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Durch einen Funken kann ein Feuer entstehen. Durch einen Gedanken eine neue Welt. Tue, ohne zu denken was folgt und du wirst großes erreichen. Das hatte sein Vater stets zu sagen gepflegt. Rondrick Malton war ein besonderer Mann von großer Weisheit. Er lebte stets in Einklang mit der Natur und in unbändigem Frieden. Stets wusste er sich zu helfen und die Probleme zu lösen. Er galt im ganzen Dorf als der weiseste Mann und der beste Schmied. Nun war er tot, gestorben an einer Krankheit, welche sich schon seit einiger Zeit im Dorf herumtrieb. Es war schon fast lächerlich Ironisch, dass er gerade an jener Krankheit erkrankte, von der er behauptete sie nie zu bekommen. Er war ein sturer Mann gewesen, hatte immer seiner Meinung vollstes Vertrauen gewidmet, selbst wenn sie falsch war. Nun wurde sein toter Leichnam in einem schwarzen Sarg hinab in die Erde gelassen, so wie er es immer wollte. Einen Leichnam zu verbrennen, ist als würde man die Seele auslöschen. Unter der Erde kann meine Energie neues Leben entstehen lassen, sagte er immer und immer wieder. Es war eigentlich schon traurig, dass er ständig über seinen Tod sprach. Er ließ es einen immer wissen, dass es eines Tages soweit sein würde. Was wollte er damit bezwecken? Sie darauf vorbereiten? Morgans Mutter, welche in dunkle Kleider gehüllt war, stand mit Tränen überströmt neben ihm und trauerte über ihren Verlust. Er war ein guter Mann, in allem was er tat und er hinterließ durch seinen Tod ein großes Loch, welches nicht mehr gestopft werden konnte. Morgan selbst unterdrückte seine Tränen, er musste stark bleiben, sein Vater erwartete vieles von ihm. Er sollte sich um seine Mutter und seine zwei Schwestern sorgen, er sollte seine Schmiede übernehmen, weswegen sein Vater ihm schon von früh auf die Kunst des Schmiedens lehrte. Morgan sollte den Platzt seines Vaters einnehmen, als sein einziger Sohn war es seine Bestimmung. Doch konnte er dem ganzen Druck, den ganzen Erwartungen gerecht werden? Er musste doch selbst lernen mit seinem Schmerz umzugehen. Seine Mutter, welche seine Gedanken in seinem Blick lesen konnte, legte ihm tröstend die Hand auf den Unterarm. "Wir müssen- nein, wir werden das Durchstehen." Doch in ihrem Gesichtsausdruck erkannte er, dass sie wohl selbst an ihrem Gesprochenem zweifelte. Seine Mutter, welche den Namen Brama trug und mit ihren schulterlangen, braunen locken und ihren weichen Gesichtszügen für ihr Alter noch sehr jung aussah, war eine sanfte und gutmütige Frau. Jeder im Dorf mochte sie, sie konnte sich keine Feinde machen. Sie hatte ein sanftes Gemüht, weswegen sie dem Druck wohl weniger standhalten konnte als er selbst. "Wo sind Freya und Lydia?", fragte Morgan seine Mutter mit leiser Stimme. Diese schluchzte noch einmal bei dem Anblick des Grabes und antwortete dann: "Lydia konnte das nicht mit ansehen, deshalb ist Freya mit ihr im Haus geblieben. Sie werden sein Grab besuchen, wenn die Zeit reif ist." Er nickte verständnisvoll und nahm seine Mutter tröstend in den Arm, woraufhin diese erneut in Tränen ausbrach. Der schwarzhaarige Junge warf noch einen letzten Blick auf das Grab. Ein schwarzer Grabstein, umgeben von vielen Blumen, welche den frischen Erdboden bedeckten. "Wir sollten uns auf den Weg machen. Lydia und Freya sollten nicht alleine sein." Brama stimmte ihrem Sohn still schweigend zu. Sie verließen den großen Friedhof, welcher etwas abgelegener des Dorfes war. Einige weite Felder lagen dazwischen. Der Friedhof selbst war ein schöner Ort, überall wuchs grünes Gras und bunte Blumen, sowie kräftige Bäume. Vielleicht hatte sein Vater Recht, als er sagte mit seiner Energie könne er neues Leben schaffen. Ein kleiner Kiesweg führte den Berg, auf dem der Friedhof stand, hinunter ins Dorf. Dort war ebenfalls eine düstere Stimmung. Nicht nur wegen Rondricks Tod, es gab viel mehr Tote. Diese Krankheit wurde mehr und mehr zu einer Epidemie, welche, wenn man nicht bald ein Heilmittel fände, vermutlich alle Einwohner auslöschen würde. Allein heute waren bis zu 4 Personen gestorben und die Zahlen stiegen stetig. Und dabei war noch immer unklar, wie diese Krankheit überhaupt entstand oder wie sie wirkte, geschweige denn wie man sie heilen konnte. Einige Menschen huschten durch die Straßen, auf der suche nach dem Arzt. Sie haben schon alle möglichen Heilkräuter in der Gegend zusammengesucht, doch ohne Erfolgt. Jede erdenkliche Medizin zeigte keine Wirkung, so dass der Arzt des Dorfes, Jerome Valy, ein eher schmächtiger Kerl mit blonden Haaren, selbst bereits aufzugeben schien. Morgan und seine Mutter liefen an den niedrigen Häusern vorbei, wo bereits einige Kranke Seelen, in den Betten leidend, auf den Tod warteten. Diese Krankheit war eine einzige Tortur, es begann mit einem kleinen, harmlosen, roten Ausschlag, welcher sich mit der zeit in gelbe und dann schwarze Beulen in der Haut verwandelte und fürchterlich brannte. Diese Beulen breiteten sich am ganzen Körper aus, bis das Opfer kläglich erstickte. Es wäre einfacher gewesen, die betroffenen sofort von ihren Qualen zu erlösen, doch noch klammerten sich die Bewohner an eine Hoffnung auf Genesung. Morgan öffnete die kleine Holztür und sie betraten ihr kleines, aber dennoch schönes Haus. Die hell blauen Fensterläden waren geöffnet und ließen Licht in das Haus. Im Wohnzimmer, ein kleiner Raum, welcher durch eine Türe vom Esszimmer getrennt wurde, saßen die beiden Mädchen trauernd auf dem kleinen Sofa. Freya, welche bereits 16 Jahre alt war, legte tröstend ihre Arme um das kleine Blonde Mädchen, welches ihr Gesicht in ihren Händen vergrub. Für die 12 jährige Lydia war es vermutlich am schlimmsten den Tod ihres Vaters zu verkraften. Tagelang hatte sie zugesehen wie er sterbend im Bett lag. Seit er gestorben war hatte sie kaum etwas gegessen und sprach auch nicht mehr viel. Morgan war klar, dass er sich um sie kümmern musste. "Hey", begann er mit sanfter stimme und setzte sich zu den beiden auf das Sofa. Freya schob sich einer ihrer rotbraunen Locken aus dem Gesicht und sah ihn mit traurigen Augen an. "Wie geht es euch?" "Es gehts schon, aber Lydia hat noch immer nichts gegessen. Jedes mal, wenn ich ihr sage sie soll etwas zu sich nehmen, weigert sie sich. Wenn das so weiter geht..." "Lydia,", unterbrach Morgan seine Schwester. Er wollte nicht, dass Freya das aussprach was er fürchtete. Es war schon schlimm genug als er erfahren hatte, dass sein Vater krank war. "Vater war ein gutmütiger Mann, wir alle werden ihn vermissen und du hast das Recht zu trauern, es ist mehr als angebracht. Aber was denkst du wie er sich fühlen würde, wie sehr er leiden würde, wenn er sehen müsste was du dir antust? Er würde sich dafür verantwortlich machen und nicht in Frieden ruhen können." Lydia wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und sah ihren großen Bruder mit feuchten Augen an. Sie schwieg. "Vater würde wollen, dass du dein Leben weiter lebst. Weißt du noch, wie sehr es ihn gefreut hatte, als du glücklich und munter in unserem Garten herumgesprungen bist. Er war immer so froh, dass du ein schönes entspanntes Leben hattest. Es wäre falsch, wenn du es einfach wegschmeißt." Sie nickte schwach. "Und jetzt komm, du musst etwas essen." Er reichte ihr seine Hand und sie hauchte ein schwaches "Ok" heraus. Nachdem Morgan mit Lydia in der Hand in der Küche verschwand setzte sich Brama zu ihrer zweiten Tochter. "Ist auch sicher alles in Ordung?" Mit freundlichen Augen, welche dennoch eine traurige Auswirkung hatten, sah sie Freya an. Diese erwiderte ihren Blick. Freyas grüne Augen hatten ein paar schwarze Flecken in der Iris, welche ihre Augen zu etwas besonderem machten. "Ja. Ich werde damit zurecht kommen müssen. So wie es mir Vater beigebracht hat." "Auch dein Vater war nicht allwissend. Und du solltest deinen Schmerz nicht runterschlucken und tief in dir vergraben. Dadurch wirst du von den Emotionen überrant. Du solltest dich öffnene und ihnen freien Lauf lassen." Freya schwieg. "Mir ist nicht nach weinen zu mute. Es ist traurig, aber mit Tränen werde ich damit nicht weiter kommen." Brama wollte noch etwas sagen, als das rotbraune Mädchen vom Sofa aufstand und zu ihren Geschwistern in die Küche ging. Lydia saß am Tisch und aß ein Brot, der Anblick entspannte Freya. Es war schön zu sehen, dass sie wieder etwas aß. Morgan hatte diese bestimmte Gabe Menschen zu überreden nichts Falsches zu tun. "Morgan,", begann sie mit etwas leiser Stimme, "ich muss mit dir Reden." Leise flüsternd fügte sie noch ein "allein" hinzu. Ihr Bruder nickte stumm und sie gingen zur Tür hinaus. Es gab einen bestimmten Platzt, welchen die beiden immer aufsuchten, wenn sie etwas privates besprechen wollten. Neben dem Dorf im Wald war eine geheime Lichtung, wo direkt in der Mitte eine große Eiche wuchs. Diesen Platzt hatten sie einmal zufällig entdeckt, als sie im Wald spielten. Man konnte ungestört dort sein, da die Leute aus dem Dorf die Lichtung nicht zu kennen schienen. Die beiden kletterten rasch den großen Baum hinauf, bis sie sich auf einem dicken Ast niederließen. Sie hatten eine weite Aussicht über den Wald und das Dorf hinweg bis zu den Gipfeln der Berge, welche verschleiert hinter Wolken in der Ferne ruhten. "Also, was gibt es so wichtiges, dass du es mir im geheimen erzählen musst?", fragte er gespannt, während er mit der Hand etwas an der vertrockneten Holzkruste herumzupfte. "Ich war bei Vater, kurz bevor ihn das Leben verließ." Er nickte. "Ich weiß, wir waren alle zusammen bei ihm." "Ja, aber als ihr gegangen seid, blieb ich noch eine kurze Zeit." Ihre Augen sahen ihn angespannt an. "Morgan, Vater hat noch etwas zu mir gesagt!" Sein Blick wurde überrascht und alle möglichen Gedanken flogen ihn durch den Kopf. War er also noch am Leben, als sie ihn für tot hielten? Was hatte er Freya erzählt? Wieso hatte er es nur Freya erzählt? Eine große Neugier machte sich in ihm breit, doch er war auch beunruhigt. Denn seine Schwester wirkte nicht so, als hätte er etwas Erfreuliches, Nettes, ein paar Letzte Worte gesagt. Es musste etwas gewesen sein, was sie zu Tiefst geschockt hatte und ihn vermutliche ebenso schockiren würde. Sein Mund wurde etwas trocken und langsam fragte er: "Was hat er dir gesagt?" Sie sah sich kurz um, als würde sie sicher gehen wollen, dass sie niemand beobachten oder belauschen konnte. "Etwas seltsames, es ergab keinen Sinn." Er wurde nervöser. "Sag schon!" "Er sagte: Die Dunkelheit kommt. Lasst nicht zu, dass das Licht verschwindet! Sag Morgan, eine Knospe beginnt zu blühen!" Es war still. Nur ein paar Vögel zwitscherten in den Bäumen und die Blätter raschelten im Wind. Morgan sah sie verstört an. "Das hat er gesagt? Das waren seine letzten Worte?!" Er verstand nichts mehr, was wollte sein Vater ihnen damit sagen? "Ich habe doch gesagt, es ergibt keinen Sinn." "Vielleicht war er auch einfach nicht mehr bei Sinnen. Sein gesamter Körper war mit Beulen übersät und er bekam kaum noch Luft", versuchte er sich zu erklären. "Nein, ich bin mir sicher er war sich bewusst, was er gesagt hat." Frey sah ihn überzeugt an. "Aber was sollen wir damit anfangen? Welche Dunkelheit? Hatte er vielleicht etwas von seinem Leben nach dem Tod gesehen?" "Ich weiß es nicht." Der Wind wurde stärker, dünne Bäume gaben nach und bogen sich. Von der Ferne zogen rasch graue Wolken auf. "Ein Unwetter?!", rief Morgan gegen den, mittlerweile laut wehenden Wind. "Aber so schnelll?!", wunderte sich Freya. "Wir sollten zurück zum Dorf, bevor es uns ganz erreicht hat!" So schnell sie konnten kletterten sie die Eiche hinunter. Die Wolken wurden dunkler und tiefer, der Wind pfiff ihnen um die Ohren und Vögel flüchteten in Schwärmen aus den Bäumen. Eins war klar, das war kein Gewöhnliches Gewitter.

Layen - im Bann der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt