Ich zuckte erschrocken zusammen und hielt inne. Es war eine mir sehr vertraute Stimme. Aber das konnte nicht sein, oder doch? Schockiert öffnete ich die Augen. Als ich die Person, die soeben meinen ganz und gar wunderbaren Tanz unterbrochen hatte, erblickte errötete ich stark. „W-Was?" ich schaute ihn bestürzt an. Faster war immer noch in meinen Ohren zu hören, aber den IPod schaltete ich trotzdem nicht aus. Dazu war ich im Moment viel zu Überrascht. Gideon de Villiers hatte sich soeben vor meinen, zugegebenermaßen, geschlossenen Augen aus dem Nichts materialisiert. Schon kam er auf mich zu, ganz langsam. Bei mir angekommen, nahm er mir den IPod aus den Händen und zog mit einer leichten, beiläufigen Berührung meines Gesichts, die Kopfhörer aus meinen Ohren. Dabei schaute er mir in die Augen. Blau in grün. Mir stockte der Atem. „Ich sagte..." fing er an, ein spitzbübisches Grinsen im Gesicht „...das wäre es sicher nicht." Ich schaute ihn verdattert an. Wovon redete er da bloß? Ich wollte gerade meinen Mund aufmachen, um weiter nachzufragen, als er seinen Kopf leicht schief legte, wobei eine Locke in sein Gesicht fiel. Er lächelte mich an. „Be such a bad thing", zitierte er das Lied, welches ich bis vor ein paar Sekunden noch aus vollem Hals gesungen hatte. Mit seinem Daumen strich er über meine Wange. Das feurige Gefühl, dass ich bereits aus der Kirche kannte, kehrte zurück. „Das Lied was du gerade gesungen hast, du hast übrigens eine sehr schöne Stimme..." Er verstummte. Überlegte er sich gerade wie er weiterreden sollte oder ob er überhaupt weiterreden sollte? Ich für meinen Teil hoffte natürlich auf ersteres. Erneut Hoffnungen gemacht zubekommen, bloß um sie dann wieder in den Wind blasen zu müssen, das konnte ich zur Zeit nicht gebrauchen. Ich musste immer noch das Geheimnis hinter dem Geheimnis herausfinden und allgemein hatte ich sehr viele Fragen, auf die ich antworten haben wollte. Ein gebrochenes, oder zumindest ein zutiefst verwirrtes Herz konnte ich dabei nicht gebrauchen. Vertraue niemandem. Nicht mal deinem eigenem Gefühl. Ohne großartig weiter darüber nachzudenken nahm ich Gideons Hand von meinem Gesicht weg. Meine Arme verschränkend trat ich einen Schritt zurück. Der sanfte, warme Ausdruck, der bis gerade eben noch auf Gideons Gesicht zu sehen war, verschwand. An seine Stelle trat ... Enttäuschung, Schmerz? Ich war nicht sicher. „Bevor du gleich wieder damit anfängst mir zu sagen wie besonders ich für dich bin, woraufhin du mich wahrscheinlich wieder küsst, um dann ohne ein Wort darüber zu verlieren was vorgefallen ist, erneut beginnst mich herum zu kommandieren... Lass es einfach sein!" Die letzten Worte kamen mir lauter und schärfer über die Lippen als beabsichtigt. „Darauf kann ich nämlich gut verzichten." Schloss ich meine kleine Rede ab, nicht ohne einen kleinen Schluchzer aus meinem Mund schlüpfen zu lassen. Gideon jedoch trat einen Schritt auf mich zu und überwand somit den kleinen Abstand den ich zwischen uns gebracht hatte. Er lächelte mich verständnisvoll an. „Zuerst reden also." Es klang als ob er das mehr zu sich als zu mir sagte. „Gwendolyn" in seinem Mund klang mein Name viel schöner. „Ich... Es tut mir leid." Er fuhr sich mit der Hand durch sein langes, lockiges Haar. „Wo soll ich anfangen?" Auf mich machte er einen hilflosen Eindruck, wie er so dastand und keine passenden Worte zu finden schien. Nichtsdestotrotz würde ich ihm nicht helfen. „Nochmal zurück zu dem Lied, welches du vorhin gesungen hast. Wenn ich dich so nehmen würde wie du bist, tollpatschig, etwas verplant." Aha? Wohin sollte das denn jetzt führen. Ich wollte etwas einwenden. Definitiv! Okay ich war tollpatschig, dafür konnte ich nichts. Ich war schon so geboren. Aber verplant? Er lachte leise auf. So ein Kotzbrocken. Doch bevor ich auch nur einen Ton herausbringen konnte redete er weiter. „Bitte Gwen, lass mich ausreden." Er wartete kurz ob ich Einwände hatte, ehe er weiter sprach. „Du bist tollpatschig und manchmal auch so furchtbar unbedarft. Aber dann wiederum so klug und witzig ... Daher wäre es nichts allzu schlimmes für mich dich so zu nehmen. And if you took me as I am, would it be such a bad thing?" Zitierte er das Lied erneut. Himmel, wie lange war er schon im Raum gewesen bevor er sich bemerkbar gemacht hatte? „Ich konnte es mir nicht nehmen dich zu beobachten während du am Tanzen und am Singen warst." Konnte er jetzt schon meine Gedanken lesen? „Nachdem ich gleich ausgeredet habe... ausgeredet haben werde", korrigierte er sich, bevor er weiterredete. „...wirst du merken, dass ich dazu kaum Gelegenheiten bekomme. „Saw me as I am, would it be so bad? Mal abgesehen davon, dass du äußerlich wunderschön bist, empfinde ich auch dein innerstes, wie ich es bis jetzt gesehen habe, als schön. Ich würde dich gerne noch näher kennen lernen... Oh Gott das hört sich total kitschig an." Gab er belustigt und verärgert zugleich zu. Ohne es unterbinden zu können brachte es mich zum Lachen. Das schien ihn im Weiterreden zu bestärken. „Wegen des Kusses vorhin in der Kirche... Ich schulde dir wohl noch eine Erklärung." „In der Tat", sagte ich jetzt wieder etwas schärfer und verschränkte meine Arme vor der Brust. Mein Blick fiel dabei auf seine Hände, die unaufhörlich mit den Kopfhörern meines IPods in seinen Händen spielten. Er seufzte. „Es ist so." Wieder rang er nach Worten. Es erstaunte mich ihn so zusehen. Normalerweise war er ein Meister der Worte. Brachte ich ihn aus der Fassung? In einer positiven Weise? Oder würde er gleich sagen: Es ist so, ich wollte dich nicht küssen, aber dann habe ich es doch gemacht, weil mir langweilig war. Bitte vergiss, dass das jemals passiert ist. Lass uns aber Freunde bleiben, ja? „Hörst du mir noch zu Gwenny?" unterbrach er meinen Gedankenstrom. „Was? Achso ja klar." Er zog eine Augenbraue hoch, redete dann aber weiter. „Ich wollte dich nicht küssen." Waas? Oh nein, jetzt kommt's. Ich bereitete mich innerlich auf die nächsten Worte vor. Gideon schien nichts von meinem Unbehagen mit zubekommen, er erzählte weiter. „Ich wollte dich nicht küssen. Beziehungsweise, ich wollte dich schon küssen. Sonst hätte ich es schließlich nicht getan, oder? Naja, was ich sagen will, ich bin zwiegespalten. Einerseits gibt es den einen Gideon, der erst aufgetaucht ist, nachdem du zur Loge gekommen bist. Der Gideon, der anfängt die Dinge zu hinterfragen, die ihm aufgetragen werden. Dieser Gideon möchte dich nicht küssen." Er sah den veränderten Ausdruck in meinem Gesicht und fügte hinzu „Er möchte dich nicht küssen, weil es sowohl für dich als auch für mich Gefährlich werden könnte, wenn die Wächter von einer möglichen... Wenn sie herausfinden, dass wir beide uns mehr als nur freundschaftlich mögen. Du weißt ja was mit Lucy und Paul passiert ist. Sie könnten zum Beispiel denken du könntest mich zu dem Diebstahl des Chronografen überreden. Dieser Gideon möchte dich um jeden Preis beschützen." Seine Augen strahlten eine Wärme aus, wie ich sie noch nicht bei ihm gesehen hatte. „Der andere Gideon, der der dich küssen möchte, ist der „Logen-Gideon". Ihm ist egal was die Wächter veranstalten würden wenn sie über uns Bescheid wüssten. Er würde den Wächtern sagen, dass er in der Lage ist dich zu kontrollieren. Wie gesagt, " fügte er mit einem Blick auf meinen nicht sonderlich begeisterten Gesichtsausdruck hinzu, „Logen-Gideon ist manchmal ein arrogantes Arsch. Und in der Kirche hatte er die Überhand... If you felt what I had, would it be such a bad thing? Ich bin nicht sicher, ob du das gleiche fühlst wie ich." Es war nur ein Flüstern. Ein Flüstern gefüllt mit Emotionen. Wer war es von uns beiden der mehr fühlte? Mir war das egal. Denn das was ich nach seiner Erklärung fühlte, war unbeschreiblich. Er schien zu überlegen, mit sich zu hadern, dann sagte er sehr leise zu sich selbst, sodass ich seine Worte kaum vernehmen konnte: „Hier sieht uns niemand aus der Loge."
Er verminderte erneut den Abstand zwischen uns und steckte dabei den IPod, mit dem er bis vor kurzem noch herum gespielt hatte, in seine hintere Hosentasche. Seine Augen waren in meinen versunken. Kurz glitt sein Blick nach unten zu meinen Lippen, er zögerte, nahm dann mein Gesicht in seine Hände und ... küsste mich. Ganz sanft und zu meiner Enttäuschung sehr kurz, zu kurz. Gerade wollten sich meine Arme um seinen Nacken schlingen, da hatte er schon wieder von mir abgelassen. „Das musste ich tun, wenigstens noch einmal." „Aber.." ich klang verzweifelt. „Hör zu Gwendolyn, die Wächter dürfen nicht mitbekommen, dass ich dich sehr gern habe. Sonst können sie uns gegeneinander ausspielen oder was weiß ich noch alles." Gideons Stimme gewann zunehmend an Lautstärke. „Was ist?" fügte er hinzu, als er merkte, dass ich ihn trotz seiner erhobenen Stimme anlächelte. „Was wenn wir so tun als würden wir uns nach wie vor nicht leiden können, also vor den Leuten aus derLoge? Wenn wir alleine sind, dann..."Den letzten Teil des Satzes ließ ich in der Luft hängen, wo er gekonnt durchGideon ignoriert wurde. Er ging nur auf den ersten Teil ein. „Hmm.. mit dem Gedanken hatte ich auch schon gespielt, aber dann dachte ich, es sei möglicherweise zu schwer, Gefühle vollkommen zu verstecken." „Ich denke wir kriegen das schon hin." Ich grinste ihn an. „Weißt du, manchmal bist du nämlich immer noch ein arroganter Kotzbrocken." „Ach ja?" Er sah durchaus belustigt drein. „Du bist auch noch des Öfteren ein kratzbürstiges kleines Biest." Es schien nicht besonders ernst oder böse gemeint gewesen zu sein, daher versprach ich „das wird sich auch nicht so schnell ändern." „Na, dann ist ja gut" sagte er lachend. „Also dann ist es abgemacht?" fragte ich ihn daraufhin. Anstatt mir eine Antwort zu geben küsste er mich noch einmal, bevor er grinste „abgemacht."
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Faster
FanfictionEin kleiner Text über Gwendolyn und Gideon, findet im 3. Kapitel von Saphirblau statt. Ich habe die ursprüngliche Handlung, wie sie im Buch beschrieben ist, abgeändert, sodass Gwen anstatt ihren Großvater zum ersten Mal zu treffen zunächst alleine E...