Paper Airplanes (Niam OS)

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Nialls P.O.V.:

Mit einem leisen Seufzen fuhr ich aus der kleinen Stadt hinaus. So lange hatte ich an diesem Ort gelebt, aber nun verließ ich ihn. Im Rückspiegel meines kleinen roten Autos beobachtete ich die gemütlichen Fachwerkhäuser, die in der Ferne immer winziger wurden.

Ich hatte diese Stadt, die genau genommen kaum größer war als ein Dorf, wirklich gern gehabt. Sie lag in einem ruhigen Teil des Landes, weit weg von Großstädten und Stress. Sie war fast komplett umringt von bunt blühenden Hügeln, aber auf einer Seite grenzte an sie ein kleiner Wald. Es sah wundervoll aus, aber ich wusste, dass ich nicht bleiben konnte. Ich musste zurück nach Oxford, der Stadt, in der ich studierte. Aber diesmal war es endgültig. Ich würde nicht in den Semesterferien zurückfahren, sondern ab jetzt in einer kleinen Großstadt-Wohnung leben.

Mir war bewusst, dass ich es tun musste, aber trotzdem machte es mich traurig, den Ort, an dem ich gelebt hatte, zu verlassen. Den Ort, an dem ich soviel Spaß hatte, an dem ich so viel kennen gelernt hatte.

Die schönste Stadt der Welt...

Die beste Eiscreme der Welt..

Die beste Kirmes der Welt...

....und die beste Freundschaft der Welt...

Aber alles hatte sich geändert. Ich wünschte mir einfach nur, wieder wie früher zu leben. Als Kind. Damals war die Welt noch so viel besser gewesen. Keine Pflichten und Zwänge, um die ich mich nun als Erwachsener kümmern musste. Keine Zukunftsängste. Genug Fantasie, um sich die schönsten Dinge zu er träumen, so wie es die Erwachsenen nicht konnten. Als Kind war ich noch voller Zuversicht gewesen. Voller Lebensfreude und Vertrauen darauf, dass alles einmal gut wird. Doch dieses Vertrauen war schon lange fort. Es war gegangen, als ich meinen besten Freund verlor. Ich war gerade acht Jahre alt geworden, als die Eltern meines zwei Jahre älteren Freundes weg zogen.

Meine Augenlieder flatterten kurz, aber ich konnte es nicht verhindern, als sich die Erinnerungen langsam in meinen Kopf schlichen, und ich sie aufs neue erleben musste. Die Erinnerungen, die ich für immer in mir behalten würde. Mein letzter Tag mit Liam.

,,Nur noch eine Woche...'', hörte ich meinen besten Freund neben mir feststellen. Mein Blick glitt zu ihm hinunter. Ein Stück rechts von mir saß er auf einem der dicken Äste des Kirschbaumes und ließ seine Beine nach unten baumeln. ,,Ich fass es einfach nicht, dass deine Mama und dein Papa mit dir wegziehen wollen.'', sagte ich trübselig. Heute würde er gehen. Ich würde meinen besten Freund, den ich seit dem Sandkasten kannte, vielleicht nie wieder sehen. Und trotzdem verbrachten wir den letzten Tag traurig und still. Aber das wollte ich nicht. Ich wollte, dass wir diese Zeit glücklich in Erinnerung behielten. Noch einmal hob ich meinen Arm, um eine der Sauerkirschen von dem Ast über mir ab zu pflücken. In Gedanken schob ich sie mir in den Mund und kaute darauf herum, bis nur noch der Kern übrig war. Meine Augen huschten zu Liam herüber, der noch immer Gedanken verloren in die Ferne starrte. ,,Bitte, Liam. Sei nicht so traurig. Es ist doch unser letzter Tag. Beweg dich von diesem dummen Ast runter und fang an zu lächeln, ja?'', bat ich ihn mit einem halbherzigen Grinsen. ,,Nein, Niall. Ich bleibe auf diesem dummen Ast. Am besten noch 3 Millionen Tausend Jahre. Oder wenigstens so lange, bis es sich meine Eltern anders überlegen.'', gab er tonlos zurück. ,,Ach komm schon Li-Li.'', bettelte ich, doch er schüttelte nur traurig den Kopf.

Noch immer rollte ich den Kirschkern in meinem Mund herum, dachte darüber nach, wie ich ihn auf andere Gedanken bringen konnte. Ein kleines Grinsen stahl sich auf mein Gesicht, als ich ihm den Kern kurzerhand in den Nacken warf. Liam brummte nur einmal genervt und starrte weiter gerade aus. Mm... Vielleicht brauchte er einfach noch mehr Kirschen?

Mit einem weiteren Griff nach oben nahm ich mir noch eine Hand voll von den runden Früchten. Alle zusammen steckte ich sie in meinen Mund und schluckte das Rote Fruchtfleisch hinunter. Mit einem tiefen Atemzug füllte ich meine Lungen und presste die Luft ruckartig heraus, um 4 große Kirschkerne in seine Richtung zu schießen.

Ich traf Liam wieder direkt im Nacken, wo die braunen Steinchen mit einem kleinen 'Plop' ab prallten. Mit gespielter Wut drehte Liam seinen Kopf dramatisch langsam in meine Richtung. ,,Das kriegst du zurück, kleiner!''. Lachend sprang ich von meinem Platz auf einem der Äste herunter und lief weg. Mit einem 'fiesen' Grinsen auf dem Gesicht verfolgte Liam mich, als ich zwischen den Bäumen unseres Gartens hindurch und direkt zum kleinen Tor an dessen Rand rannte. Dahinter waren nur noch die grünen Hügel unseres Dorfes, auf denen ich versuchte vor Liam zu 'fliehen'. Da Liam größer war als ich, merkte ich schnell, wie er immer näher kam. Immer noch kichernd blickte ich über meine Schulter und sah, dass Liam nur noch ein paar Meter entfernt war. Gerade als ich meinen Kopf wieder nach vorne drehen wollte, stolperte ich und fiel lachend ins Gras. Da er nicht mehr früh genug anhalten konnte, stolperte Liam schon einige Sekunden später über mich drüber und wir rollten beide lachend den Hügel hinunter.

Nach ein paar Metern kamen wir am unteren Ende zum stehen und lagen schließlich schweratmend auf dem Boden. Doch auch, als sich unsere Atmungen beruhigt hatten blieben wir immer noch im Gras liegen, genossen einfach die Gesellschaft des anderen, die wir bald nicht mehr haben würden. Wir lagen nebeneinander und sahen einfach den Wolken über uns beim vorbei schweben zu. Ein einzelnes Flugzeug kreuzte das zur Hälfte bedeckte hellblau, zog einen hellen Streifen hinter sich her. Es streifte durch die Wolken hindurch und wühlte sie auf, sodass die nach großen Wattebäusch-chen aussehenden Nebel sich in alle Richtungen verteilten. Frei flog es am Himmel entlang, so wie ich es auch gerne getan hätte.

,,Weißt du, Liam, irgendwann werde ich auch so ein Flugzeug haben. Und dann flieg ich zu dir und hol dich ab. Wir brauchen keine Erwachsenen, die uns helfen wollen. Wir können das ganz alleine.''

,,Niall. Das ist unrealistisch.'', stellte der ältere fest.

,,Nicht unrealistisch. Nur... nicht leicht zu erreichen.

Aber stell es dir doch mal vor. Wir hätten unser eigenes Flugzeug. Wir könnten die ganze Welt sehen. Wir könnten alles selber entscheiden. Keine dummen Erwachsenen, die für uns entscheiden. Nur du, ich und die Wolken.'', meinte ich glücklich.

Ein Seufzen erklang aus Liams Richtung.

,,... Ich werde das alles hier vermissen, weißt du?''.

,,Ich werde dich auch vermissen.''

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 08, 2013 ⏰

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