Die nächsten Tage dachte ich nur noch an die Worte meines Bruders nach. "Beende den Mist den ihr Beziehung nennt." hallt es immer wieder in meinen Kopf herum. Egal wann. Ob ich nachts schlafen wollte, dusche, esse, Mike ansehe. Immer. Es machte mich verrückt und die Tatsache, dass, als Mike für ein paar Tage nicht in der Stadt war und ich ihn so nicht sehen konnte und es nicht mal schlimm fande, störte mich noch mehr. Vermissen, ein bisschen Eifersucht, Sehnsucht; sowas gehört doch in einer Beziehung dazu.
Das bestätigte, dass ich ihn wirklich nicht liebe.
Mir fiel immer öfter auf, dass es sowas wie ein ein Zwanggefühl ist, wenn ihn küsste oder ich sowas wie "Du bist der Beste" zu ihm sagte. Ich weiß nicht mal genau warum genau ich mich dazu zwang, wenn ich es doch irgendwie nicht wollte. Wenn ich auch ohne ihn kann. Wovor habe ich dann Angst?
Und mit wem sollte ich darüber reden? Auch wenn Steffy und ich uns mehr oder weniger vertragen haben, ist es im Moment ziemlich komisch zwischen uns. Sie erzählte mir nichts mehr von irgendwelchen Dates, die total schlecht verlaufen sind und plauderte auch keine Anturner der jeweiligen Jungs aus. Außerdem: sollte ich wirklich mit einer Schlampe über Beziehungen reden? Es war irgendwie nur noch Schein, auch wenn ich es manchmal vermisste, wusste ich, dass es mir gut tut.
Mit Derik wollte ich nicht darüber sprechen. Es gibt Dinge im Leben, die sollte der große Bruder nicht wissen. Also war ich allein damit. Auch das Wissen stärkte mich nicht wirklich, ich hatte nur Steffy und meinen Bruder. Wie erniedrigend.
So gut wie es ging, verdrängte ich die Stimme von Derik, der diese Worte ausspricht, aus meinen Kopf. Ich versuchte mich abzulenken, wann immer es ging. Ich zeichnete, hörte laute Musik, joggte, machte sogar Yoga.
Doch irgendwann konnte ich es nicht mehr verdrängen. Ich war mit jemanden in einer Beziehung, den ich nicht mal mehr liebte und ob ich ihn je geliebt habe ist eine andere Frage.Es war ein Freitag Abend. Steffy und ich machten uns gemeinsam für eine Party fertig, die Cole schmiss. Echt krass, wie schnell er Anschluss gefunden hatte. Er war nur noch selten bei uns in den Pausen, hängte mit vielen anderen Mädchen und Jungs ab.
("Die sehen nicht mal schwul aus!") hatte Steffy entsetzt gesagt, als sie zu Cole und den anderen rüberlinste, danach spuckte sie etwas sauer ihr Kaugummi raus. Schließlich serviert niemand Steffanie MC Call ab. Meistens war es so, dass Cole, Steffy und ich wortlos in der Raucherecke rauchten. Er dann seine halbe Zigarette aus trat und zu seinen anderen Freunden ging. Steffy streckte die Zunge zu seinem Rücken aus und sagte mit angehobener Stimme "So ne Schwulette."
Doch trotzdem gingen wir auf diese Party. Eigentlich ging ich nur, weil mich Steffy dazu zwang. Sie meinte, sie hätte einen Plan, wie sie Cole um den Finger wickeln kann und sie sagte, dass es dort jede Menge Alkohol und Gras geben würde. ("Dein Freund kommt doch auch!", sagte sie in der Pause mit einem breiten Grinsen.) Natürlich war das nicht der Grund, wieso ich auf die Party ging, sondern, weil es dort Alkohol und Free-Food gab. Grund genug.Ich war aufgeregt, nicht wegen der Party. Sondern, weil irgendetwas komisches passieren würde. Irgendetwas krasses. Das spürte ich. Und wenn ich merkte, dass etwas passieren wird, dann ist es auch so. Egal bei was. Ob es der Fahrradunfall war mit 8, dass Papa bei einem Verkehrsunfall starb mit 10, dass Steffys einziger Exfreund sie betrog mit 15. Ich hatte immer dieses Gefühl, was von der Magengrube aus hoch ging. Und immer lag ich richtig.
Die Party war schon im vollen Gange. Als Steffy und ich durch die offene Haustür gingen, sah ich sofort ins Cole's Augen. Sie sahen etwas glasig aus. War er betrunken? Ich ignorierte es und ging sofort auf die 'Tanzfläche'. Ich bewegte meine Hüften, lachte zu einigen, die ich kannte und spürte wie der Beat immer schneller ging. Also tanzte ich wilder und ich bewegte meinen Hintern. "Hey Baby.", jemand legte seine Hände von hinten an meinen Hüften. Ich drehte mich um. Mike. "Hi.", ich lächelte ihn an und gab ihn einen Kuss auf die Wange. Das Gefühl in der Magengrube stieg. Mike roch nach Alkohol, Tabak und Gras. Also so wie immer. "Tanz nicht so.", sagte er dann in einen etwas zornigerin Ausdruck in der Stimme. Ich legte meine Hände von seinen Wangen ab und schaute ihn empört an. Was hat er denn jetzt? "Weißt du, wie mein Schwanz abgeht wenn ich das so sehe? Und außerdem gehört der Arsch nur mir. Der ist viel zu sehr betont." Ich schluckte. Gott, wie ich das hasste. Sein Arsch. Immer nur seins. Meine Lippen, seine. Meine Brüste, seine. Mein Hintern, seins. Mein Bauch, seins. Meine Beine, seins. Alles an mir gehört ihm. Ich hasste es. Nichts von dem gehört ihn und nichts von mir wird je jemanden gehören. Ich gehöre zu mir, meine Lippen sind meine, genauso wie mein Hintern. Wieso verstand er das nicht?
"Zu sehr betont?", stammelte ich nur.
Ich hatte eine ganz normale Jeans an. Was war sein Problem? "Ja, und wie. Am liebsten solltest du dich umziehen."
"Oh Gott, weißt du was? Nüchter du dich erstmal aus, wir sehen uns dann." Er packte an meinen Handgelenken und schaute mich grimmig an. "Lass das."
"Und du tanz nicht so wie eine billige Nutte. Das kannst du vor mir machen, wenn wir alleine sind aber nicht hier."
Bitte was? Okay, das reicht. Ich hab also wie eine billige Nutte getanzt? Zwischen all den verschwitzten Menschen, kann niemand erkennen, ob ich jetzt meinen Hintern bewege oder nicht. Außer natürlich Mike. Er achtet doch nur auf bewegene Ärsche. Und wie soll man denn sonst tanzen? Hin und her wippen? Warte. Hat er mich gerade wirklich billige Nutte ganannt? Ich schluckte. Nochmal. Ich riss mich von ihm los und holte mir einen Drink. Wie konnte er nur? Mein eigener Freund hat mich eine Nutte genannt? Was ist denn nur mit ihn los? Ja, seitdem mir klar wurde, dass unsere Beziehung wirklich Mist ist, verhielt ich mich komisch ihm gegenüber. Ich bewarte eine gewisse Distanz. Sagte ihm sogar, dass ich Pilz hatte. So konnten wir kein Sex haben. Und schwups, kam er auch gar nicht mehr zu mir. Aber deswegen kann er mich doch nicht so nennen? Mir tat es weh, dass er mich so nannte. Der Drink war leer. Ich holte mir noch einen. Irgendwann merkte ich dann den Alkohol. Ich wollte weg von diesem Ort. Aber wie soll ich jetzt gehen? Ich hab Steffy versprochen, mindestens zwei Stunden auf dieser Party zu bleiben und mit diesem Gefühl in meinem Bauch, kann ich heute eh nicht schlafen.
"Ist alles in Ordnung?" Ich drehte mich um. Cole schaute mich an und trank einen Schluck aus dem typisch amerikanischen roten Becher. "Ja, denk schon."
"Ey, lüg mich nicht an."
"Wieso sollte ich dich nicht anlügen?"
"Okay, stimmt."
Ich nahm mir wieder ein Getränk und drehte mich zu Cole um. "Was denn?", fragte ich. Wegen seines Blickes.
"Wieso gehen die Gerüchte um, dass ich bisexuell wäre?"
Ich musste mir ein Grinsen verkneifen.
"Ein bisschen bi schadet nie, oder wie heißt es so schön?"
"Ich bin vollkommen heterosexuell, nur mal so."
"Freut mich."
"Ach ja?" Er lächelte mich an. Fuck.
"Ja.", stammelte ich. "Ich ehm, .."
"Du solltest gehen?"
"Ja."
"Weswegen?"
"Keine Ahnung, du machst mich verlegen und.. und äh, da hinten steht mein Freund, der sauer auf mich ist, also.."
"Also solltest du das lieber klären?"
"Ich denke nicht."
"Soll ich weiter drauf ein gehen?"
"Nein, lassen wir das Thema Mike."
"Okay gut. Du bist betrunken, oder?"
"Kann man so sagen.", brachte ich heraus. Ich beobachtete, wie die Finger, die den Becher halten, zitterten.
Oh Gott, Mike hat mich eine Nutte genannt. Ich sollte das beenden. Das alles. Mein jetziges Leben, es, es ist echt nicht mehr schön. Ich hasse es.
"Hey, Val.. ",Cole kam etwas auf mich zu, "Lass uns an die frische Luft gehen. Keine Sorge, ich bin nicht betrunken. Bin nur ein bisschen high." Ich schaute ihn fragend an, aber ging dann mit ihm auf den Balkon, der sich oben befand.
"Also, Val. Willst du mir erzählen, was los ist?"
"Was soll ich denn erzählen?"
"Es sieht aus, als würdest du gleich los heulen."
"Vielleicht, weil, weil ich gleich los los los heule." Und dann passierte es. Ich heulte. Ich heulte vor Cole. Ich heulte und heulte und dachte, es würde niemals wieder aufhören. Es zitterten nicht nur meine Finger, es fühlte sich an, als würde mein ganzer Körper beben.
"Oh, Valentine." Cole zögerte keine Sekunde und kam sofort auf mich zu, um seine Arme um mich zu schließen.
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Wirklich Liebe?
RomanceVon wahrer, tiefsinniger Liebe sprachen Valentine und Mike nie. Für Mike war die Beziehung ein Zeitvertreib, sie bestand nur aus einem Ort, zu dem man ging und Sex hatte, so stellte er es sich vor. Und Valentine ließ es mit sich machen. Als sie erka...