My Place

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Sie hatte immer dieses Gefühl, nachdem er mit Yuki aufgetaucht war, um sie zu retten, dass sie mehr empfand. Vielleicht war es auch nur dieses Gefühl, welches manche Frauen für ihren Retter entwickelten und es nur falsch interpretierten. Sie versuchten sich einzubilden, sie würden ihn tatsächlich lieben, doch taten sie das nicht und fristeten ein Leben, welches sie nicht glücklich machte. Ja. Erst dachte sie, sie würde tatsächlich etwas für Hanabusa Aido empfinden. Der der ihr das Leben gerettet hatte. Doch nachdem er ihr unwiderruflich klargemacht hatte, dass das zwischen ihnen beiden nichts werden würde, wurde sie sofort in die Realität zurückgeworfen. Sie hatte die Zeiten mit Aido in seinem Arbeitszimmer, in dem er versuchte Kanames Forschungen, um Vampire in Menschen zu verwandeln, zu beenden, genossen, sich aber trotzdem weiter von ihm distanziert und festgestellt, dass ihre wahre Liebe jemand ganz anderem galt. ...

Mal wieder hatte Sayori Wakaba Aido geholfen. Im matten Licht der Kerze hatte sie ihn beobachtet, wie er über seinen Notizen saß und hin und wieder eilig in einem der Bücher vor ihm herumblätterte. Es war ein Witz. Dies alles war so zur Normalität geworden, dass sie sich manchmal beinahe langweilte und sich fragte, warum. Warum blieb sie hier, wenn sie doch auch etwas anderes machen könnte? Sich vielleicht mit Takuma unterhalten, vielleicht bei Rima und Senri vorbeizuschauen oder gar Ruka und Akatsuki besuchen. Doch sie blieb hier bei Hanabusa, was ihr manchmal zu seltsam vorkam, um wahr zu sein.

Sie schloss leise die Tür hinter sich. Sie war müde. Ihr Schlafrhythmus hatte gelitten, seit sie Hanabusa half. Denn dieser arbeitete nachts. Vampire arbeiteten immer nachts, bis auf die, die in der Menschenwelt berühmt waren. Wie Rima und Senri.
Den Flur entlang gehend, dachte sie nach. Sie dachte daran, wie es wäre, nicht immer hier bei Hanabusa zu sein und ihm zu helfen. Wie es wäre, wieder draußen in der Sonne etwas zu unternehmen. Andere Freunde zu finden, die sich mit ihrem Charakter anfreunden könnten. Ihre wahre Liebe zu finden. Sie wollte sich keine Gedanken um die Zukunft machen, doch immer dachte sie daran, was wäre, wenn sie ihre Tätigkeit als Aidos Gehilfin bis an ihr Lebensende fortsetzen würde. Sie war schließlich ein Mensch. Altern zu müssen, während Aido nicht einen einzigen Tag alterte, das wollte sie nicht.
Ihre Hand glitt zum Türknauf und leise schwang die Tür auf. Kühle Nachtluft kam ihr entgegen, ließ sie tief einatmen. Eine kleine Gänsehaut bildete sich. Es war ungewöhnlich kühl für eine Sommernacht. Der Grund jedoch lag direkt auf der Hand, als sich die Geräusche wieder an ihr Ohr drängten und nun der Bann gebrochen wurde, den sie immer in der Bibliothek auferlegt bekam. Die Stille in diesem großen Raum machte sie automatisch taub und ließ sie alle Geräusche ausblenden.

Das Plätschern des Regens machte ihr sofort unmissverständlich etwas klar. Sie hatte weder einen Regenmantel, noch einen Regenschirm bei sich. Sie war zu müde, um zu warten, bis es aufhören würde. Regengüsse im Sommer konnten einige Stunden dauern und sie wusste nicht, wann es begonnen hatte, wie aus Eimern zu schütten. Also nahm sie die Beine in die Hand und lief die schwach beleuchteten Straßen entlang. Zu ihrem Missfallen fing es auch noch an zu Gewittern, als sie um die Ecke bog. Auch wenn ihre kleine Wohnung nur noch drei Straßen entfernt war, wollte sie nicht riskieren, vom Blitz getroffen zu werden. Deshalb huschte sie eine Treppe hinauf, die direkt zu ihrer Rechten lag, und ließ sich auf den Stufen nieder, die vom Regen durch ein kleines Vordach geschützt waren.
Pitschnass und mit leerem Blick starrte sie auf den Asphalt, auf den die dicken Regentropfen niedergingen. So starrte sie einige Augenblicke gerade aus, bis sich etwas in ihrem Blickfeld regte. Ihr Kopf schoss - ein bisschen zu schnell, denn ihr Hals knackte schmerzend - zur Seite und langsam erkannte sie die Person, die immer näher kam.
Kaito Takamiya. Ihr ehemaliger Ethik Lehrer an der Cross Akademie kam direkt auf sie zu, die Stufen erklimmend. Zwei Stufen vor Sayori blieb er stehen und sah sie an.
»Wakaba-san. Was machst du hier?«, fragte er.
Sie starrte ihn nur an, bis sie sich fing und realisierte, dass sie im Weg saß. Hastig erhob sie sich und stellte sich an die Seite, sodass Kaito an ihr vorbei konnte. Doch nichts geschah. Kaito stand immer noch auf der selben Stelle und sah sie an.
Es schien, als ob sie einige lange Minuten dort verweilten, bis sich Kaito regte und sich weiter zur Tür bewegte, einen Schlüssel aus seiner Jackentasche kramte und die Tür aufschloss. Er wartete.
»Komm mit rein, dir ist sicher kalt.«

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