Das eisige Mädchen

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Ihre nackten Füße berührten dem Boden. Er war kalt und nass. Eine leichte Frostschicht lag auf ihm, trotzdem spürte sie keine Kälte. Ihr schneeweißes Kleid wehte um ihre Schienenbeine. Der Walt um sie herum war genau so kühl wie der Wind. Nirgends regte sich etwas. Trostlos und grau schien die Umgebung, wie an einen frostigen Winter Tag. Doch sie spürte schon lange nichts mehr. Werder Kälte noch Zeit. Bestimmt war es Herbst oder Winter doch sie wusste es nicht. Zu lange war sie durch die Kälte gewandert. Zu lange gab es keinen Ort an dem sie lange bleiben konnte.
Alle beschimpften sie. Sie wäre eine Hexe, ein Monster. Sie würde Unheil über alle bringen. Mittlerweile war es ihr egal, was andere über sie dachten.

Ein Ast streifte ihren Arm. Die Stelle wurde rot und ein paar Tropfen Blut bildeten sich. Gedankenversunken wie sie war, hatte sie den Ast erst zu spät bemerkt. Schnell strich sie mit ihrer linken Hand über die kleine Wunde an der Schulter. Wie als würde jemand die Zeit zurück drehen lief das Blut wieder in ihren Körper. Der Hautton der Stelle passte sich wieder dem Rest des Körpers an.
Nur eine kurze Geste und schon war alles wieder wie neu. Ja, das muss Magie sein. Eine Magie die sie sich nicht erklären kann. Die sie schon immer hatte.

Ihr Blick richtige sich wieder nach vorne. Das Plätschern eines Baches oder eines Flusses könnte man schon von weitem hören. Noch konnte sie nicht entscheiden was es genau war. Die Schritte wurden schneller. Hunger und Durst konnte sie auch durch die Magie ersetzen. Sie brauchte nicht essen oder trinken, das machte die Magie sobald sie schlafen ging. Doch das Verlangen nach einer kühlen Flüssigkeit in ihren Mund oder ein saftiges Stück Fleisch waren nicht zu verhindern. 
Das Geräusch wurde lauter. Der Walt lichtete sich und es kam ein kleiner Fluss zum Vorschein. Mit schnellen Schritten eilte sie darauf zu. Sie kniete sich hin um an das Wasser zu kommen. Sie schöpfte sich das kühle Nass mit ihren Händen zum Mund, um ausgiebig zu trinken.

Dieses Jahr war der Herbst zu kurz gewesen. Es wurde viel zu schnell kalt und die Bauern hatten Probleme die letzte Ernte vor dem erfrieren zu schützen. Er selbst war Jäger. Auch für ihn war der Winter nicht gut fürs Geschäft. Heute suchte er am Fluss nach frischen Spuren und hoffe das sich die Tiere blicken ließen.
Nichts. Den halben Fluss abwärts war weit und breit kein Tier oder auch nur die Spuren zu sehen. Doch dort in der Ferne erblickte er eine Gestallt. Ein Mädchen in langen schneeweißen Kleid hockte am Flussufer.

"Hey du?! Was machst du hier?" Eine männliche Stimme erschreckte sie. Ihr Blick fixierte den jungen Mann, der ein Stück weiter den Fluss aufwärts stand. Das Wasser lief ihr zwischen den Fingern zurück in den Fluss. Enttäuscht sah sie hinterher und fing gleich von vorne an sich Wasser zu schöpfen. "Hey ich rede mit dir!" Vernahm sie nun die Stimme erneut.
Das Mädchen starte ihn aus Eisblauen Augen an. Eine komische Augenfarbe, dachte er sich. Auch die Haarfarbe war seltsam. Es war kein blond sondern schon fast weiß, wie der Schnee auf den Bergwipfeln Richtung Norden. Von aussehen her musste das Mädchen 14/15 Jahre alt sein, doch sie wirkte stark und stolz. Trotzdem versuchte er es auf die sehr freundliche und kindergerechte Art. "Möchtest du mir nicht meine Fragen beantworten?" Die Antwort bestand aus einem Kopfschütteln. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf das Wasser in ihren zierlichen Händen.
"Möchtest du mir nicht zumindest deinen Namen verraten?" Langsam näherte er sich dem Mädchen. Wieder schaute sie auf und richtete den eiskalten Blick auf ihn. Sofort fing er an zu frösteln, doch das machte ihn nur noch neugieriger. "Bitte verrate mir nur deinen Namen." "Das kann ich nicht!" Er erschrak bei der Stimme. Sie klang nicht wie ein junges Mädchen sondern wie eine erwachsene Frau. Eisig, klar und hell. Der Blick ihrer Augen spiegelte sich in ihrer Stimme wieder. "Warum kannst mir ihn nicht nennen?" "Weil ich keinen Namen mehr habe." Vernahm er die eisige Antwort. Sie stand auf und wollte sich zum gehen auf machen. "Nein bitte geh nicht. Ich möchte dich gerne kennenlernen. Du bist so anderes." "Das möchtest du nicht! Ich will dich nicht enttäuschen, also lass es lieber sofort sein." Der kalte Blick verstärkte nur noch mehr ihrer Aussage.
Sie wand sich Richtung Norden zu den Bergen in der Ferne. "Dort werd ich hin gehen." Flüsterte sie eher zu sich selbst. Doch er hörte es. "Was? Nein das kannst du nicht machen! Mit diesen Anziehsachen wirst du dort oben sofort erfrieren!" Sie schüttelte nur den Kopf und ging los. "Dann las mich wenigstens ein Stück mitkommen. Auf dem Weg zu den Bergen liegt ein Dorf. Dort wohne ich. Ich werde dir Proviant und warme Sachen mitgeben." Diesmal kam keinerlei Reaktion von ihr. Er fragte sich was das zu bedeuten hatte.

Wörter die ich schriebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt