Meinen achtzehnten Geburtstag verbrachte ich im Kreise der engsten Freunde. Zu viert schlenderten wir durch das Kaff, in welchem wir wohnten. Angekommen in einer dunkleren Seitengasse, schnappte mich Marie plötzlich und band mir ein Tuch um die Augen. Als ich sie fragte, was das denn sollte, spürte ich die Nähe ihrer vollen Lippen an meinem rechten Ohr. „Lass dich überraschen", flüsterte sie mir mit einer tiefen, erotischen Stimme zu. Ich hasste Überraschungen und das wusste sie. Kennt ihr das unangenehme Gefühl, wenn ihr keine Kontrolle über nichts habt? Es ist beschissen. Marie war eine grauenvolle Blindenführerin, denn ich knallte dutzende Male gegen etwas Hartes. Ihre Schadenfreude konnte sie kaum zurückhalten und so fing sie ständig an zu kichern. Marie hatte ein besonderes Lachen. Sie lachte mit einem besonders hohen, aber zurückhaltenden Ton und obwohl ich sie nicht sehen konnte, wusste ich ganz genau, wie rot ihre Bäckchen dabei wurden. Lange marschierten wir und ich fragte mich, ob sie überhaupt noch wusste, wo sie mich hinführen wollte. Genervt fragte ich sie, wann wir endlich da wären, doch sie antwortete nicht. Sie lies einfach meinen Arm los und blieb still. „Ey, Marie, ich meinte das nicht so. Wo bist du?", fragte ich und fuchtelte mit meinen Armen in der Luft. Weit und breit war niemand. Ich griff mir hinter den Kopf, um die Augenbinde abzunehmen, doch Marie hatte sie zu gut zugeknotet. Also lief ich weiter durch die Gegend, und hoffte nicht gesehen zu werden. Ich tastete mich einer rauen Wand entlang. Mit jedem Schritt überkam mich ein abscheulicher, strenger Geruch und die Wand wurde feucht. Reflexartig führte ich sie zu meiner Nase und musste nicht einmal genau daran riechen, um festzustellen, dass meine Hand voller Urin ist. Ich ließ einen lauten Schrei los und bekam Panik. „Marie, wo zur verdammten Hölle bist du?!", schrie ich durch die Gegend. Ohne ein Ziel lief ich los und spürte warme Strahlen. Das letzte, was ich bemerkte, war ein Aufprall und den Geruch von Blut. Ich spürte nichts. Ein weiteres Mal versuchte ich mir die Augenbinde abzunehmen. Dieses Mal mit all meiner Kraft und es gelang mir. Ein alter Mann lag blutig auf der Straße vor einem Auto. Ich sah Menschen, die panisch aus dem Auto stürmten und sich vor den Mann knieten. Sie fingen an zu weinen und rüttelten den alten Mann, doch er zeigte keinerlei Reaktion. Eine Menschenhorde rannte an mir vorbei. Panische Menschen schubsten und warfen mich zu Boden. Ich blieb liegen und erwachte in einem weichen Bett. Der Raum war weiß. War ich im Himmel? Durch ein Fenster ließen sich die warmen Strahlen der Sonne zeigen. Ein älterer Herr betritt mein Bett und lehnte sich an das Bettende. „Guten Morgen. Wie fühlen Sie sich?", hörte ich seine tiefe Stimme sagen. Ich spürte sein Lächeln und die Erwartung auf eine Antwort in seinen Augen, dennoch blieb ich stumm. „Schwester Angela bringt Ihnen gleich Ihre Medizin und etwa zu essen.", fügte er hinzu und verließ den Raum. Eine geraume Zeit später betrat eine blonde, junge Frau den Raum. Aus dem Tisch, der neben meinem Bett stand, zog sie ein Brett, welches später mein Esstisch sein sollte. Sie schob das Brett inklusive des Tisches zu mir ans Bett und stellte ein graues Tablet darauf. Das Essen schmeckte bitter, dennoch aß ich es. Die Medikamente ließen mich hungrig werden. „Übrigens. Sie haben Besuch, werte Dame.", sagte die Frau und schenkte mir einen wissensbegierigen Blick zu. Plötzlich klopfte es an der Tür und ein junger Mann trat in den Raum.
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Take Me To The Other Side (German)
Mystery / Thriller„Ich hatte nie großes Interesse an einer Liebesbeziehung und sehnte mich auch nicht nach Zuneigung. Viel lieber saß ich auf der grünen Wiese in einem Park, oder spielte Basketball auf einem Sportplatz. Da blieb kein Platz für eine zweite Person. D...