V. Fingerschwur

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Es dauerte gar nicht lange, bis unsere Truppen sich zum Schloss aufmachten. Kurz zuvor fing mich Kaspian noch einmal ab. "Bleibst du hier?" Ich war kurz überrumpelt von der Frage, denn für mich stand die Antwort schon seit Beginn fest. "Ja, ich halte euch nur auf. Und irgendjemand muss hier die Stellung halten." Kaspian schien erleichtert, aber ich konnte nicht genau sagen, warum. Hatte er sich Sorgen gemacht? Möglich. Irgendwie fände ich das süß.

"Komm bitte lebend wieder, ja?" Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. "Ich werde es versuchen. Aber keine Versprechungen." Wenn Blicke töten könnten, würde er jetzt an der Tunnelwand liegen. So kindisch das auch war, hielt ich ihm den kleinen Finger entgegen. "Für den Satz musst du mir jetzt einen kleinen Fingerschwur geben. Du wirst dein Bestes tun, lebendig wieder hier anzukommen, Kaspian." Sein Lachen zauberte dann doch ein Lächeln zurück auf meine Lippen. Lächelnd, mit den Augen rollend, schlang er seinen kleinen Finger um meinen. "Okay, ich verspreche, dass ich mein Bestes gebe, dass die Narnianer und ich lebend wieder hier ankommen." Seine Hand war warm und als ich meinen Finger wieder zurückzog, fehlte mir die Wärme irgendwie. Ich versuchte nicht lange darüber nachzudenken.

Kaspian zog seinen Handschuh an, gerade als er von Susan gerufen wurde, dass es losging.

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Die Nacht schlief ich unruhig. Von Schlafen konnte man kaum sprechen. Ich machte mir Sorgen. Um die Narnianer, um die Pevensies, um Kaspian. Ich hoffe zwar, dass wirklich alles gut ging, aber mein Bauchgefühl sagte mir, dass es verdammt schiefgehen wird. Im Traum sah ich alle tot in einem Schloss verteilt liegen. Jeden Einzelnen. Keiner kam mehr zurück.

Mein Traum bewahrheitete sich nur zur Hälfte. Als früh, kurz nach Sonnenaufgang, ein Horn zu hören war, was die Ankunft der Truppen signalisierte, rannten Lucy und ich sofort nach draußen. Die restlichen Narnianer folgten uns.

Am Eingang angekommen, sah ich schon, dass mein Traum nicht vollständig lügen sollte. Zwar kamen die restlichen Pevensies und Kaspian zurück, sowie auch Glenstorm und Arien, aber insgesamt waren es maximal die Hälfte der Anzahl, die gestern losgegangen waren. Ich bemerkte auch einen älteren Mann, der vorher nicht hier gewesen war. Aber mein Fokus lag nicht auf ihm, sondern auf Peter und Kaspian, die vorangingen.

Peter blickte mit einer Mischung aus Wut und Trauer (soweit ich das einschätzen konnte) zu Boden und Kaspian sah stumm nach vorn. Allerdings wich er meinem Blick aus, ob nun Absicht oder nicht.

"Was ist passiert?", fragte Lucy geschockt neben mir. Peter deutete nur mit dem Kopf auf Kaspian. "Frag ihn." Susan ermahnte ihn gleich, doch Kaspian verteidigte sich selbst. "Ich? Du hättest es abbrechen können, dafür war noch Zeit." Peter blieb stehen und drehte sich zu Kaspian. Die Hände auf den Griff des Schwertes gelegt. Doch dort lag sie schon, seit ich herausgekommen bin. "Nein, war es nicht, dank dir. Und hättest du dich an den Plan gehalten, dann wären unsere Soldaten vielleicht noch am Leben." Peters Stimme brach, doch er ließ es sich nicht anmerken.

Kaspian ließ sich die Schuld offensichtlich nicht zuschieben. "Und wären wir hier geblieben, wie ich es gesagt habe, dann wären sie sicher noch am Leben."

"Du hast uns gerufen, wenn ich mich nicht irre." Kaspian sagte zuerst nichts und sah Peter nur eindringlich an. Ich wusste nicht, was genau geschehen war, doch ich war hier eher auf Kaspians Seite. Immerhin war sein Argument nicht falsch. Wären sie nie zum Schloss gegangen, wären die Narnianer nicht gefallen. "Das war mein erster Fehler." "Nein, dein Erster war zu denken, du könntest dieses Volk führen." Damit riss bei Kaspian der Faden, als Peter hineingehen wollte. "Hey! Ich bin nicht derjenige, der Narnia im Stich gelassen hat." "Ihr seid in Narnia eingedrungen. Du hast genauso wenig das Recht, es zu führen, wie dein Onkel. Du, er oder dein Vater. Narnia wäre besser dran, wenn ihr nicht hier wärt."

Kaspian tickte aus und zog sein Schwert. Peter tat es ihm gleich. Sie hielten sie Schwerter nun beide gegen die Kehle des jeweils anderen. Ich konnte Kaspian verstehen. Erstens waren es seine Vorfahren, die nach Narnia kamen. Dafür konnte er nichts. Zweitens war es nie eine gute Idee, schlecht über die Eltern eines Waisen zu reden, wenn diese Person es nicht selbst gestartet hat. Allerdings gilt diese Regel wohl auch für den Fall, wenn die Eltern noch da sind.

Jedoch schien Kaspian etwas plötzlich auszuticken. Vor wenigen Tagen hat er noch ohne große Emotionsausbrüche über seine Eltern gesprochen. Er reagierte eher so, als wäre die Wunde frisch.

Allerdings dachte ich darüber nicht mehr viel nach, als ich die Situation sah. "Es reicht!", rief ich genau in dem Moment, indem Lucy losrannte, um einem Zwerg zu helfen, welcher nicht mehr ganz bei Bewusstsein war. Sie hatte mir vorhin erzählt, dass sie einen Elixier bei ihrem ersten Besuch bekommen hat, was alle Wunden heilen konnte. Aber es holte niemanden von den Toten zurück. Glücklicherweise war es bei dem Zwerg noch nicht zu spät.

Peter und Kaspian hatten ihre Schwerter sinken lassen, worüber ich sehr froh war. Ohne ein weiteres Wort lief Kaspian an mir vorbei. Er sah mich nur kurz entschuldigend an, bevor er sein Schwert in die Scheide steckte und im Inneren verschwand.

Ich wartete noch, bis der Zwerg, der sich später als Trumpkin herausstellte, aufstand, bevor ich mit den Pevensies nach drinnen ging.

Nur um gleich den nächsten Schrecken zu erleben.


Ich habe dich (Kaspian - Narnia)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt