Noch 14 Tage

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" Mehr beistehen, als vorstehen.
Mehr geliebt als gefürchtet werden. "
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" Prodesse magis quam prae esse - plus amare quam timeri."
- UNBEKANNT

Ich husche die alte Wendeltreppe hinunter in die Küche, schnappe mir meinen Rucksack, der auf einem der drei Barhocker liegt, rufe meiner Mutter noch zu, sie solle nicht zu schnell fahren und verschwinde durch die Haustür. Ein Wunder, dass ich schon um 06:30 Uhr so flink sein kann. Notorischer Frühaufsteher halt. Ich laufe eine gerade Straße entlang ( Friedensstraße) bis ich an das letzte Haus vor der Kreuzung komme.
Ein riesiges und altes Backsteingebäude mit einem großen Quittenbaum rechts und Sonnenblumen auf der linken Seite nahe der Einfahrt. Ich mopse mir eine wunderbar, frischriechende Frucht und setzte mich auf die Sandsteinmauer vor dem Haus. Keine 3 Minuten später kommt Marina gerade aus der Einfahrt auf mich zu. Sie will sich auch eine Quitte holen, zieht aber so stark, dass sie gleich einen ganzen Ast runter reißt. "Mensch Blaukäppchen , wenn Holger wieder die Quitten zählt gibt es Ärger", ich grinse bis über beide Ohren. Marina funkelt mich böse an. Sie ist schon immer ein kleiner Schorschi gewesen . Aber ihre Verpeiltheit wirkt eher niedlich. " Als würde der sich 3 Stunden hinstellen und die blöden Früchte zählen." Sie ist außerdem ein Morgemmuffel. "Alles in Ordnung bei dir? Hattest du Stress mit deinen Eltern wegen Samstag? " Wir waren am Wochenende erst um 04:48 Uhr daheim gewesen, was Marinas Eltern wahrscheinlich in Aufruhr versetzt hat. "Ach Mensch, es ist nicht das. Ich hab dir doch erzählt, dass meine Eltern gestern einen Ausflug in den Schwarzwald unternehmen wollten. Da hab ich gedacht super. Sturmfreie Bude! Da kann ich ja Hannes einladen. Du weißt schon ", sie hat dieses verführerische Grinsen auf den Lippen und der Schalk huscht über ihre Augen. Ich kann mir vorstellen was da gelaufen sein muss, wenn sie so guckt. Jetzt breitet sich auch auf meinem Gesicht ein Lächeln aus. " Ihr habt doch nicht etwa...", mein Mund bleibt offen stehen. " Es kam nicht dazu. Wir saßen auf meinem Bett mit Schokoladeneiscream und schauten uns gerade Orphan an. Hannes hatte einen Arm um mich gelegt. Ich sag dir der hat Muskeln". Marina kichert los. " Na jedenfalls, wollten wir gerade, du weißt schon, da tauchen plötzlich meine Eltern in der Einfahrt auf. Hannes ist zur Hintertür raus! Aber Heute morgen hat meine Mutter die Kondome unter meinem Bett gefunden." Sie guckt wehleidig und ich pruste los. Das schafft echt nur Marina. "Und was hat sie dazu gesagt ", frage ich. "Ma hat versucht mit mir ein Aufklärungsgespräch zu führen und als ich gesagt hab, dass ich seit der 3. Klasse weiß wie das mit den Bienchen und Blümchen funktioniert, hat sie mich nur schief angesehen. Dann hat sie nicht ernsthaft von ihren wilden Jahren in den 70ern erzählt! Von Gruppensex,FKK und das jeder mit jedem!!! Ich hab gedacht ich rast aus". Marina wurde knallrot, was man aber, bei ihrem gebräunten Teint leicht übersah. Marina Heinsel war im Gegensatz zu mir wirklich ein Model. Gertenschlank, blonde lange Haare, tiefseeblaue Augen, schmale Nase und hohe grazile Wangenknochen. Jedes Mädchen das so ausgesehen hätte, wäre extrem eingebildet gewesen. Aber nicht meine beste Freundin. Ich dagegen , Medita Amborn, war ziemlich kurvig, mit kurzen kastanienbraunen Haaren, moosgrünen Augen und einer kleinen, breiten Stupsnase. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr schlage ich meiner Freundin vor, nach dem Unterricht weiter über ihren Fauxpas zu reden. Wir haben die ersten zwei Stunden Mathe bei Frau Schneider und ich will nicht schon wieder einen Anranzer kasieren. Wir laufen rechts um die Kreuzung und danach links in einen Park. Ich liebe den Sommer. Alles ist grün und die Blumen blühen. 200 Meter und wir kommen am Ende des Parkes an einem Rosenbogen an. Marina tritt auf die Straße und wir befinden uns vor einem riesigen, kastenförmigen Gebilde aus Glas, Metall und Beton. Es ist modern. Weiß mit blauen Türen. Unsere Schule. Das Schillergymnasium. Im Augenwinkel nehme ich einen Schatten war. Der "göttliche" Hannes ( Marina nennt ihn manchmal so) kommt auf uns zu. Er nimmt sie in seine muskulösen Arme und gibt ihr einen flüchtigen Kuss. So toll ist der gar nicht. Mal von den Muskeln, dem fast vollendeten Sixpack, den himmelblauen Augen und den lässig, blond gestylten Haaren abgesehen , wüsste ich nicht was ich mit so einem anfangen sollte. Marina wird mit Hannes auf die Nase fallen, aber die Erfahrung muss sie schon selbst machen. " Hey Merida", begrüßt er mich beiläufig. Einen Arm um meine Freundin gelegt, stolzieren die zwei zu einer kleinen Gruppe, die sich in der Mitte des Schulhofes versammelt hat. Ich trabe hinter ihnen her, wie ihr Schatten. Als wir nahe genug bei den anderen sind löst sich unsere Dreiergruppe auf, um Leute zu begrüßen. Das bedeutet die Jungs klatschen sich ab oder klopfen sich gegenseitig auf die Schultern und die Mädchen drücken sich oder vollziehen dieses Küsschen links,Küsschen rechts Spiel. Ich hasse es aber 1. existiert so etwas wie Gruppenzwang 2. ich keine Ausgestoßene sein möchte und ich 3. zu nett bin es bleiben zu lassen. Ein lautes klirrendes Geräusch erklingt. Das Vorklingeln. Hastig setzt sich die Gruppe in Bewegung . Als erstes habe ich Unterricht in der 34, dass heißt ich muss drei Etagen nach oben. Marina hechelt hinter mir her. " Es wird Zeit das hier endlich ein Fahrstuhl eingebaut wird! Meine Knochen werden langsam zu alt für so was. " Typisch, Blaukäppchen! Für alles zu haben, außer für Sport. Wir betraten den Klassenraum gerade noch rechtzeitig. Schweigend geht Marina in die 2 te und ich in die letzte Reihe. Rechts neben mir war ein Fenster und links ein leerer Platz. Eigentlich ist es komplett sinnfrei, sich die letzten zwei Wochen vor den Ferien, in die Schule zu schleppen. Die meisten parken eh nur ihren Körper und schicken ihre Gedanken auf Reisen. Außerdem macht niemand mehr Unterricht. Entweder man schaut sich einen unspektakulären Film an oder redet über belangloses Zeug, um die letzten Stunden ordnungsgemäß auszufüllen.
Ich für meinen Teil, starre die darauffolgenden 6 Stunden, zutiefst gelangweilt aus dem Fenster und zähle flauschige Wolken.
Bis wir in den Biologieunterricht von Herrn Klein kommen. Eigentlich sind die Stunden stinklangweilig und diese ist keine Ausnahme. Wir sprechen über den Drogenmissbrauch von Jugendlichen. Bis..."Ich wollte euch in den letzten 5 Minuten mit einem Projekt der Karitas vertraut machen. Es gibt ein Programm an dem Jugendliche , die Suchtprobleme haben, teilnehmen können . Die Leute dort suchen noch ehrenamtliche Helfer und es würde mich freuen, wenn ihr ein wenig eurer kostbaren Ferien dazu nutzen würdet, zu helfen!" Herr Klein lässt Blätter durch die Reihen geben und fährt fort. "Alles wichtige steht auf den Kopien. Ich selbst werde auch teilnehmen. Wer mitmachen möchte kann sich bis Donnerstag in die Liste eingetragen". Er hebt einen Zettel in die Luft und hängt ihn dann an die Pinnwand. 2 Mädchen neben mir fangen an zu lachen. Nina und Inga. Sie sind die hübschesten Mädchen an der Schule. Nina stubst Ingas Ellebogen an: "Als würde ich da mitgehen, wenn dieser Schmirrlappen mitkommt! " Ihre weißen Haifischzähne blitzen auf und sie fangen wieder an zu kichern. Mit dieser Art von Mädchen komme ich nicht klar. Ich will auch garnicht mit solchen Ziegen klar kommen . Inga schiebt mir eine Kopie rüber mit einem verächtlichen Blick. Kurz darauf, ist sie ohne weiteres Lesens in meinem Rucksack verstaut. Es klingelt und alle drängeln sich Richtung Ausgang. Marina konnte nach der 5 Stunde gehen. Das heißt ich muss alleine nach Hause gehen. Aber das stört mich nicht im geringsten. Im Gegenteil! Es ist ziemlich beruhigend nicht immer von Menschen umgeben zu sein. Ich bin gerade an dem Rosenbogen des Parkes angekommen, als mich eine kräftige Hand an der Schulter packt. Sofort stoße ich einen schrillen Schrei aus, doch bevor ich mich wehren kann drückt sich die andere Hand auf meinen Mund und der Arm um meine Taile. Ich strample verzweifelt und versuche mich zu drehen... Aber ich bin chancenlos gefangen. Bevor mein Körper reagieren kann, lässt mich die Gestalt los. Ich stolpere und komme ins taumeln. Eine mir nicht fremde, tiefe Stimme hinter mir lacht überschwänglich. "Levin was soll der Scheiß?! Du weißt das ich total schreckhaft bin! " Er kichert hinter vorghaltener Hand. " Du müsstest jetzt mal dein Gesicht sehen, zum schießen."
Ich versuche ihm spielerisch auf den Arm zu schlagen, allerdings ist er zu schnell für mich. Das war Levin Kowalski schon im Kindergarten.
" Was willst du überhaupt. Du führst doch irgendwas im Schilde. Du Blutsauger". Ich versuche ihn böse anzufunkeln, was mir aber nicht recht gelingt. Er streicht sich sein zerzaustes, schwarzes Haar aus der Stirn. Seine Unterlippe schiebt sich vor und sein grünes Auge fängt an zu leuchten. Sein braunes dagegen hat er zusammengekniffen. " Also Medita... Ich weiß das du nicht gerne auf Partys gehst aber... Heute steigt die krasseste Feier nördlich des Äquators und wir sind eingeladen!!! " Darum hat er mich nicht gerade ernsthaft gebeten? " Spinnst du nein! Das ist Ingas Party. Da lass ich mich nicht blicken!!! Du willst ja nur hin weil Tristan hingeht?!"
Im Gegensatz zu Levin ist Tristan nicht schwul und würde nur unnötig sein grausames Spielchen mit ihm treiben.
Er versucht es wieder mit seinem Hundewelpenblick und das fruchtet.Man kann ihm einfach nichts abschlagen." Na dann meinetwegen. " Ich laufe grummlig gerade aus, kann aber noch seinen Freudenschrei hinter mir hören.

Drogenjunkies küsst man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt