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Jemand rüttelte an ihr. „Hallo?", hallte es in ihre Richtung. Ihre Augen wogen schwer. Sie fühlte sich müde und benommen. „Bist du wach?" Die Stimme wurde deutlicher. Stets wurde ihr Körper geschüttelt. Langsam wurde es um sie herum hell. Sie fühlte sich so, als hätte sie wochenlang geschlafen. Sie blinzelte einmal. Grelles Licht.

„Hey, Schönheit. Gut geschlafen?", sagte dieselbe Stimme. Sie gehörte einem Jungen. Die Stimme kam ihr bekannt vor, allerdings konnte sie sich nicht erinnern... Immer noch schwach und benommen öffnete sie mühsam ihre Augen und blickte direkt in seine. Meerblaue neugierige Augen musterten sie. Eine Weile schauten sie sich schweigend an, bis er, dem die funkelnden Augen gehörten, die Stille unterbrach. „Wow", sagte er. „Wach bist du ja noch viel schöner." Prompt schoss ihr das Blut in die Wangen. Verlegen drehte sie ihren Kopf weg, doch er drehte ihn sanft wieder in seine Richtung. Der blondhaarige Junge verbreiterte sein Grinsen. „Na da scheint wohl jemand geschmeichelt zu sein." Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

Langsam nahm sie ihre Umgebung war. Sie lag auf einem großen Bett mit weichen weißen Kissen und Laken. Das Zimmer, in dem sie sich befand, war recht einfach eingerichtet. Ein nussbrauner Kleiderschrank mit Spiegel, zwei farblich passende Nachtschränkchen, auf denen je eine kleine Lampe Platz nahm. Eine kleine Sitzbank stand vor dem einzigen Fenster des Raumes. Die Wände waren weiß gestrichen. Draußen schien die Sonne tief, deshalb schätzte sie, dass es abends sein musste. Der Junge strich ihr, während sie sich umschaute, behutsam über ihre Haare. Als sie ihre Beobachtungen beendet hatte, schaute sie wieder zu ihm. Er lächelte nur. „Wo... bin ich?", brachte sie nur mühsam hervor. Sie fühlte sich immer noch benommen; irgendwie taub. Der Junge schien etwas anderes erwartet zu haben. Dennoch strich er weiter beruhigend durch ihre offenen Haare. „Ich weiß es selbst nicht so genau, meine Schöne. Aber ich kenne deinen Namen", nun grinste er wieder verschmitzt. Moment, wie bitte? Plötzlich stieg die Panik in ihr auf. Wer war sie selbst überhaupt? Wieso wusste sie das nicht? „Was?", fragte sie entgeistert. Ihr Herz fing an zu rasen. Sie schnappte nach Luft. Wer war sie? Wo war sie? Panisch versuchte sie sich aufzusetzen, doch sie hatte kaum Kraft. Der Junge hielt sie behutsam zurück. „Hey, ganz ruhig. Beruhig dich wieder. Es bringt nichts, die Nerven zu verlieren, Caylin", sagte der Junge mit einer angenehm sanften Stimme. „C-Caylin?", fragte sie ungläubig und fing an, sich allmählich zu beruhigen. Langsam versuchte sie sich aufzurichten. Sie bemerkte, dass sie nur ein weißes T-Shirt und eine kurze, enge Hose trug. „Du bist Caylin Evans. 19 Jahre alt und in einer Beziehung mit Nathan Hill, 21 Jahre alt. Dieser ist übrigens sehr charmant, witzig und klug." Er grinste wieder verschmitzt. „Und... Wer ist das?", fragte Caylin unsicher. Er begann zu lachen. „Na ich, du Süße." Er nahm ihre Hand und küsste sie sanft. Seine Lippen berührten sie kaum. „So Schlafmütze, jetzt komm aber mal aus den Federn. Du bist die Letzte, die aufgewacht ist. Die Anderen warten schon seit knapp zwei Stunden darauf, dass du endlich zu dir kommst." Nathan sprang förmlich aus dem Bett und klatschte entschlossen in seine Hände. „Oh, eine Sekunde noch." Daraufhin ging er zum Schrank und nahm einen Stapel Klamotten heraus. „Zieh dich am besten noch an. Wir sehen uns dann unten", sagte er mit einem charmanten Grinsen, legte die Klamotten zu ihr aufs Bett und verschwand durch die Tür.

Langsam richtete sie sich auf. Jede Bewegung war ungewöhnlich anstrengend. Was war das bloß alles hier? War es ein böser Traum? Wer war dieser Nathan und wer waren ‚die Anderen'? Aber vor allem: Was war passiert? Wieso konnte sie sich an nichts erinnern? So viele Fragen schwirrten in einem Wirrwarr durch ihren Kopf. Vorsichtig griff sie nach der Kleidung, die ihr Nathan zuvor gegeben hatte. Es waren ein grauer Sweater und eine schwarze Jeanshose. Caylin musterte die Sachen eine Weile und zuppelte daran herum.

Doch sie fühlte sich nicht wohl. Es fühlte sich unecht an. Ein mulmiges Gefühl im Magen verriet ihr, dass sie hier nicht sicher war; dass sie hier nicht hingehörte. Die Angst überkam sie, gefolgt von erneut aufsteigender Panik. Sie musste hier weg, augenblicklich! Panisch schaute sie sich um. Es gab nichts in diesem Zimmer, was ihr helfen konnte. Nichts, was ihr auf ihrer Flucht helfen konnte. Sie atmete schwer. Schnell zog sie die Decke von sich herunter und setzte sich auf. Als sie aufstand, wollten jedoch ihre Beine nicht gehorchen und sie fiel zu Boden. Der helle gewebte Teppich dämpfte ihren Sturz. Sie hielt kurz den Atem an. Hoffentlich hat das niemand gehört, dachte sie. Vorsichtig stützte sie sich auf ihre Hände und versuchte wieder auf ihre Beine zu kommen. Mit wackeligen Knien stand sie jetzt aufrecht. Keine Zeit. Sie zögerte nicht lange und riss die Zimmertür auf. Sie kam in einen düsteren Flur, der keine Fenster besaß, dafür aber viele Türen. Sie blickte sich hektisch nach einem Ausweg um und stützte sich an der Wand ab. Ihr Brustkorb zog sich zusammen. Ihre Muskeln schienen gelähmt. Sie holte tief Luft. Das Licht aus dem Zimmer strömte an ihr vorbei, in den langen Flur, verlor sich jedoch schon kurz danach im Dunkeln. Dort, die Treppe. Dunkel schimmerte sie einige Meter von ihr entfernt. Unten gab es bestimmt einen Ausweg.

No EscapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt