Ich frage mich, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Tage lang, habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen. Wann immer sich die Gelegenheit bot, versuchte ich so viel wie möglich aus meinem Vater und meinen Grosseltern herauszubekommen. Sie hatten zwar nur kleine Einblicke in die magische Welt erhascht, aber was sie mitbekommen haben, klingt irgendwie ganz okay. Sie haben versucht unparteiisch meine Fragen zu beantworten. Die Betonung liegt auf "versucht". Es ist ihnen eigentlich nicht wirklich gelungen.
Jedenfalls hat mir mein Grossvater Zauberergeld gezeigt. Er hatte noch welches von Lilianne übrig. Die Zauberer nennen die Münzen Galeonen und Knuts. Und ich weiss jetzt, wie in meinem Brief das Erwarten einer Eule aufzufassen ist. Unglaublicherweise benutzen die Zauberer Eulen als Brieftauben. Das heisst sie überbringen sämtliche Post. Und das soll wirklich funktionieren. Die Fotos der Zauberer können sich bewegen, Papa hat mir ein Foto von Tante Liliannes Hochzeit gezeigt. Meine Oma hat mir erzählt, dass Hexen wirklich auf Besen fliegen können und sogar eigene Sportarten hätten. Und meine Mutter erzählte mir mehr über diesen Krieg, von dem meine Tante gesprochen hat. Es ist wohl wirklich besser, dass ich nicht mit elf einberufen worden bin. Muggelstämmige wurden zu dieser Zeit verfolgt und eliminiert, wie meine Mutter mir schliesslich berichtete. Dies sind natürlich alles nur Bruchstücke aus einer Welt, die ich noch nicht mal annähernd verstehe, jedoch haben sie mir gezeigt, dass ich mehr über das Ganze erfahren möchte. Ich habe mich dazu entschlossen, eine Hexe zu werden. Ich gab mir jedoch in dieser Nacht, als meine Entscheidung fiel, ein Versprechen: Meine Familie soll nie, ich wiederhole niemals, unter dieser Entscheidung leiden. Ich habe ihnen gesagt, dass ich mich nicht nur für die Zauberei entschieden habe, sondern auch für sie. Und dass ich, komme was wolle, immer ein Mitglied dieser Familie sein werde. Ein intaktes Mitglied, wohlgemerkt.
Jedenfalls glaube ich, dass sich meine Verwandten auf diese Weise besser mit meiner Entscheidung arrangieren können.
Jetzt stehe ich gerade mit meiner Tante vor unserem Kamin in der Küche, sie hat ein Schälchen mit Mehlartigem Pulver in der Hand.
"Also, Liebes, wir gehen heute in die Winkelgasse zum Einkaufen. Natürlich wäre die Französische Hauptstadt der magischen Gesellschaft näher als das entfernte London, doch ich finde, dass man in der Winkelgasse einfach mehr für seine Galeonen bekommt", plappert sie vorfreudig vor sich hin. Ich verstehe irgendwie nur Bahnhof, aber das ist ja jetzt nicht wichtig. Ich gehe einfach davon aus, dass meine Tante schon weiss, wovon sie spricht.
"Hör mir zu, du musst wirklich sehr deutlich sprechen und es genauso anstellen, wie ich es dir jetzt erkläre: Du trittst in den Kamin, stellst dich aufrecht hin und nimmst eine Hand voll Flohpulver", sie deutet auf das Mehl in der Schüssel in ihrer Hand, "und dann schliesst du die Augen, damit du keinen Staub in die Augen bekommst. Du musst laut und deutlich "Winkelgasse" sagen und dann das Flohpulver auf den Kaminboden streuen. Und wenn du angekommen bist, trittst du sofort aus dem Kamin und wartest auf mich. Alles klar?"Ich nicke, hänge aber noch an: "ich werde aber nicht in Flammen aufgehen oder so? Also kein Feuer fangen und elendig verbrennen?", irgendwie habe ich eine Heidenangst vor diesen grünen Flammen.
"Ach Liebes", kichert Tante Lilianne amüsiert, was ich nicht wirklich nachvollziehen kann, "natürlich wirst du in Flammen aufgehen, aber es sind magische Flammen. Du wirst also gar nichts spüren. Höchstens ein kleines Kribbeln im Bauch. Und jetzt Abmarsch", sie schiebt mich in den Kamin und hält mir die Mehldose auffordernd hin, "wir haben schliesslich viel zu besorgen!"
Ich nehme eine Hand voll Flohpulver und richte mich im Kamin auf. Ich sehe gerade noch, wie mein Vater den Raum betritt, bevor ich laut und deutlich "Winkelgasse" sage, und von grünen Flammen umschlungen werde.
So schnell die Flammen gekommen sind, so schnell sind sie auch wieder verschwunden. Das Kribbeln, wie meine Tante so schön untertrieben hatte, fühlt sich eher wie ein unelastischen Ausdehnen und Ziehen in meinem Magen an. Als ich die Augen öffne, blicke ich in eine belebte Gasse, voller Menschen, mit Spitzhüten und Umhängen in allen Farben und Formen. Ich bin einen Moment wie gebannt von diesem neuen Eindruck. All die Menschen schwirren die lange Gasse entlang, die auf beiden Seiten von alten Häusern mit riesigen Schaufenstern gesäumt ist. Ein paar Menschen tragen Tierkäfige mit sich herum, andere Besen und Kessel. Eine etwas älter wirkende Dame lässt ihre Einkäufe vor sich her schweben. Oh ja wirklich, sie schweben vor ihr durch die Menschenmenge, als könnten die Dinge denken und wüssten genau, wo sie hinfliegen müssten. Verrückt. Mein Magen hat sich unterdessen wieder beruhigt, und gerade, als mir einfällt, dass ich ja den Kamin schnellstmöglich verlassen sollte, erscheint um mich herum erneut ein grelles, grünes Licht. Ehe ich es mir versehe, werde ich von jemandem, der gerade an meinem Platz erschienen ist, aus dem Kamin geschupst und Lande auf allen Vieren auf dem Pflastersteinboden. Der Zauberer, welcher mich unsanft von meinem Platz katapultiert hat, flucht leise vor sich hin und tritt aus dem Kamin, um mir auf zu helfen. Er ist ungefähr Mitte fünfzig, etwas rundlich und mit einem ziemlich markanten Doppelkinn. Er sagt etwas von wegen "Bei Merlins Bart, wie konnte denn das passieren? Entschuldigen Sie, junge Dame, ich wollte Sie nicht so barsch verdrängen". Gerade, als er mir seine Hand zum Aufstehen reicht und ich ebenfalls eine Entschuldigung murmle und mühsam aufstehe, kommt meine Tante angerauscht. "Himmel, Annabelle, alles in Ordnung bei dir? Ich habe doch gesagt, du musst schnellstmöglich raus aus dem Kamin.", ihre Aufmerksamkeit wird auf den doppelbekinnten Zauberer gelenkt und sie sagt erfreut: "Oh, guten Tag Rumenius! Wie schön, Sie wieder einmal zu sehen. Sie müssen meine Nichte entschuldigen, sie gehört zu den Vergessenen.", Rumenius nickt verstehend und wünscht uns beiden noch einen schönen Tag, bevor er watschelnden Ganges davongeht. Zu den Vergessenen? Ich bin also eine Vergessene? Eine vergessene Hexe? Klingt irgendwie traurig.
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The girl with red curls (HP-FF)
FantasyDies ist die Geschichte einer jungen Hexe die versucht ihren Platz zwischen der Zaubererwelt und derer der Muggel zu finden. Sie ist eine der Vergessenen. Erst sechs Jahre nach dem Krieg, als sie schon 17 Jahre alt ist, wird ihr gesagt, dass sie ei...