Kapitel 1: Schweigen der Verletzten

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„Yasha?"

Stille. Gut; dass er nicht „Ich bin hier!" rufen würde, war Marley natürlich klar, aber eifriges Pfotengetrappel oder flauschiges Fell, dass begrüßend seine Waden streichelte, hätten ihm auch gereicht.

Er ließ seinen Blick durch das scheinbar leere Studio schweifen, schnalzte mit der Zunge. „Yasha?", rief er noch einmal, seine Stimme wurde von den fensterlosen Wänden zurückgeworfen. Marley bückte sich und schaute in das Loch im Schlagzeug, in welchem sich Yasha bei seinem ersten Besuch verkrochen hatte. Er lugte auch unter das Mischpult, sah unter den zahlreichen Kissen und Taddls flauschiger Decke nach, aber es war nicht mal ein Schnurrhaar von seinem Kleinen zu sehen. Wobei der „Kleine" mittlerweile erstaunlich groß geworden war.

Seufzend richtete er sich auf, langsam beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Wenn er aus dem Studio entkommen war, könnte er auch schon fröhlich über eine befahrene Straße tingeln, direkt vor den Stoßdämpfer eines Autos und... Nein, Ruhe bewahren, Mary. Panik schieben führt auch zu nichts, also lieber weitersuchen.

Also verließ er das Studio, nicht ohne noch einen letzten, prüfenden Blick hinein zu werfen, zog die Tür hinter sich zu und ging die Treppe hoch, immer auf der Suche nach einem Büschel goldbraunen Fells.

Auf dem Weg nach oben konnte er nichts entdecken und die Tür nach draußen war zu, weshalb er sich jetzt verwirrt am Kopf kratzte. Er selber hatte sie nicht offenstehen lassen, als er kurz was zu trinken kaufen war. Oder...? Bestimmt nicht, nein, er war doch wohl so aufmerksam und hatte sie hinter sich zugezogen. Immerhin gab er immer besonders Acht, wenn er Yasha mit ins Studio nahm. Aber... abgeschlossen hatte er die Tür vom Studio nicht. Er war ja nur kurz eine Straße weiter beim Edeka gewesen, maximal zehn Minuten war er weg gewesen, irgendwie hielt er es da nicht für nötig, abzuschließen.

Unschlüssig, was er sonst tun sollte, drückte er die Klinke ins Freie hinunter und trat raus in die herbstliche Kälte. Leicht fröstelnd stieß er eine kleine Atemwolke aus, die noch eine Weile vor seinem Gesicht verharrte. Er schloss den Reißverschluss seiner roten Lederjacke; irgendwie wärmte ihn die aber auch nur wenig, in diesem Moment wünschte er sich einen warmen Schal oder zumindest ein Pali. Er trug eher ungern Tücher oder generell irgendetwas, was seinen Hals bedeckte, weil es ihn ein bisschen störte, wenn man das Tattoo in seinem Nacken nicht sehen konnte. Immerhin hatte er auch eine beachtliche Summe dafür hingeblättert, dann sollte es auch so oft wie irgend möglich zu sehen sein. Aber dann musste man eben frieren, das war der Nachteil.

„Yasha?", rief er erneut und drehte sich dabei in alle Richtungen. Er hatte keine Ahnung, wo er jetzt als nächstes suchen sollte. Auch wenn er es unterdrücken wollte, er konnte nicht verhindern, dass die Panik immer höher seinen Hals hinaufkroch, darauf bedacht, seinen Atem irgendwann völlig zu ersticken.

Was sollte er jetzt machen? Der verdammte Kater konnte ja überall sein, wenn er überhaupt hier war. Aber dann stellte sich wieder die Frage, wie Yasha überhaupt nach draußen gekommen war.

„Das ergibt doch keinen Sinn...", dachte er laut. Er gehörte eigentlich zu der Sorte Menschen, die immer einen kühlen Kopf bewahrten, immer alles analysierten und dann sachlich beurteilen. Jetzt gerade fühlte er sich aber eher wie das genaue Gegenteil einer 'Ruhe in Person', immerhin ging es auch um sein geliebtes Katerchen.

Es hatte keinen Zweck, so kam er hier nicht weiter. Wo blieb überhaupt Tud? Der wollte eigentlich noch vorbeikommen, zumindest hatte er sich irgendwann im Laufe des Tages angekündigt. Aber für Besuch hatte Marley überhaupt keinen Nerv mehr, weshalb er – auch weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte – erst mal in der Hosentasche nach seinem Handy kramte. Richtig, wenn man verzweifelt war und nicht weiterwusste, immer zuerst aufs Handy gucken, wer hatte sich diesen Schwachsinn eigentlich ausgedacht? Jedenfalls hoffte er einfach, dass ihm das irgendwie helfen würde.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 29, 2015 ⏰

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