Der Fuchs und die Truthühner

70 1 0
                                    

Es wählte eine Truthahnherde, Die ein begieriger Fuchs begehrte,
Zur Nachtrast eines Baumes Äste. Umsonst beschlich der Fuchs die Feste;
Und liess er sich's auch viele Gänge kosten,
Fand er doch wachsam stets das Federvolk auf Posten.

Er zürnte: "Wie? Man lacht mich aus! Man spottet mein! Sollten wahrhaftig einzig diese mir entgehen?
Ich sage: nein! Bei allen Göttern, nein!" Und wie er's schwur, so ist's geschehen. Wenngleich das helle Mondenlicht Auch günstig schien der Hühnerschar
Und klar ihr zeigte die Gefahr -Der kundige Fuchs verzagte nicht, Er hatte seinen Sack voll List und Lug.
Er tat zunächst, als wolle er den Baum ersteigen, Indem er seine Pfote um die Rinde schlug;
Dann sank er hin, um sich als toten Mann zu zeigen,
Und wieder auferstanden trieb er neuen Trug: Verwandelte sich wie ein Harlekin
In immer andere Gestalten,
Hob seinen Schwanz und schwenkte ihn,
Hat unentwegt die indischen Hühner wach gehalten.
Von diesen, die den Feind nicht aus den Augen liessen,
Wagte natürlich keins, zum Schlaf das Lid zu schliessen. Scharf spähten sie und wurden endlich müd und matt, Und manches taumelte erschöpft vom Baum
Und fand alsbald die letzte Ruhestatt,
Die ersten in des roten Mörders Magen,
Die nächsten trug er schnell in seinen Vorratsraum
Nach Malepartus ein.

Was meine Fabel euch erzählt? - Wer nichts als immer die Gefahr im Auge hält, Fällt schliesslich ganz gewiss hinein.

- Jean de La Fontaine 1621-1695, französischer Schriftsteller -

FabelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt