Wie Jubelherz seine Narbe bekam

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"FlussClan! Angriff!" Jubelpfote zuckte zusammen, als Flussstern direkt neben ihm zum Kampf aufrief. Wilde Erregung schoss ihm durch die Pfoten, während er auf die räudigen SchattenClan-Katzen zustürmte, die seit zwei Monden immer wieder die Grenze übertreten hatten. Der cremebraun gestreifte Pelz seiner Mutter Frostbeere bewegte sich neben ihm und immer wieder warf sie ihm aus ihren blauen Augen einen Blick zu. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen. "Du verteidigst unseren Clan, verstanden?", knurrte sie kühl. Bevor Jubelpfote antworten konnte, sprang sie außer Reichweite und stürzte sich mit ausgefahrenen Krallen auf einen grauen Kater. Jubelpfote selbst rannte, etwas tollpatschig mit seinem schlankeren und schmächtigeren Körper, zwischen den muskulösen Kriegern umher und wäre beinahe in eine hellorange-weiße Kätzin hineingestolpert. Einen Herzschlag lang glaubte der FlussClan-Schüler, die nach SchattenClan stinkende Katze würde ihn angreifen und er fuhr erschrocken und mit aufgezwungenem Mut die Krallen aus. Doch sie sah ihn nur aufmerksam an, wich uninteressiert aus und sprang stattdessen Flussstern auf den Rücken, der sie sofort abwarf und die Zwei sich in ein Gefecht verwickelten. Mit gespitzten Ohren sah ihnen der junge Kater kurz zu, behielt die gefleckte Kätzin im Auge. Warum hat sie mich nicht angegriffen? Er war immer noch in diese Frage versunken, als ein Knäuel aus seiner Mutter, Schilffell und einem dunkelbraunen SchattenClan-Krieger ihn von hinten anrempelte und umwarf. Mit schüttelndem Kopf hievte er sich wieder auf die Pfoten und die wütende Stimme von Frostbeere tönte in sein Ohr: "Hör auf, so nutzlos herumzustehen, Jubelpfote! Kämpf endlich!" Der wütende, abwertende Ton machte ihn traurig. Selber wütend. Als seine Mutter aus seinem Sichtfeld verschwunden war, stieß er wieder gegen etwas, diesmal jedoch gegen einen schwarz-weißen Kopf mit großen, grünen Augen. Ohne nachzudenken, das Herz angefüllt mit seltsamer Wut und Trauer, grub Jubelpfote seine weißen Pfoten in die Stirn des älteren Schülers und riss sie herunter, bis rote Striemen in dem zweifarbigen Fell auftauchten. Der Kater kreischte und schlug nach seinem Angreifer. Eine schwarze Pfote schoss vor und Jubelpfote konnte nicht rechtzeitig ausweichen. Krallen zerschnitten sein kariertes Hemd und kratzten oberflächlich über sein Bauchfell, lenkten ihn ab. Der SchattenClan-Kater nutzte diese Gelegenheit und wand sich aus seinem Griff. Eine staubige Hinterpfote trat Jubelpfote in sein orange-weißes Gesicht, dann war die schwarz-weiße Katze wieder in dem Getümmel verschwunden. Mit zurückgezogenen Lefzen wischte er sich über den schmutzigen Pfotenabdruck und fauchte. Er wollte dem Schüler nachjagen, aber schwarzes Fell traf ihn und plötzlich stand Jubelpfote einem anderen Kater gegenüber, einem, der dem SchattenClan-Anführer Finsterstern verblüffend ähnlich sah. Bernsteinfarbene Augen funkelten ihm entgegen. Sein neuer Rivale war ungefähr genauso alt wie er selbst, aber innerlich musste Jubelpfote zugeben, dass ihn das muskulöse, beinahe identische Erscheinungsbild Finstersterns einschüchterte. Ein weißer Fleck leuchtete zwischen dem dunklen Brustfell. Der schwarze Kater machte keine Anstalten ihn anzugreifen, also lief er ein paar Fuchslängen rückwärts, drehte sich schnell um und griff eine kleine, schildpattfarbene Kriegerin an. Er sprang und bekam ihren Rücken zu fassen. Doch nach einem heftigen Ruck glitten seine Krallen aus ihrem Fell und ein harter Aufprall nahm ihm die Luft. "Verschwinde, du mickriger Schüler!" Durch die Benommenheit und das Brennen seiner Kratzer erkannte Jubelpfote, dass er gerade eine erfahrene Kriegerin angegriffen hatte. Mit aggressiv glitzernden Augen wandte sie sich ihm zu und sofort ergriff Jubelpfote die Flucht vor der wütenden Kätzin, die aussah, als würde sie ihn in der Luft zerfetzen wollen. Er rannte, sprang an kämpfenden Kriegern und ängstlichen Schülern vorbei. Viele verschiedene Gerüche mischten sich um ihn herum. Völlig außer Atem erreiche Jubelpfote nach ein paar Herzschlägen nun die Mitte der Lichtung. Der Geruch von Blut schwebte in der Luft, Fellfetzen hingen im Gras. Jetzt fühlte sich der junge FlussClan-Kater nutzlos und blickte mit kribbelndem Fell wild um sich. Überall waren Schreie und Jubelpfote wollte besonders nicht in einem Kampf versagen, wo ihn seine Mutter beobachtete. Dann entdeckte er Flussstern, dessen silberne Gestalt von einem großen Kater niedergedrückt wurde. Ohne zu zögern rannte Jubelpfote los, flog über das helle Gras und krachte immer noch keuchend in den grauen Tigerkater hinein. Mit einem überraschten Aufschrei Seitens des SchattenClan-Kriegers wurden beide zu Boden geschleudert und rollten eine Fuchslänge über die Wiese. Sofort rollte sich Jubelpfote synchron mit dem grauen Tiger wieder auf die Beine, und als sie sich gegenüber standen, wurde ihm bewusst, dass er gar nicht so klein war, wie er gedacht hatte. Tatsächlich war er als älterer Schüler sogar ziemlich groß, fast so groß wie ein ausgewachsener Krieger. Doch den Krieger mit dem grauen Fell und den dunkelblauen Augen schien dies nicht im Geringsten einzuschüchtern. Im Gegenteil: etwas Verächtliches zeigte sich in seinem Gesicht und er sprang fauchend auf ihn zu. "Du armseliger Schüler!" Schon wieder hackt einer darauf herum! Dem ersten Schlag wich Jubelpfote geschickt aus. "Bald bin ich ein Krieger, du Fuchsherz!" Er fühlte, wie seine Krallen Haut zerschnitten und als er die Vorderpfote mit einem mächtigen Sprung nach hinten zurückzog, klebte Blut daran. Weh tun konnte es dem kräftigen Krieger trotzdem kaum. Und doch kreischte dieser wütend auf, duckte sich blitzschnell und rammte Jubelpfote in die Brust. Der junge Kater ging erneut zu Boden und schon war sein SchattenClan-Rivale mit gebleckten Zähnen über ihm. Er drückte ihm die Schultern ins Gras bis es schmerzte, Krallen bohrten sich durch das karierte Hemd in blassorangenes Fell und die gelblichen Zähne kamen dem weißen Brustfell immer näher. Verzweifelt strampelte Jubelpfote mit seinen eingeengten Beinen, stetig bemüht, den Angreifer abzuschütteln. Er öffnete das Maul und schrie wütend, in der Hoffnung, jemand würde ihm zur Hilfe eilen. Nein! Wenn der graue Tiger sein Ziel erreichte, wäre es vorbei mit ihm. Heißer Atem traf seine Wange. Plötzlich rief eine Stimme in ihrer Nähe. "Steinstreif! Wir müssen den Rückzug anordnen!"Gleichzeitig mit diesem Ruf presste der graue Krieger Jubelpfote die Tatze auf den Hals und drückte ihm so fast die Luft ab. Beim Klang des Namens riss er den Kopf herum. Keuchend rang Jubelpfote nach Luft, drehte den Kopf zur Seite und sah einen Kater nur wenige Fuchslängen von ihnen entfernt stehen. Vage erinnerte ihn das durch die abgedrückte Luft verschwommene Aussehen an jemanden. Cremegraubraunes, leicht goldenes, gestreiftes Fell... bernsteinorangene Augen... auffällig heller, fast weißer Streifen von der Nase bis zur Stirn... und dieser buschige Schweif... Natürlich! Es war Löwenstaub, Finstersterns Stellvertreter. Ist dieser Steinstreif wirklich so wichtig? "Lass mich nur noch kurz etwas erledigen!", antwortete Steinstreif in diesen wenigen Sekunden, in denen Jubelpfote nachgedacht hatte, seinem Clan-Gefährten laut knurrend. Zuversichtlich, dass er abgelenkt war, riss Jubelpfote in seiner Chance von Steinstreifs gelockertem Griff die Pfoten hoch, stieß den Krieger von sich und zerkratzte ihm gleichzeitig mit aller Kraft der Hinterbeine den Bauch. Kreischend fiel der SchatttenClan-Krieger auf den Rücken, das graue Bauchfell blutverschmiert. Schnell sprang Jubelpfote auf, holte tief Luft und machte sich trotz seiner zitternden Beine und des schummerigen Nebels in seinem Kopf auf ein erneutes Gefecht gefasst. Fauchend erhob sich Steinstreif wieder, doch bevor er sich wieder auf den FlussClan-Schüler stürzen konnte, riss ihn ein silberner Schatten mit sich. Flussstern! Die hellgrünen Augen des Anführers funkelten und jetzt erkannte Jubelpfote, dass er durch den vorherigen Angriff ein Leben verloren haben musste. Nicht eine einzige Wunde war mehr in seinem Fell zu sehen, aber dann brachte ein geschickter Schlag den mutigen Anführer doch aus dem Gleichgewicht und er stolperte. Sofort riss sich Steinstreif aus Flusssterns Krallen los, rannte auf Jubelpfote zu und schlitterte in einem Halbkreis um ihn herum. Was macht er? "SCHATTENCLAN! RÜCKZUG!" Finstersterns unüberhörbares Brüllen. Auf einmal fixierte der Krieger seinen Kopf und hob die blitzenden Krallen. Im letzten Moment erkannte Jubelpfote den Todeshieb, erhob sich leicht auf die Hinterbeine und warf seinen ganzen Körper zurück. Schwungvoll. Ein kalter Windstoß zauste sein Wangenfell bei der Geschwindigkeit, mit der die große, graue Pfote ihn nur knapp verfehlte. Erleichterung durchströmte sein Fell, welche dann jedoch grob von einem scharfen Schmerz in seinem linken Ohr abgelöst wurde. Ein kaum hörbares, reißendes Geräusch. Zu konzentriert um zu schreien, schlug Jubelpfote zurück. Zielte auf die Vorderbeine. Treffer. Steinstreif rutschten in seiner halb wütenden, halb schadenfrohen Grimasse die Beine unter der Brust weg, er fiel beinahe stolpernd auf die Seite. Kurz bevor Jubelpfote dachte, sein Widersacher würde umkippen und den grasbewachsenen Hügel hinabrollen, hielt sich der Kater, noch immer wackelig, drehte sich ein letztes Mal mit hasserfüllten, dunkelblauen Augen zu dem jungen FlussClan-Kater um und verschwand schließlich in Windeseile hinter Löwenstaub im SchattenClan-Territorium. Jubelpfote sah ihm nach, spürte nun nach dem Kampf all seine Wunden. Die Krallenspuren an Bauch und Schultern und natürlich den bösen, höllisch brennenden, tiefen Schnitt in seinem linken Ohr, von dem das Blut sein geschwungenes Wangenfell verklebte. Ein paar letzte Krieger verzogen sich in die Bäume, darunter eine silbern gestreifte Kätzin mit weißen Vorderpfoten und einem grünen und einem blauen Auge, hinter der ein braun gefleckter, dunkelgrauer Kater mit Bernsteinaugen rannte. Beide hatte Jubelpfote auf seiner ersten großen Versammlung gesehen. Ihr fliehender Anblick war seltsam. Auf einmal immer befriedigender. Jubelpfote legte den Schwanz mit der weißen Spitze um die Pfoten und sah ihnen nach. Vor den Bäumen zögerte die silberne Kätzin plötzlich und drehte sich beinahe sehnsüchtig um. "Lauf, Silberstrom! Sie haben gewonnen!", rief ihr Gefährte sie zur Ordnung. "Ich weiß, Moorfleck!" So verschwanden die Pelze zwischen den Schatten der Bäume. Ein zufriedenes Knurren hinter seinem Rücken ließ Jubelpfote nur wenige Sekunden später aufhorchen. Es war seine Mutter, die ihnen ebenfalls hinterhersah. "Ja, lauft nur, ihr elenden Mäuseherzen!" Mit peitschendem Schwanz und höhnischem Gesicht sah sie ihren Feinden nach, drehte sich dann um und folgte Flusstern, ohne Jubelpfote auch nur ein einziges Mal zu beachten. Interessiert es sie nicht, dass ich verletzt bin?, fragte er sich voller Bitterkeit. Oder dass ich überhaupt da bin? Seufzend versuchte Jubelpfote, die Trauer und Schmerzen zu unterdrücken und ging ebenfalls hinter seinem Anführer zurück ins Lager. Der vertraute Geruch nach Schilf und Flutwasser kehrte zurück und beruhigte ihn. Das Rauschen von Wasser drang wie gewohnt in seine Ohren. Kurz vor dem Lagereingang drehte sich Flusstern um, ließ seinen Clan an beiden Seiten um sich herum ins Lager strömen. "Du hast heute gut gekämpft, Jubelpfote. Ich bin sehr stolz auf dich", lobte er den überraschten Schüler mit einem warmen, hellen Smaragdblick. Das plötzliche Lob machte Jubelpfote etwas verlegen, doch trotz seines schmutzigen Fells und den mit Blut verkrusteten Wunden hob er stolz das Kinn. "Danke, Flussstern." Sein Anführer schnippte ihm mit dem langen, federartigen Schweif gegen das heile Ohr. "Du solltest dein Ohr untersuchen lassen", riet er ihm, leichte Besorgnis machte sich in seiner Stimme breit. "Das sieht böse aus." "Mach' ich gleich." Der große, silberne Kater nickte ihm noch einmal zu und verschwand dann im Eingang. Jubelpfote blieb stehen. Er sah das Gesicht seiner Mutter, die begeistert mit einer anderen Kätzin über die SchattenClan-Krieger lästerte, ihr weißes Fell im Gesicht war blutverschmiert. Wenn auch nur einer dieser triumphierenden Blicke ihm gegolten hätte... Der FlussClan hatte gewonnen. Eigentlich müsste sich Jubelpfote so wild freuen wie die anderen, aber dem war nicht so. Es fehlte ihm jemand. Jemand, der ihn mütterlich lobte. Jemand, der ihn liebte. Der orange-weiße Kater strich langsam mit einer schmutzigen Pfote über einen Riss in seinem Hemd. Werde ich eine Gefährtin haben? Es fehlte ihm jemand. Jemand geliebtes, mit dem er diesen Sieg teilen konnte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 12, 2017 ⏰

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