Streicher und Silbernase

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Arro ritt schnell, übernatürlich schnell. Wir mussten Geijik vor Sonnenaufgang erreichen, wenn wir die beiden Waldläufer noch dort antreffen wollten.
Ich hatte zwar nicht ganz begriffen was Arro von diesen Rumtreibern wollte, aber wenn der letzte Vollmond des Winters vorbei war würden sie wieder in den Tiefen der Wälder verschwinden, wo wir sie niemals aufspüren könnten.
Aber noch lebten die beiden hoffentlich wie gewöhnlich in einem der vielen Gasthäuser an der Waldgrenze, um der Kälte des Winters zu entgehen.
Arro trieb sein Pferd immer weiter an. Glaub mir ich frage mich bis heute woher ein natürliches Pferd sie Ausdauer hatte, hunderte Meilen am Stück ohne Pause zu galoppieren. Selbst für meine Verhältnisse war das sehr schnell.
Aber letztendlich erfüllte es seinen Zweck. Als wir in Geijik ankamen stand der kalte Wintermond noch hoch am Himmel.
Arro gab mir das Zeichen anzuhalten, dann stieg er von Pferd und gemeinsam gingen wir durch die schmalen Gassen des Dorfes.
Er schien im Gegensatz zu mir zu wissen, wo wir diese beiden Waldläufer finden würden.
Er ging zielstrebig auf ein etwas abseits liegendes Haus zu, dessen Fenster mit Öltüchern verhängt waren.
Es stand nahe am Waldrand, optimal für solche Gestalten, die Wert darauf legten, immer schnell und unauffällig verschwinden zu können.
Arro stieß die Tür auf und bückte sich, um das Haus betreten zu können.
Alter Trick zwielichter Gesellen.
Man erhöht die Türschwelle mit einem Holzbalken, dadurch müssen sich unerwünschte Besucher bücken um das Haus zu betreten, stoßen sich den Kopf oder stolpern. Ich folgte Arro. Der Raum den wir betraten war spärlich möbliert, es gab eine Theke, hinter der ein unrasierter Mann schlief und eine Treppe, die in die obere Etage führte.
Der Wirt erwachte schaufend. "Wer hat euch denn den Eintritt gewährt, he? Macht das ihr verschwindet." raunzte er Arro an. Dieser wollte gerade zu einer Antwort ansetzten, als von der Treppe eine Stimme kam. "Schon gut, Kürbiskopf. Das ist mein Besuch." Auch wenn die Stimme müde und rau klang, war es eindeutig nicht die Stimme eines gewöhnlichen Rumtreibers. Sie war feiner, klangvoller. Ich schaute überrascht nach oben. Auf der Treppe stand ein junger Mann mit tief ins Gesicht hängenden Kapuze. Er war schlank, aber er hatte breite Schultern. ~Attentäter~ schoss es mir durch den Kopf. Eine zweite Stimme rief: "Wer 's das, Silbernase?" Ohne den Kopf zu bewegen antwortete Silbernase: "Ein alter Bekannter. Er möchte mit uns reden. Komm runter. " Eine Sekunde später tauchte ein zweiter Mann auf der Treppe auf, kleiner als der Erste, aber mindestens ebenso muskulös. Langsam kamen sie die Treppe hinunter, Silbernase wies uns zu dem Tisch in der Ecke. Arro setzte sich, ich folgte seinem Beispiel. Silbernase zündete die drei Kerzen auf dem Tisch an und jetzt sah ich, woher dieser Name kam. Der obere Teil seines Gesichts einschließlich der Nase war von einer Silbermaske verdeckt. Arro lachte leise. "Du nennst dich jetzt also Silbernase? Passend zu dem Ding in deinem Gesicht. Gut." Silbernase stützte die Ellenbogen auf den Tisch. "Bist du gekommen, um mich auszulachen?" Arro schüttelte den Kopf. Dann sah er Silbernase direkt an. "Nimm das Ding ab. Ich rede nicht mit einem Rumtreiber." Der Angesprochene schwieg. Arro lehnte sich mit einem Seufzer zurück. Silbernase beugte sich vor. "Wer ist das?" fragte er und nickte in meine Richtung. Arro sagte ruhig: "Ein Freund." Noch einmal sah Silbernase zu Arro, machte eine unwillige Kopfbewegung, dann zog er sich die Maske vom Gesicht. Doch seine Kapuze hing ihm immernoch zu tief im Gesicht, als dass ich es hätte erkennen können. Seine linke Gesichtshälfte wandte er vom Licht ab. "Du versteckt sie also immernoch." Arro lächelte. Der junge Mann murmelte: "Ich habe die Vergangenheit hinter mir gelassen." Arro sah ihn gelangweilt an. Silbernase stöhnte, zog sich dann die Kapuze vom Kopf und wandte sein Gesicht vollständig dem flackernden Licht der Kerze zu. Sein Gesicht war hell und ebenmäßig, wie geschmolzener Mamor. Er hatte blonde, schulterlange Haare. ~ein Elb~ Schoss es mir durch den Kopf, ~er ist ein Elb~ Daher die merkwürdige Stimme.
Er versuchte es zu verstecken.
Dann sah ich die langen silbernen Narben auf seiner linken Wange.
Ich starrte ihn an. Zwei lange Narben auf der linken Wange eines Elben, dessen silbergraue Augen und blonden Haare von seiner königlichen Herkunft zeugten.
"Ihr müsst Lugh sein, der verschollene Sohn des Elbenkönigs von Ithrurien!" rief ich überrascht. Der junge Elb drehte sich ruckartig zu mir, seine Augen blitzten. "Früher vielleicht, aber jetzt ist mein Name Lirco. Wagt es nicht mich jemals anders anzusprechen!" zischte er. Ich nickte einigermaßen erschrocken. Arro warf mir einen strafenden Blick zu. Jetzt meldete sich der andere Mann zu Wort. Er war noch jung, nicht älter als 25 Jahre. "Was wollte ihr?" fragte er ungeduldig.
Arro beugte sich Vor: "Ihr seid wachsamen Männer.
Ihr müsst bemerkt haben, dass die Macht der Schatten zu wachsen beginnt. Der Rat von Ladon hat entschieden, die Hüter erneut zusammen zu rufen."
Der Mann antwortete unwirsch: "Und warum kommt ihr damit zu uns? Wir sind keine Hüter." "Nein, zumindest noch nicht. Ich bin der letzte der alten Generation, der Wahrer. Ich brauche neue Gefährten." Silbernase, oder wie er genannt werden wollte, Lirco, lehnte sich zurück. "Und ihr haltet uns für die Richtigen?" Arro antwortete ernst:"Ja, das tue ich. Und das weißt du." Lirco legte die Arme auf den Tisch und funkelte Arro an. "Das Problem ist, eure Probleme interessieren mich wenig. Zwar spüre ich, dass etwas vor sich geht in den Wäldern. Schatten belasten meinen Geist. Eine wachsende Dunkelheit, ein Böses, das niemals schläft. Aber ich werde sie überleben, so wie ich es immer getan habe. Und der Rest der Welt interessiert mich nicht. Er hat sich auch nie für mich interessiert. So leid es mir tut, ihr verschwendet eure Zeit." Arro antwortete scharf: "Und du verschwendest dein Leben. Du ziehst als Streicher durch die Wälder, du verleugnest deine Herkunft. Zeig deinem Volk, dass du kein launisches Kind mehr bist. Zeig ihnen, dass sie keinen Feigling, sondern einen König verloren haben."
Lirco starrte eine Weile in die Flammen der Kerzen. Dann sagte er ohne aufzublicken: "Was sagst du, Streicher?" Streicher sah zuerst zu Arro, dann zu mir und dann zu Lirco.
Schließlich fixierte er Arro mit seinen Augen: "Ich habe viel von euch gehört, Arro Drachentöter. Und Lirco vertraut euch. Es wäre mir eine Ehre, an eurer Seite zu stehen."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 06, 2016 ⏰

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