Die Katzenfrau

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Es war Halloween. Der Tag hatte den goldenen Oktober in seiner vollen Pracht präsentiert, doch jetzt hatte ihn die Dunkelheit verjagt und ein dicker Nebel waberte durch die Gassen der kleinen Stadt. Die Lichter der Straßenlaternen glänzten auf dem feuchten Asphalt und kämpften gegen die Dichte des Nebels an.

„Niko, hast du deinen Hausschlüssel?", fragte die Mutter. Es war ihr nicht besonders wohl dabei, ihre Sprösslinge bei diesem Wetter auf die Straße zu lassen.

„Ja, Mama. Natürlich habe ich meinen Hausschlüssel", antwortete Niko und deutete mit den Fingern auf seine ausgebeulte Jackentasche.

„Bleibt immer zusammen, ja? Und verlasst die ausgeleuchteten Wege nicht."

„Natürlich nicht, Mama." Die Mutter holte ein Feuerzeug hervor und zündete die Kerzen in den Futterrüben der Kinder an.

„Niko, du als Ältester übernimmst die Verantwortung für die Kleinen, hast du gehört?"

„Ja, doch. Ich passe gut auf die beiden auf." Die Mutter wandte sich an den Jungen und das Mädchen, die beide einen Kopf kleiner als Niko waren.

„Und ihr bleibt schön bei Niko, habt ihr gehört?"

„Ja!", antworteten die beiden im Chor.

„Können wir jetzt endlich los?", quengelte Niko.

„Ja, viel Spaß beim Süßigkeiten sammeln. Und haltet euch von der Katzenfrau fern!" Die Mutter lächelte, doch man sah ihr an, dass sie sich Sorgen machte. Es wird alles gut gehen, sagte sie sich. Niko war jetzt dreizehn Jahre alt, er war groß genug um auf Lena und Daniel aufzupassen.

Die Kinder zogen los, stolz ihre Kürbisse mit leuchtenden Fratzen vor sich haltend. Sie gingen die Einfahrt hinauf und bogen am Gartenzaun links ab. Bald verschwanden ihre Lichter im dicken Nebelsumpf. Die Mutter fröstelte. Alles wird gut gehen, sagte sie sich nochmals und ging ins Haus.

„Wir sind die Rübengeister. Wir haben einen Meister. Der Meister hat befohlen, wir sollen Süßes holen!"

„Ach ihr habt aber hübsche Kürbisse. Habt ihr die selbst gemacht?" Lena nickte zaghaft. „Uli, schau mal! Das musst du sehen! Uli!" Die ältere Dame, die ihre kurzen, grauen Haare in Lockenwickler gewickelt hatte, strahlte über das ganze Gesicht. „Und bring die Schokolade aus der Küche mit!" Ein älterer Herr mit grauem Haarkranz und Schnauzbart kam an die Tür. In der Hand hielt er eine Packung Kinder-Riegel.

„Na, das schau einer an", lachte er, als er die Kürbisse sah. „Wenn das nicht die Kinder von den Schweizers sind." Er drückte Daniel die Kinder-Riegel in die Hand. „Hier, das ist für euch. Aber nicht alle auf einmal essen." Er lachte wieder. Die Kinder bedankten sich und machten sich auf den Weg zum nächsten Haus.

Hier in der Siedlung glich ein Reihenhaus dem nächsten. Die gleichen roten Ziegeldächer, der gleiche gelbliche Putz an den Wänden und die gleichen Rosenbeete vor der Haustür. Im nächsten Haus, so wussten die Kinder, lebte Frau Roswind mit ihren beiden Sprösslingen. Die junge Frau war alleinerziehend und tagsüber, wenn sie arbeiten musste, passte eine Nanny auf Charlotta und Peter auf. Die Kinder kannten die beiden aus der Schule. Sie hatten oft schon miteinander gespielt.

Daniel drückte den Klingelknopf und sie positionierten sich im Halbkreis vor der Haustür. Die Tür ging auf und Peter Roswind schob seinen blonden Schopf heraus.

„Wir sind die Rübengeister. Wir haben einen Meister ..."

„Mama!"

„... der Meister hat befohlen ..."

„Mama, komm!"

„... wir sollen Süßes holen."

Peter starrte die Kinder mit seinen hellblauen Glupschaugen an. „Mama! Da sind Rübengeister!" Endlich kam ihm seine Mutter zur Hilfe.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 31, 2015 ⏰

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