"Annabelle, da liegt ein Brief für dich auf dem Küchentisch!", die Stimme meiner Mutter bekommt immer einen schrillen Klang, wenn sie irgendetwas Französisches durchs ganze Haus ruft. Natürlich bekommt jede Stimme einen anderen Klang, wenn sie in einen rufenden Modus gerät, aber bei meiner Mutter ist dieser schrille Unterton ausgesprochen ausgeprägt. Vielleicht liegt das auch am Französisch, das seit mehreren Monaten in unserer Familie die Oberhand gewonnen hat. Wir sind vor genau 56 Tagen nach Genf gezogen, weil mein Vater hier das alte Familienunternehmen übernommen hat. Grossvater wurde ziemlich schnell und unerwartet krank und war nicht mehr in der Lage die feinen Arbeiten eines Goldschmiedes und Uhrmachers weiterzuführen. Also kündigte mein Vater den gut bezahlten Job in Luzern, in einer angesehenen Uhrenfirma und zog mit der ganzen Familie zurück, in seine Heimat. Mein Bruder und ich wurden immer zweisprachig aufgezogen, aber meine Mutter hatte sich nie wirklich mit Französisch anfreunden können. Seitdem wir jedoch hier sind, weigert sie sich auch nur einen Satz Deutsch mit uns zu sprechen. Sie meint, sie müsse erst Französisch verinnerlichen, bevor sie sich die Bequemlichkeit fürs Deutschsprechen wieder aneignet. Wenn man mich fragen würde, würde ich sagen, dass meine Mutter einen Schuss hat. Aber man fragt mich ja nicht. Im Übrigen wäre es mir lieber, sie würde Deutsch mit mir sprechen. Das wäre dann so ziemlich das Einzige, was mir ein wenig von meiner Heimat zurückbringen würde. Natürlich ist Luzern nicht weit entfernt, doch ich vermisse es schrecklich. Ich habe mein ganzes Leben irgendwie zurückgelassen. Meine Freunde, meine Schule, sogar mein Haustier. Ja, Madame Le Chat, wie ich meine Katze kreativerweise getauft habe, musste in Luzern bleiben. Gütigerweise gab ihr unsere alte Nachbarin, Fräulein Liesel, ein neues zu Hause. Liesel ist eine in die Jahre gekommene alte Dame, die darauf besteht, Fräulein genannt zu werden. Sie war nie verheiratet und besteht darauf, dass man das auch ihrer Anrede entnimmt. Natürlich versicherte sie mir, dass ich meine Katze jederzeit besuchen könne, aber den Teufel wird' ich tun. Es war schon schwer genug einmal von meinem Liebling Abschied zu nehmen, da muss ich das Ganze nicht noch ein zweites Mal durchmachen.
"Belle! Hast du gehört? Du hast Post bekommen!", ertönt erneut die Stimme meiner Mutter. Also wirklich, was ist denn daran so wichtig? Soll ich Luftsprünge machen und wie ein Wirbelwind in die Küche stürmen, dann einen Freudentanz aufführen und schlussendlich diesen ausgesprochen unwichtigen Brief in freudiger Erwartung öffnen? Ich meine, ich habe Post bekommen- nicht irgendeinen wichtigen Preis gewonnen. Ich bekomme andauernd Post. Seit ich weg bin schickt mir meine beste Freundin regelmässig Briefe und Postkarten. Aber meine Mutter klang gerade ziemlich aufgeregt. Ich gehe ja davon aus, dass es meine Handyrechnung ist. Denn die wird diesen Monat wohl ziemlich hoch ausgefallen sein. Vielleicht klingt meine Mutter deshalb so schrill.
"Annabelle!", die Stimme meines Vaters ertönt ungeduldig von unten her. Also langsam wird's mir hier echt zu blöd. Ich klappe das Buch zu, indem ich schon seit einigen Minuten, dank meinen Gedankengänge, nicht gelesen habe zu, und quäle mich mühselig aus meinem Bett.Als ich die Küche betrete, sind Grossmutter, Grossvater, Mama und Papa um den Tisch versammelt. Alle schauen mich mit diesem merkwürdigen Gesicht an. Sie sehen nicht besonders fröhlich aus, aber auch nicht totunglücklich oder so. Sie schauen ein wenig bitter aus der Wäsche und es macht den Anschein, als seien sie gerade dabei, irgendein wichtiges Spiel zu verlieren. Mein Grossvater und mein Vater sind grosse Fussballfans. Leider verliert der FC Luzern, ihre Lieblingsmannschaft, in letzter Zeit zu oft. Daher sind mir diese Gesichtsausdrücke gar nicht so fremd.
Auf dem Tisch liegt ein grosser Umschlag, aus elfenbeinfarbenem Pergament. Er liegt verkehrt auf dem Tisch, so dass ich erkenne, dass der Brief mit blauem Siegelwachs verschlossen ist. Meine Mutter schiebt den Brief in meine Richtung und ich gehe rüber zum Tisch und setze mich meiner Familie gegenüber. Merkwürdig das Ganze. Ich habe ein komisches Kribbeln im Bauch, als ich den Umschlag entgegennehme. Als ich ihn umdrehe ist da nur mein Name und meine Adresse in einer feinsäuberlich eleganten Schönschrift zu erkennen. Keine Briefmarke oder dergleichen. Ich drehe den Brief nochmals um und betrachte das Siegel. L'Académie de magie de Beauxbâtons. Heisst so viel wie Beauxbâtons, Akademie für Zauberei. Ich muss es zweimal lesen, um sicher zu sein, dass ich mich nicht verlesen habe. Danach schaue ich fragend zu meiner Familie: "Wisst ihr was das ist?", worauf meine Grossmutter ein herzzerreissendes Schluchzen von sich gibt. Oh Gott, was soll denn das jetzt? Mein Grossvater nimmt beruhigend ihre Hand und streicht ihr über den Rücken. Mein Vater presst die Lippen zusammen. Das ist dann wohl ein ja. Die Stimmung hier im Raum ist beerdigungsähnlich. Was kann in diesem Brief stehen, was meine Familie so aus dem Gleichgewicht bringt? Habe ich etwa eine unheilbare Krankheit oder so? Aber ich fühle mich doch putzmunter!
"Öffne den Brief, dann wirst du sehen", sagt meine Mutter zögerlich. Also breche ich das Siegel und nehme den Pergamentbogen aus dem Umschlag. Ich beginne zu lesen:
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The girl with red curls (HP-FF)
FantasyDies ist die Geschichte einer jungen Hexe die versucht ihren Platz zwischen der Zaubererwelt und derer der Muggel zu finden. Sie ist eine der Vergessenen. Erst sechs Jahre nach dem Krieg, als sie schon 17 Jahre alt ist, wird ihr gesagt, dass sie ei...