Kapitel 1

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Als das gewohnte "Bing" der Tür ertönte, lief ich zurück in den vorderen Bereich des Ladens um meine Kunden willkommen zu heißen. Es waren zwei Jugendliche, beide Mädchen. Ich schätzte die zwei auf 16, also nicht viel jünger als ich es selber war. Die zwei sahen nicht aus wie typische, beziehungsweise bereits eingelebte, Magierinnen. Sie waren wohl Neulinge der Magierwelt und kamen höchstwahrscheinlich, um sich einen Liebestrank oder ähnlich Banales zu besorgen. Ich stöhnte, da ich gehofft hatte seit langem mal wieder auf jemand Interessanten zu treffen.
"Willkommen in meinem Stöbergeschäft. Wie kann ich euch behilflich sein?". Auch wenn ich nicht wirklich interessiert an den Mädchen war, so wusste ich doch meinen Laden zu führen.
"Ähm... wir hatten gehofft Sie könnten uns da bei einer Sache helfen.", brachte eines der Mädchen unter ungeheuerlichem Stottern heraus. Erst dann bemerkte ich, dass sie bestialisch schwitzte und beide ein Gesicht zogen, als hätten sie gerade ne Leiche gesehen. Mein Interesse war geweckt.
"Das hoffe ich auch."
"Also es geht da um so 'ne Sache die wir vielleicht nicht hätten tun sollen.". Je mehr sie redeten, desto bleicher wurden sie.
"Also kommt schon Mädels. Wie wäre es, wenn ihr mir ganz offen und aufrichtig erzählt was passiert ist und was ihr jetzt von mir braucht. Wenn ich euch nicht helfen kann wie ihr es gerne hättet oder ihr sonst irgendein Problem mit meinem Service habt, geht ihr einfach aus dieser schönen Tür da wieder raus und ich tue so als wärt ihr nie hier gewesen. Und glaubt mir ich bin ziemlich gut in sowas. Wenn ihr wüsstet wie schnell ich irrelevante Dinge aus meinem Hirn schmeiße.". Ich hoffte sie mit dieser erbärmlichen Ansprache überzeugen zu können, sie sahen nicht so aus als wäre viel nötig, um sie ein wenig zu manipulieren. Naja manipulieren ist so ein unschönes Wort. In die richtige
Richtung lenken passt eher.
Trotzdem sahen sich die zwei Mädchen weiterhin skeptisch an und überlegten fieberhaft. Ich runzelte die Stirn. Anscheinend hatte ich sie falsch eingeschätzt, sie besaßen ja doch ein bisschen Willenskraft. Plötzlich sah eine der beiden total selbstsicher aus und schrie ihrer Freundin förmlich ins Gesicht:
"Wir brauchen keine Hilfe. Vorallen Dingen nicht vom so einem zwielichtigen möchtegern Magiershop. Wir sind klug, wir kommen aus dieser Patsche schon alleine raus!"
Anscheinend war sie die dominantere der beiden, denn gleich darauf verließ sie mein Geschäft und ihre Freundin folgte ihr auf den Fuß.
"Zwielichtig? Möchtegern? Unverschämtheit! "
Zwar hätte ich schon ganz gerne gewusst, was nun das Problem der beiden war aber so reizend war es nun auch wieder nicht, als das ich den Zweien gefolgt wäre.

Es war bereits nachts und ich wollte genau in dem Moment die Tür verschließen, als sie sich mit einem Schwung öffnete, gegen mein Gesicht presste und meine Nase zum bluten brachte. Herein gestürmt kamen die zwei Mädchen vom Vormittag.
Ich gaffte die Mädchen wütend an, während ich über meine gebrochene Nase strich und sie innerhalb von Sekunden heilte. Eigentlich hatte ich vor Schreck geweitete Augen und fasziniert offen stehende Münder erwartet (und erhofft), die Mädchen jedoch interessierten sich nicht die Bohne für mein kleines Zauberstückchen sondern drehten sich ständig panisch hin und her.
"Nene so geht das nicht. Hättet ihr nur meine Nase gebrochen, hätte ich euch meine Hilfe vielleicht noch angeboten aber du da hast meinen geliebten Laden als zwielichtig und möchtegern beschimpft. Raus mit den Leuten, die die Magie dieses Ortes nicht spüren können!"
"Sie können uns nicht einfach raus schmeißen. Wir brauchen wirklich dringend ihre Hilfe."
"Meine Güte, dann sagt mir doch einfach, um was es sich handelt!"
"Erst wenn sie schwören, dass sie alles tun, um uns zu helfen und noch viel wichtiger, niemandem hiervon erzählen. "
Das war genug, um mich vollkommen zu überzeugen. Das Licht im Raum wurde in ein dunkles violett-blau getaucht, meine Haare strotzten der Schwerkraft und hingen nach oben, ich streckte meinen linken Arm in Richtung der Mädchen aus mit der Handfläche nach oben und sagte das mir altbekannte Mantra:
"Mit meinem Blut schwöre ich, deinen Bedingungen nachzugehen." auf.
Anschließend ritze ich mir mit meinem Fingernagel ein wenig in den Unterarm. Ein Tropfen Blut fiel auf den Boden und alles war wieder normal.
Ich schaute ganz unschuldig drein, als wäre nichts passiert und wartete geduldig darauf, dass eines der Mädchen was sagte. Es hatte ihnen die Sprache verschlagen aber wer könnte ihnen das verübeln?
"Ok... okay. Liora zeig es ihr!"
Daraufhin nahm Liora die Cello-Tasche, die ich bis jetzt komplett verdrängt hatte, obwohl sie so riesig war, von ihrem Rücken, legte sie ab und war kurz davor sie zu öffnen. Davor aber atmete Liora noch einmal tief ein und öffnete dann ganz langsam die Tasche. Als der Inhalt dann frei sichtbar dort lag, brach Liora in Tränen aus aber ich konnte nicht anders als schallend zu lachen.
Liora und ihre Freundin hatten anscheinend ein Mädchen in ihrem Alter umgebracht und die Leiche anschließend in einer Cello-Tasche versteckt. Sowas kreatives hatte ich echt noch nicht gesehen.
"Hören sie auf zu lachen! Was zur Hölle ist daran witzig?"
Ich versuchte mich zu fangen und antwortete:
"Ist gut, ist gut. Sag mal wie heißt du eigentlich?"
"Mein Name ist Tamina und das ist Liora."
"Freut mich wirklich euch kennen zu lernen. Ich bin Emilia, die herrschende Hexe dieser Stadt. Also was soll ich für euch tun?"
Tamina sah mich an als hätte ich gerade die dümmste Frage der Welt gestellt.
"Na ist das denn nicht offensichtlich? Sie sollen sie wieder zum Leben erwecken. Wir möchten nicht für den Rest unseres Lebens Mörder sein und wir wollen auf keinen Fall in den Knast kommen."
Daraufhin guckte ich Tamina und Liora abwechselnd sehr lange direkt in die Augen und überlegte, wie ich es ihnen am besten sagen konnte.
Dann sprach ich:
"Tut mir leid, ich kann euch leider nicht helfen."

*schnipp schnipp*
" Emilia sag mal lebst du noch? Stell sofort das Wasser ab du bist total verschwenderisch."
Ich starrte meine Schwester erst einige Sekunden perplex an, dann aber verstand ich, was sie meinte. Ich war dabei das Geschirr abzuspülen und lies das Wasser grundlos laufen, weil ich mal wieder tagträumte und meine Hände aufgehört hatten zu arbeiten. Erst ärgerte ich mich darüber, dass meine Schwester mich aus meinem Traum gerissen hatte aber dann nahm ich mich zusammen und beeilte mich mit dem Abspülen. Anschließend ging ich hoch in mein Zimmer und war ganz entschlossen jetzt meine Hausaufgaben zu machen. Ich sah rüber zu meinem Schreibtisch auf dem dutzende Sachen lagen. Den Tisch an sich konnte man eigentlich gar nicht mehr richtig sehen. Dann sah ich rüber zu meinem Bett. Es war über und über mit Klamotten bedeckt. Nach einigen Sekunden höchst konzentrierter Überlegungen kam ich zu dem Schluss, dass es einfacher wäre meim Bett zu befreien also nahm ich alle Kleidungsstücke die drauf lagen und legte sie auf meinen Schreibtisch. Ein paar die auf den Boden gefallen waren, weil ich natürlich alles auf einmal getragen hatte, ließ ich einfach liegen. Dann nahm ich meine Schultasche, stellte sie neben mein Bett und legte mich mit dem Kopf ans Bettende auf den Bauch. Mit einer Hand pulte ich meine Bücher und Collegeblöcke mitsamt ein paar einzelner Kugelschreiber aus meiner Tasche und legte sie vor mich auf das Bett. In meinem Hausaufgabenheft sah ich nach, was ich aufgekriegt hatte und begann dann mit Mathe. Damit ich das Schlimmste schnell hinter mir hatte. Anschließend setze ich mich an Deutsch. Aufgabe war es eine komplette Inhaltsübersicht über die Tragödie "Faust" von Goethe zu erstellen. Ich hatte bereits ein paar Kapitel hinter mir, als ich aus Erschöpfung und Verzweiflung mit meiner Faust auf das weiche Bett schlug, ein lautes "Arrgh" ausstoß und danach einfach meinen Kopf auf meinen Block fallen lies. Selbstmitleid nannte man das. Ich bemitleidete mich selber dafür, dass ich Hausaufgaben machen musste. Also entschied ich mich eine kleine Pause zu machen und in meinen Gedanken ein weiteres Abenteuer zu bestreiten.


Wenn ich träume...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt