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Etwa 6 Wochen später lud Sonny mich zu einer Filmnacht ein.
Ich klingelte an ihrer Tür, sie ließ mich hinein und wir gingen in ihr Wohnzimmer, wo Osmo auf der Couch saß. Er sprang auf und begrüßte mich mit einer herzlichen Umarmung. "Du hast gar nicht erwähnt, dass Osmo auch da ist", fiel mir auf. "Sie hat auch nicht von mir erzählt?", hörte ich eine Tiefe Stimme hinter mir sagen. "Hey Samu", begrüßte ich ihn schüchtern. "I go out. Do you come with me?", sagte er mit einer Zigarettenschachtel winkend. Ich nickte und folgte ihm vor die Tür. Er zündete sich eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und kam einen Schritt auf mich zu. "Das ist our last night. Tomorrow wir fahren weg." Er machte eine kurze Pause, in der mir gar keine Antwort einfiel. "Aber wir waren nach dem Konzert noch nicht fertig. Du warst einfach weg." Er stützte sich mit der Hand, in welcher er die Zigarette hielt an der Wand über meinem Kopf ab und legte die andere Hand vorsichtig an meine Hüfte. Mein Herz schlug schneller. Das letzte Mal war ich mit einem Jungen allein, als ich 21 war. Bevor ich von der Krankheit erfuhr. Das war vor 8 Jahren. Seit 4 Jahren muss ich die Tabletten nehmen. Und seit 3 Wochen lässt die Wirkung der Tabletten nach. Er beugte sich zu mir herunter und legte seine Lippen auf meine. Ich hatte das Gefühl, dass mein Herz stehen blieb, solange seine weichen Lippen meine berührten. Die Süße seiner Haut und doch salzig. Er löste sich kurz von mir. Sah mich an und küsste mich wieder. Inniger, vertrauter. "Herr Gott nochmal nehmt euch ein Zimmer", motzte eine Männerstimme hinter uns. Bei Samu spannten sich alle Muskeln an. Er drehte sich zu dem Mann, der mittlerweile fast an der Haustür stand. Als ich einen Blick auf den Mann werfen konnte, erkannte ich Tom, Sonnys Zwillingsbruder. "Tommy? Was tust du hier?", fragte ich und nahm in in den Arm. "Mir wurde hier eine Stelle angeboten, ich bin gerade mit dem Auto abgekommen und wohne bei Sonny bis ich ne eigene Wohnung hab", erzählte er. "Ich bring schnell meine Sachen hoch. Du kommst doch noch mal hoch, oder?" Ich nickte und Tom verschwand im Treppenhaus. Samu sah mich undurchdringlich an. "Das ist Sonnys Bruder. Früher waren wir drei immer zusammen unterwegs. Aber er ist zum studieren weg gezogen." Ich wusste nicht, wieso ich das sagte, aber ich hatte das Gefühl ihm sagen zu müssen. Er lächelte und sagte mir, dass alles gut sei. "Ich mag es wenn du deutsch redest", sagte ich lachend, woraufhin er mich wieder küsste. Ich vergrub meine Hände in seinen Haaren, als die Wirkung der Tabletten nachließ. Meine Hände zitterten. Ich zog sie an mich ran, damit Samu es nicht merkt. "Ist es dir kalt?", fragte er auf deutsch. Ich nickte wieder. Er warf die kaum gerauchte Zigarette weg und wollte mich an der Hand nach oben führen, doch ich zog die Hand weg. Ich will es ihm nicht sagen. Ich kann nicht. "Tom?", fragte er schnippisch. "Nein. Ich-", ich sah auf meine Hände. Er lachte. "Weil dir kalt ist? You're crazy!" Er nahm meine Hand und lief hinein. Ich versuchte sie mit allem was ich habe vom Zittern abzuhalten was mir nur teilweise gelang. Aber Samu bemerkte nicht, was es bedeutet. Er setzte sich zu Osmo auf die Couch. Ich ging zu Sonny und Tommy in die Küche. Beide sahen mich an. "Was ist los?", fragte Sonny. Ich hielt meine Arme in ihr Blickfeld. Zusätzlich zu den Händen fingen meine Arme an komplett zu zittern. "Hat es nicht immer einen ganzen Tag gewirkt?", schaltete sich Tom ein. "Seit ein paar Wochen fängt es an, wenn wir am Abend auf dem Heimweg sind", erzählte Sonny ihrem Bruder. "Ich muss nach Hause. Samu weiß nichts davon", weite ich sie ein. Tom riss die Augen auf. "Was? Glaubst du ich erzähl jedem meine Leidensgeschichte?", fragte ich ihn. "Nein. Aber der Kerl, der dich im Dunkeln an Hauswände drückt und mit dir rummacht, sollte vielleicht wissen, dass du starke Betablocker intus hast, um in seiner Nähe sein zu können", konterte er. Ohne Vorwarnung verpasste ich ihm eine Ohrfeige. Sonny stand entsetzt daneben. "Es tut mir Leid." Ich drehte mich weg. "Franzi, es tut mir leid." - "Sonny, kannst du mich Heim fahren?", fragte ich zitternd. "Ich fahr dich. Sie sollte bei ihren Gästen bleiben", sagte er wieder. Mit verschränkten Armen ging ich in das kleine Wohnzimmer. "Meine Nachbarin hat sich ausgesperrt. Ich muss nach Hause und ihr den Ersatzschlüssel geben. Du kannst dich ja melden, wenn du wieder in der Nähe bist. Sonny kann dir ja meine Nummer", während ich plapperte, stand er auf und kam zu mir. "Ok. I'll call you", sagte Samu kokett. Doch mehr als eine Umarmung konnte ich dank des Zitterns nicht zulassen.
Vor der Tür musste ich tief durchatmen, ich hasste all das. Das Zittern, die Abhängigkeit von Anderen. Das Handicap, dass auftaucht, wenn es am unpassendsten ist.

It Will Never Be EasyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt