken meine Mundwinkel, weil sie den Text so wortwörtlich nimmt.
»Nicht mit Typen, Tia.«
Ich greife nach dem Wasserglas und nehme einen Schluck. Meine Kehle ist so trocken, dass sich jedes Wort anfühlt, als wäre es mit Schmirgelpapier umwickelt. Und ich brauche diesen kleinen Aufschub, um ihr die letzten dunklen Schatten meines Lebens zu enthüllen. Dann stelle ich das Glas wieder ab und sehe sie an. Jetzt oder nie.
»Aber so ziemlich mit jeder Frau, von der ich auch nur ansatzweise geglaubt habe, dass sie mir auf dem Weg nach oben helfen könnte und die mir irgendwie signalisiert hat, dass sie Interesse hätte. Radiomoderatorinnen, Produzentinnen, Influencerinnen, Journalistinnen, völlig egal. Mir war egal, wie alt sie waren, wie sie aussahen, wie sie rochen, ob sie mich überhaupt angemacht haben. Wenn nicht, habe ich Pillen genommen. Eine, um es zu ertragen, eine, um überhaupt mit ihnen schlafen zu können. Es war ein Deal, eine Art stillschweigende Übereinkunft. Sie haben mich benutzt, ich habe sie benutzt.«
Das fiese Schamgefühl, das sich jedes Mal in mir breit macht, wenn ich auch nur daran denke, klammert sich auch jetzt wieder in meinem Magen fest und lässt mich den Kopf senken.
»Das macht es wahrscheinlich nicht besser, aber du sollst wissen, dass ich mich wenigstens immer geschützt habe. Das war mir wichtig, allein schon, damit da zwischen uns noch irgendetwas war. Und ich habe keine dieser Frauen geküsst.«
Mir dreht sich der Magen um, wenn ich daran denke, wie sehr ich Tia anfangs dafür verurteilt habe, als ich für kurze Zeit dachte, sie hätte vielleicht dasselbe getan. Sie hat mir den Spiegel vorgehalten, mich mit meiner eigenen Dunkelheit konfrontiert, und das habe ich ihr übel genommen. Obwohl sie nicht das kleinste bisschen dafür konnte.
Die Stille zwischen uns zerrt an mir, versucht mich in Stücke zu reißen. Ich sehe sie an und warte darauf, dass die Verachtung in ihre Augen tritt. Dass sie von mir abrückt, Distanz zwischen uns schafft. Doch nichts davon passiert. Stattdessen greift sie nach meiner Hand und löst vorsichtig meine Faust. Nachdenklich betrachtet sie unsere Hände, malt mit dem Daumen kleine Kreise auf meinen Handrücken.
Ich verdiene das gar nicht.
»Wie lange hast du das gemacht?«, fragt sie vorsichtig. Es fällt mir schwer, meinen Blick von ihr loszureißen, aber ich muss. Ich darf mich nicht ablenken lassen, nicht auf die falschen Gedanken kommen, sonst schaffe ich es nicht, ihr den beschissenen Rest zu erzählen.
»Etwas mehr als ein Jahr. Dann ging plötzlich alles ganz schnell. So schnell, dass ich es gar nicht begriffen habe. Von einem Tag auf den anderen haben mich die Leute auf der Straße erkannt und wollten Autogramme von mir. Zu meinen Konzerten kamen plötzlich tausende Menschen. Meine Sachen wurden im Radio gespielt, waren ganz oben in den Charts. Fuck, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich ich war, als ich endlich das Geld für Jesse zusammen hatte. Auf einmal hatte ich sogar noch viel mehr, als ich gebraucht hätte. Über Nacht schwamm ich plötzlich im Geld, und das hat mich komplett verblendet.«
Tias Daumen malt immer noch diese kleinen Kreise und irgendwie beruhigt mich das. Ich hefte meinen Blick auf unsere Hände und wage mich an die nächsten Worte.
»Ich hab das Geld für die Operation in einen Koffer gepackt und bin zu Jesse gefahren. Er war damals in einer Klinik, da hab ich ihn besucht, mit einem Koffer voller Geld in der Hand. Und das, nachdem wir uns über ein Jahr nicht gesehen hatten. Ich hatte es ja schließlich geschafft. Das, wofür ich alles gegeben hatte. Ich dachte, ich wäre wieder der Held für ihn, den er früher immer in mir gesehen hat. Ich hab mich für einen verdammten Gott gehalten. Ein Gott, der seinem Bruder die Beine zurückgeben kann. Fuck, dabei war ich der letzte Arsch.«
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Verflixter Rapper! ✓
Romance⩥ ROMANCE ⩤ Popsängerin Cynthia Gale ist auf dem Weg nach oben. Auf der Bühne fühlt sich die sonst so schüchterne junge Frau frei und selbstbewusst. Mit Ehrgeiz und harter Arbeit erzielt sie erste Platzierungen in den Charts. Der zynische Rapstar Wy...