Eine Einladung und eine Absage

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Nachdenklich starrtest du auf die Liste vor dir auf dem Schreibtisch. Sie war bereits recht lang, doch du wurdest das Gefühl nicht los, dass noch etwas fehlte! Schon seit Stunden lag der Zettel vor dir und du überlegtest, was man noch so alles für eine Party benötigte, wie die, die du plantest. Punkt für Punkt gingst du die Liste noch einmal durch. Etwas hattest du vergessen. Nur: was? Dekoration: Check.

Buffet: Check.

Einladungen: Check.

Natürlich! Kleine Geschenke fehlten natürlich, immerhin war es ja ein Weihnachtsball, den du da plantest! Zufrieden griffst du zur Feder und schriebst diesen Punkt dazu. Natürlich hattest du zu den einzelnen Punkten schon Notizen gemacht, überlegt, was du deinen Gästen servieren solltest und natürlich auch, wie du dir die Deko vorstelltest. Es würde einfach fantastisch!

Du konntest deinen Eltern gar nicht genug danken, dass sie dir dies erlaubten. Schon im letzten Jahr hattest du sie gebeten, dich eine Feier ausrichten lassen, doch sie hatten nur gemeint, du wärst zu jung, um etwas derart Großes allein in die Hand zu nehmen. Dieses Jahr hatten sie es sich überlegt und schließlich hatte dein Vater ein Machtwort gesprochen und die Ansicht vertreten, es sei höchste Zeit, dass eine junge Dame wie du endlich lerne, wie man Gäste empfing und solche Treffen plante und vorbereitete, schließlich würdest du später als Ehefrau eines Adeligen auch solche Events vorbereiten müssen.

Nicht, dass du bereits Gedanken an die Ehe verschwendetest, doch diese Feier auszurichten schien dir die Erfüllung all deiner Träume! Noch bevor du mit der Liste der benötigten Dinge und Vorbereitungsideen begonnen hattest, hattest du schon einen Brief an deine liebe Freundin Lizzy geschickt. Sicherlich wäre sie auch ganz aus dem Häuschen!

Und das war sie. Als ihr euch am ersten Adventssonntag traft, begrüßte sie dich mit genau der Begeisterung, die du bei ihr erwartet hattest. „Du hast es wirklich geschafft!", waren ihre ersten Worte, als sie dir um den Hals fiel. Du konntest gar nicht anders als zu strahlen. „Ja, ich konnte es auch kaum glauben, dass sie mir es wirklich endlich erlauben. Immerhin waren sie letztes Jahr noch so vehement entgegen!"

Schnell saßt ihr zwei zusammen im Salon bei heißer Schokolade und plaudertet fröhlich über die Pläne für die Feier. Gemeinsam machte es noch mehr Spaß, die Details zu planen, auch wenn natürlich Angestellte und Läden aus der Stadt sich um das Buffet kümmern müssten, doch es konnte nie schaden, einige Ideen zu haben. Gab es nur noch eines zu erledigen: Die Gästeliste musste geschrieben werden.

Schnell standen die ersten Namen auf dem Papier vor euch und selbstverständlich durfte auch Lizzys Verlobter, der junge Earl Ciel Phantomhive nicht fehlen. Ohnehin wolltest du ihn längst einmal kennen lernen, hattet ihr doch bisher leider nicht das Vergnügen. Lizzy hatte dir schon erzählt, dass der junge Mann nicht so begeistert war von solchen Festlichkeiten und sie lieber mied, wenn es sich einrichten ließ. „Doch zu deinem Weihnachtsball kommt er ganz bestimmt!", freute sich deine Freundin ganz ungeniert. Du brauchtest sie nicht zu fragen, um zu wissen, dass sie sich unbändig darauf freute, mit ihm zu tanzen. Ein Schmunzeln schlich sich auf deine Lippen. Es war wirklich süß zu sehen, wie verliebt sie in ihn war. So war es schon seit du sie kanntest. Jetzt mit 17 Jahren war sie verliebter, denn je und du nahmst dir fest vor, extra für sie den einen oder anderen Mistelzweig mehr aufzuhängen.

Nur zwei Tage später begannst du mit dem Schreiben der Einladungskarten. Sie waren in hellem Cremeweiß gehalten, verziert mit geschwungenen roten und grünen Linien und einem frischen Zweig von einer Fichte daran, die einen intensiven, weihnachtlichen Duft verströmte. Mit geschwungenen Buchstaben beschriftetest du jede Karte höchstpersönlich und brachtest sie sogar selbst zu einem Auftragsboten, der die Karten in den nächsten Tagen zu allen geladenen Gästen bringen sollte.

Die Vorfreude hatte dich voll im Griff. Du konntest es gar nicht abwarten! Es würde einfach wundervoll! Noch vier Wochen bis Weihnachten und am Tag zuvor, dem 23. Dezember, fand dein Weihnachtsball statt, der tatsächlich bald in aller Mund war, immerhin war deine Familie Teil des Adels und hatte überall den Ruf, wundervolle Feste auszurichten. Kein Wunder, dass es dich schon lange in den Fingern juckte, selbst eines zu planen.

Und tatsächlich trafen bald die ersten Zusagen ein. Natürlich wollten alle kommen und sich dieses Event nicht entgehen lassen, der doch versprach der Höhepunkt der Wintersaison zu werden.

Umso überraschter – und enttäuschter – warst du, als dann doch eine Absage erhieltest. Ein helles Kuvert mit einem blauen Siegel. Phantomhive. Ausgerechnet der Earl sagte den Ball ab. Der Brief war förmlich und nichtssagend. Er hatte also keine Lust. Deine Laune sank, doch gleichermaßen warst du nun erst recht entschlossen, den jungen Earl davon zu überzeugen, dass er unbedingt kommen musste! Käme er nicht, wäre Lizzy sicherlich am Boden zerstört.

Entschlossenen Blickes schobst du den Brief wieder in den Umschlag und entschiedst, dass Earl Phantomhive wohl einfach nur ein wenig überzeugt werden müsste und das würdest du höchstpersönlich übernehmen. Ohnehin wolltest du ihn schon eine Weile mal kennen lernen.

Noch an diesem Nachmittag schriebst du einen Brief an den Earl, in dem du dich selbstredend erst einmal vorstelltest und ihn unter dem Vorwand eine Weihnachtsüberraschung für Lizzy besprechen zu wollen, um ein Treffen batest. Das würde er, da warst du dir ganz sicher, nicht ablehnen, immerhin waren er und Lizzy nicht nur Cousins sondern schon lange verlobt!

Die Zusage kam zwei Tage, nachdem du deinen Brief abgeschickt hattest, an. Dieses Mal war der Brief allerdings fast genauso nichtssagend. Du seist herzlich willkommen im Hause Phantomhive und man würde dich freuen, dich in drei Tagen zum Tee begrüßen zu dürfen. Ähnlich langweilig klangen diese Standardeinladungen, mit denen der Adel bei allen möglichen Treffen in mündlicher Form um sich warf. Dich schreckte das aber nicht ab. Vielleicht ahnte der Earl auch einfach schon, dass du ihn dazu bringen wolltest, sich seine Absage zum Weihnachtsball noch einmal zu überlegen.


Unterm Mistelzweig (Ciel/Sebastian x Reader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt