Teil 1

38 0 0
                                    

Ich sitze auf dem Bett, kämme mir die Haare und summe das Lieblingslied meiner Mutter vor mich hin. Ich tue dies seit meiner Kindheit.

Meine Mutter hat das früher immer getan bevor sie mich ins Bett brachte. Sie erzählte mir dann immer, wie schön ich sei und dass ich, wenn ich älter bin, mal die schönste Hochzeit bekommen würde und dass ich Hochzeitskleid tragen würde. Ich war der festen Überzeugung, dass dies genau so werden würde.

Doch als ich sieben Jahre alt war verstarb sie aufgrund einer Lungenentzündung. Nach ihrem Tod veränderte ich alles in meinem Leben. Das Haus in dem wir lebten, das Haus, welches zuvor noch mit so viel Freude und Leben erfüllt war wurde ein Ort der traurigen Erinnerungen. Ein Trugbild dessen, was früher mein Zuhause gewesen war.

Mein Vater wurde depressiv. Er fing an zu trinken und wurde glücksspielabhängig. Wir bekamen große Geldprobleme.

Er war nicht mehr in der Lage sich um mich zu kümmern und ich musste früh lernen, wie man kochte und den Haushalt schmeißt. Ich war oft überfordert mit der Situation, doch meinen Vater interessierte das nicht. Wenn er betrunken war und ich machte nur einen kleinen Fehler, lud er seinen ganzen angestauten Frust, die Wut und die Trauer an mir ab. Er fing an mich zu schlagen.

Mit der Zeit lernte ich die Signale, die auf einen weiteren Wutanfall seinerseits hindeuteten, zu erkennen. Ich rannte dann immer in mein Zimmer, setzte mich auf mein Bett, kämmte mir die Haar und summte Mutters Lieblingslied. Dieses Ritual nahm mir mehr und mehr die Angst vor den Schlägen und linderte den Schmerz. Es versetzte mich in die Zeit zurück in der meine Mutter noch lebte. In der wir alle noch glücklich waren. In der ich einfach nur Kind sein durfte.

Mit der Zeit verlor ich gänzlich meine Gefühle. Ich verspürte gar nichts mehr. Keinen Schmerze, keine Angst, keine Freude, keine Wut. Dieser Zustand hält bis heute, zehn Jahre später, immer noch an.


Die HochzeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt