Nach der langen und ätzenden Vorlesung Zuhause angekommen, klappte ich meinen Laptop auf und checkte meine Mails. Ein Haufen Werbung, mehr war nicht zu öffnen. Nicht mal ein Brief von meinen Eltern. Ich war enttäuscht und verspührte kurz so etwas wie Heimweh.
Um mich etwas abzulenken, räumte ich meine Wohnung auf und drehte mir nebenbei Musik auf volle Lautstärke. Das half ziemlich gut. Zum Abendbrot machte ich mir dann Spaghetti Bolognese. Eines der Gerichte, die ich mittlerweile auswendig konnte, weil ich es so oft kochte. Mit den Spaghetti und meinem heiß geliebten Apfeltee, setzte ich mich auf meine Couch, nahm den Laptop und schaltete ihn wieder ein. Ich recherchierte erst etwas für einen Vortrag, aß und trank nebenbei und öffnete dann ein neues Dokument, um eine Geschichte zu beginnen. Mir schwirrten tausende Ideen im Kopf rum und meine Finger zeigten, dass sie bereit waren loszulegen. Nur konnte ich nicht. Ich wusste einfach nicht wie. Mal wieder. Eine Schreibblockade.
Zu meinem Unglück, dauerte diese nun schon ganze drei Monate an und das war auf Dauer echt frustrierend für eine Schriftstellerin. Ok, eine hoffentlich zukünftige Schriftstellerin.
Ich legte den Laptop beiseite, lehnte den Kopf gegen die Wand und starrte an die Decke. Leise seufzte ich.
Seit ich hier nach London gezogen war, verließ mich meine Fähigkeit zu schreiben. Und dabei war diese Stadt doch die perfekte Muse für jeden Autor und Literaturbegeisterten. Ich persönlich sog die Ideen meiner früheren Geschichten schließlich auch immer aus den Kulissen einzelner Stadtteile. Deswegen schien es mir vielleicht auch so verwirrend zu sein, dass ich nichts vernünftiges zu Stande brachte.
Plötzlich ertönte ein, von meinem Laptop ausgehendes, Geräusch. Ich erschrak leicht und zuckte deswegen kurz zusammen. Vorsichtig nahm ich ihn wieder auf meinen Schoß und aktualisierte den Posteingang. Eine E-Mail! Heimlich freute ich mich und wünschte mir, dass es ein kleines Lebenszeichen meiner Familie sei. Falsch gedacht. Es war von Unbekannt. Unwissend öffnete ich die Mail und las genau drei Wörter: »Ich kenne dich.«
Ein leichter Schauer fuhr mir über den Rücken, sodass ich den Laptop schnell zu klappte.
Es dauerte eine Weile, bis ich wieder normal denken konnte. Als sich meine Spannung etwas löste, entschloss ich diesem Spinner zurück zuschreiben. Ich öffnete die E-Mail also erneut und drückte auf ›antworten‹. Eine lange Zeit überlegte ich, was ich schreiben konnte und schließlich entschied ich mich für »Wer bist du?«. Ganz einfach, ganz logisch.
Gespannt wartete ich auf eine Antwort, doch es kam keine.
Am nächsten Tag beschloss ich, laufen zu gehen. Davon war ich selber sehr überrascht, da ich ja eigentlich eine totale Niete in Sport war. Ungelogen. Aber das schöne Wetter drängte mich einfach dazu, raus zu gehen und mich zu bewegen und das fand ich auch gut so. Ich lief an der Themse entlang, durch den Central Park und wieder zurück. Das war schon ein ordentliches Stück. Und ich war froh, als ich es hinter mir hatte. Gleichzeitig war ich aber auch enorm stolz auf mich.
Wieder Zuhause, hüpfte ich erstmal unter die Dusche und setzte mich dann, in meinen flauschigen Bademantel eingekuschelt, abermals auf die Couch. Ich schaute ein wenig Fernseher, schaltete aber nur durch, und checkte zwischendurch meine Mails nach einer Antwort von der oder dem Unbekannten. Das war schon merkwürdig alles. Nach einiger Zeit vergaß ich diese Mail aber ganz schnell wieder. Kein Wunder bei den ganzen Sachen, die mich urplötzlich am Nachmittag noch erwarteten. Als erste Aufgabe lag das verschobene Essen mit Marie von gestern auf dem Plan, nur nicht mehr als großes Essen, sondern eher als Kaffee-Kuchen-Klatsch-Gespräch. Sie hatte so viel zu erzählen, so viel lustiges und aufregendes. Daneben kam ich mir total langweilig vor.
Nachdem wir uns dann nach drei Stunden verabschiedet hatten, ging ich ein paar Dinge einkaufen und anschließend erneut in die Bibliothek um noch ein wenig zu lernen.
Wie immer setzte ich mich auf eins der Sofas, las und machte mir dazu Notizen. Irgendwann stand ich auf, um mir noch ein neues Buch zu holen. Ich ging zu einer Regalseite und strich ein paar Bücherrücken mit meinen zierlichen Fingern ab.
In diesem Regal standen so unfassbar viele Bücher, und so viele, die mich interessiert hätten, aber ich konnte mich einfach nicht entscheiden. Alles Klassiker, alle so romantisch und dramatisch. Mindestens zehn Minuten stand ich seufzend vor dem Regal, aber die Entscheidung wurde mir schließlich genommen, als mir überraschend ein Buch direkt in die Arme fiel. Ziemlich dick und schon leicht angegangen an den Seiten, und die Seiten waren schon teilweise sehr vergilbt. ›Das Buch der Unendlichkeit‹ stand auf dem Cover. Interessiert begutachtete ich es und entdeckte letztendlich ein Schloss an der Buchseite, als ich es öffnen wollte. Der Schlüssel war weder auf dem Regal, noch an der Anmeldung zu finden. Die Bibliothekarin erkannte das Buch nicht mal. Schade, dachte ich. Es schien etwas besonderes zu sein.
Als ich es an seinen alten Platz zurückstellen wollte, fand ich diesen allerdings nicht. Stattdessen nahm ich es einfach mit, schnappte meine restlichen Sachen und ging wieder nach Hause. Dort suchte ich erstmal nach einem Dietrich oder etwas ähnlichem womit ich das Buch aufmachen konnte, ohne es kaputt zu machen. Nichts dergleichen war natürlich zu finden. Typisch. Ich versuchte es noch einige Male mit Fingerspitzengefühl aufzubrechen. Ok, das war übertrieben. Aber es funktionierte wirklich nichts. Enttäuscht stellte ich das Buch zur Seite und legte mich schlafen.
Am nächsten Tag erwachte ich früh und ausgeschlafen. Ungewöhnlich für mich, aber das war in letzter Zeit ja alles bei mir. Ich machte mir, wie immer am Wochenende, einen Milchkaffee, sowie Müsli mit Obst.
Als ich dann mein Postfach auf meinem Laptop aktualisierte, sprang mir dort erneut eine E-Mail sofort ins Gesicht. Eine von Unbekannt. Unsicher und mit leicht zittriger Hand öffnete ich sie und las: »Du hast es gefunden, das Buch der Unendlichkeit. Bewahre es gut, bis wir uns kennenlernen.« Ich schluckte schwer und schob den Laptop, wie schon bei der ersten Mail, von mir weg. Wer war dieser Verrückte und was wollte er von mir?
Ein wenig aus der Fassung gebracht, stand ich auf und schnappte mir mein Telefon und wählte die Nummer meines Vertrauens. Dreimal tutete es bis endlich jemand heran ging.
»Hallo?«
Ich holte tief Luft.
»Watson, wir haben ein Problem.«