Der Weihnachtsball

2.8K 141 54
                                    


Du wusstest, du hättest schlafen sollen, weil ein langer Abend auf dich wartete, doch du konntest einfach nicht. Dazu warst du viel zu nervös. Morgen Abend schon. Morgen Abend war der Ball. Die Zeit schien wie im Fluge vergangen zu sein und doch krochen die Minuten jetzt nur so dahin, während du auf die Uhr starrtest und darauf wartetest, dass du endlich einschliefst. Noch 17 Stunden bis zum Ball und du konntest es kaum abwarten. Nur noch ein paar (mehr) Stunden und dann käme der große Augenblick. Es war alles vorbereitet und nichts würde schief laufen. Davon warst du fest überzeugt, doch dennoch warst du überaus nervös und konntest gar nicht anders, als darüber nachzugrübeln, was doch noch alles schief gehen könnte. Mit diesen Gedanken schliefst du schließlich auch ein, irgendwann am frühen Morgen, jedoch noch bevor die Sonne aufging.

Die Stunden vor dem Eintreffen der ersten Gäste warst du nur am hin- und hereilen. Nichts sollte dem Zufall überlassen werden. Als Lizzy wie versprochen eine Stunde eher eintraf, war alles vorbereitet und perfekt an Ort und Stelle. Alles außer dir selbst, denn du warst nicht nur völlig übermüdet nach einer beinahe durchwachten Nacht.

Lizzy hingegen sah schon besser aus. Sie hatte sich in den letzten Tagen etwas beruhigt von der aufgelösten Verlobung. Doch noch wusste sie auch nicht, dass es sich Earl Phantomhive noch einmal überlegt hatte und nun doch noch zum Weihnachtsball kommen wollte. Es fiel dir schwer, doch du fandest, es war besser, es ihr vorher zu sagen, als dass sie es erfuhr, wenn er hier eintraf. Sie war wirklich tapfer, das musstest du ihr zugestehen. Sie nickte, schluckte nur schwer, doch weinte nicht. Dennoch brauchte sie einen Moment, um sich zu fangen.

Schnell verstrichen die letzten Minuten, die du einfach nur nervös auf deinem Sofa saßest, Lizzy an deiner Seite, die fröhlich über den neusten Tratsch plauderte, während du deine Teetasse in der Hand drehtest und gar nicht wusstest, womit du deine Hände sonst beschäftigen solltest. Erst, als die ersten Gäste endlich eintrafen, fiel diese Anspannung von dir ab. Das ganze Erdgeschoss war festlich geschmückt, es standen Weihnachtsbäume in jedem Raum und überall flackerten Kerzen und tauchten alles in warmen Schein. Zusammen mit den roten und weißen Christbaumkugeln, den bunten Zuckerstangen, die überall zum Naschen bereit standen, und den grünen Mistelzweigen, die an den Türbögen befestigt waren, gab es ein schönes Bild ab.

Und auch wenn du dir anfangs noch unsicher gewesen warst, ob es nicht doch zu viel war und ob du dich nicht übernommen hattest mit der Planung eines derart großen Events, so wischten die ersten Lobesworte der Gäste diese Gedanken doch beiseite.

Von Earl Phantomhive war allerdings eine ganze Weile lang nichts zu sehen. Erst als schon alle anderen Gäste anwesend waren und du mit den meisten zumindest einen kurzen höflichen Plausch gehalten hattest, traf der Earl ein. Du hättest es beinahe nicht mitbekommen. Eigentlich hattest du gerade das Buffet eröffnen wollen, als dir der Butler, Sebastian ins Auge stach. Seine hochgewachsene Gestalt war es nicht, sondern vielmehr die rotbraunen Augen, die in deine Richtung sahen und dich aufzuspießen schienen, dass dir ein Schauer über den Rücken lief.

Anstatt wie geplant dafür zu sorgen, dass deine Gäste sich dem Essen widmen konnten, entschiedst du, dass das auch noch ein paar Minuten warten konnte und du zuerst den letzten eintreffenden Gast begrüßen konntest.

Ein prüfender Blick verriet dir, dass Lizzy in ein Gespräch mit ihrem Bruder und zwei von dessen Freunden vertieft war. Sicherlich wollte sie dem Earl lieber nicht begegnen, nachdem er einfach so ohne jedwede Erklärung ihre Verlobung gelöst hatte. Allerdings warst du auch nicht sicher, ob du ihm begegnen wolltest. Auch wenn Lizzy dich gebeten hatte, es dem Earl nicht nachzutragen, denn sie hätte ihm verziehen, so warst du dennoch noch wütend auf ihn. Nicht nur, dass er erst einfach ab- und dann doch noch zusagte, er hatte deine beste Freundin auch einfach hängen lassen, sie einfach sitzen lassen. Einfach so. Ohne eine Erklärung. Du konntest kaum ahnen, wie schmerzlich das für sie gewesen sein musste, denn an ihrer Zuneigung zu Earl Phantomhive konnte schließlich kein Zweifel bestehen. Du warst fest entschlossen, den Earl danach zu fragen und ihn zur Rede zu stellen, doch diese Festivität war wohl nicht der rechte Ort dafür. Außerdem wolltest du weder ihm noch dir den Ball mit so einem Thema mies machen. Nein, jetzt war Weihnachten und das galt es zu genießen und zu feiern. Es war schließlich das Fest der Liebe.

Unterm Mistelzweig (Ciel/Sebastian x Reader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt