Newtons Vermächtnis

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Kapitel Eins

Es war bereits später Vormittag, als Katrin versuchte, ihre Augen zu öffnen. Sie hatte das Gefühl, aus einem tiefen Koma zu erwachen. Nur sehr langsam schafften es ihre Augenlider, sich zu lösen und Millimeter für Millimeter zu öffnen. Das Erste, was sie sah, war eine dünne Linie rötlichen Lichts, die stetig größer wurde. Trotzdem sie ihre Augen nun schon zur Hälfte geöffnet hatte, sah sie alles nur verschwommen. Es dauerte noch ein paar Minuten, bis ihr Blick klar wurde. Allmählich erkannte sie, dass sie an einer weichen Unterlage lehnte, die zudem auch noch warm war. Irritiert schlossen sich ihre Augen wieder. Ihre Hand strich über den weichen Untergrund und versuchte herauszufinden, aus welchem Material er bestand. Als ihr dies nicht gelang, überwand sie sich, erneut die Augen zu öffnen. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie starke Kopfschmerzen hatte. Am liebsten hätte sie ihr Vorhaben wieder aufgegeben, doch ihre Neugierde ließ das nicht zu. Mit scheinbar letzter Kraft öffneten sich die Augenlider und gaben Katrin den Blick auf ihre Umgebung frei. Immer noch betäubt versuchte sie das Bild, was nun vor ihren Augen entstand, wie ein Puzzle in ihrem Kopf zusammenzusetzen. Das Erste, was ihr klar wurde, war, dass sie sich in ihrem Schlafzimmer, im Haus ihres Bruders befand. Glücklich über die erste brauchbare Information, machte sie sich daran herauszufinden, an was sie lehnte und was sich so merkwürdig anfühlte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass es sich nicht um eine glatte Fläche handelte, sondern um etwas Erhöhtes, was dazu auch noch sehr schmal war. Mühevoll drehte sie den Kopf von der Seite nach vorn und hob ihn an. In derselben Sekunde, in der sie dies tat, bereute sie es. Ein stechender Schmerz durchzog ihren Nacken und stieg in den Kopf auf. Nachdem sich ihre Sicht wieder geklärt hatte, betrachtete sie ihre Unterlage erneut.

Mit Entsetzen erkannte Katrin, dass sie zur Hälfte auf ihrem unbekleideten Bruder lag. Erschrocken riss sie die Augen noch weiter auf, während das Adrenalin durch ihre Adern schoss. In Michaels Hals steckte ein langes Küchenmesser, welches sie mit der linken Hand umklammerte. Aus der Wunde war eine unglaubliche Menge Blut ausgetreten, welche das Betttuch nahezu völlig rot gefärbt und durchnässt hatte. Katrin war jetzt vollkommen wach und stieß sich mit aller Kraft von dem toten Körper ab. Entsetzt kletterte sie rückwärts über das Fußende vom Bett und ging weiter bis zur Wand, wo sie an einen kleinen Tisch stieß. Schwer atmend betrachtete sie jetzt das gesamte Bild. Wie ein gehetztes Tier sah sie sich um, als müsste sich noch eine weitere Person in diesem Raum aufhalten, die nur auf diesen einen Moment gewartet hatte. Doch dort war niemand. Sie war allein. Plötzlich bemerkte sie, dass ihr Gesäß langsam kalt wurde. Erstaunt und verwirrt zugleich drehte sie sich langsam um und erkannte die kalte Marmorplatte des kleinen Tisches. Gleichzeitig bemerkte sie auch den Grund, warum diese ihrem Hinterteil die Wärme entzogen hatte. Sie stand vollkommen unbekleidet in dem Raum. Ihre langen Haare bedeckten noch nicht einmal den oberen Ansatz ihrer Brüste.

Katrin konnte einfach nicht begreifen, was hier geschehen war. Mit aller Kraft versuchte sie, die letzten Stunden zu rekonstruieren. Doch ihr fehlte jeglicher Anhaltspunkt, um auch nur ansatzweise zu erklären, wie sie mit ihrem Bruder in dieses Zimmer gekommen und warum sie beide unbekleidet waren. Sie konnte sich noch nicht einmal daran erinnern, gestern Abend ihren Bruder gesehen oder mit ihm gesprochen zu haben. Aber war dies wirklich so? Oder hatten sie sich auf etwas eingelassen, das dann außer Kontrolle geraten war? Ihr Blick ging weit ins Leere, während sie unbewegt immer noch neben dem Tisch stand, auf dem sie sich mit einer Hand abstützte. Von irgendwo her hörte sie das Ticken einer Uhr. Krampfhaft überlegte sie, was sie als Nächstes tun sollte.

Es lag jedoch nicht an ihr, den nächsten Schritt zu machen. Denn plötzlich überschlugen sich die Ereignisse.

Kapitel Zwei

Völlig unerwartet öffnete sich die Tür zu ihrer Rechten. Ein etwa ein Meter achtzig großer Mann, etwa Mitte dreißig, betrat ohne Ankündigung den Raum. Sein erster Blick fiel auf den Leichnam, der auf dem der Tür gegenüberliegenden Bett lag. Mit einigen wenigen großen Schritten erreichte er das Fußende und nahm den Tatort ausführlich in Augenschein. Katrin, die schräg hinter ihm stand, hatte er nicht bemerkt. Sie wurde, als er den Raum betreten hatte, von der Tür verdeckt. Während Alan auf das Bett zu stürmte, hatte er sich nicht um die weitere Umgebung gekümmert. Daher war ihm das zitternde Häufchen Elend, welches jetzt seine Arme über der Brust verschränkt hielt, nicht aufgefallen. Erst nachdem er sich schon fast vollständig wieder zum Gehen gewendet hatte, entdeckte der Mann Katrin in ihrer Ecke. Zunächst war ihm nicht klar, in was er hier hineingeraten war. Lange anhaltend musterte er die nackte Frau. Aus irgendeinem Grund registrierte sein Unterbewusstsein, dass es an Katrins Körper keine Blutspuren gab. Wer aber war diese Frau und was machte sie hier? Er war sich nicht klar darüber, was er als Nächstes machen sollte. Die Frau sah nicht gefährlich aus. Trotzdem lag hier eine Leiche und sie war die einzige weitere Person in diesem Raum. Unschlüssig blickte Alan immer wieder zu dem toten Körper auf dem Bett, während Katrin den Neuankömmling mit gemischten Gefühlen musterte. Scheinbar wollte keiner von beiden den ersten Schritt machen. Schließlich hielt es Alan nicht mehr aus. Er drehte sich mit einem Ruck zu Katrin um und sprach sie an.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 18, 2015 ⏰

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