Kapitel 4

94 11 12
                                    

Als ich  mit Helen an meiner Seite das Klassenzimmer betrat, wurden wir von allen Seiten angestarrt. Helen hatte anscheinend mit der Behauptung, dass ich das Unterhaltungsprogramm Nr. 1 an dieser Schule war, Recht behalten. Der Lehrer räusperte sich vernehmlich. Er wirkte nicht so, als könnte er eine Klasse auch nur für 5 Minuten zum Arbeiten bringen. "So, das ist eure neue Klassenkameradin Lilith. Sie...", weiter kam er nicht, da ein Mädchen etwas für mich unverständliches schrie und alle zu lachen begannen. Der Lehrer wurde rot und tat mir schon fast etwas leid, wenn ich nicht gewusst hätte, dass alle Lehrer ein Ausgeburt der Hölle waren. Der Schulleiter war Luzifer-der Teufel- und seine Angestellten Dämonen, die er ausschickte um Unheil über die Unwissenden Schüler zu bringen. Noch lauteres Gelächter riss mich aus meinen Überlegungen. Anscheinend hatte mich Mr. Ausgeburt der Hölle etwas gefragt während ich anderweitig beschäftigt gewesen war, was ihm nicht grade Pluspunkte bei mir einbrachte. Ich lief leuchten rot an wie eine Verkehrsampel. "Was haben Sie noch mal gesagt? Ich habe grade nicht zugehört", versuchte ich mich aus dieser peinlichen Situation zu manövrieren. "Ich habe gar nichts gesagt, nur einige Leute aus dieser Klasse sind der Meinung , jedes gesprochene Wort kommentieren zu müssen", ich hatte ihn wohl doch falsch eingeschätzt, denn er warf der Klasse einen ziemlich bösen Blick zu, der, wie sollte es auch anders sein, mit einem "Uns fragt ja sonst auch niemand!" frech beantwortet wurde. Ich mochte diese Klasse jetzt schon. Der Unterricht an sich war nicht besonders spannend, die Kommentare der Klasse allerdings um so mehr. Sie glichen denen meiner alten Klasse, waren aber um einiges bösartiger, was mir um ehrlich zu sein ziemlich gut gefiel. Der arme Lehrer jedenfalls, dessen Namen ich immer noch nicht kannte, wurde ganz schön zur Schnecke gemacht. Als es endlich zur Pause klingelte, sah er so wütend und gedemütigt aus, dass ich fürchtete er könnte aus Hass auf  Schüler zum Massenmörder mutieren. Bei diesem Gedanken musste ich laut lachen. Blöd nur, dass ich immer noch mitten im Klassenzimmer saß und mich jetzt alle anstarrten. Schon wieder. Doch dann überwog der Drang noch draußen zu rennen und die Pause zu genießen anscheinend mein seltsames Verhalten und die Klasse stürmte in den Gang hinaus... Helen und ich ließen und Zeit beim Einpacken unserer Materialien und versuchten angestrengt so zu tun als ob wir nicht bemerken würden, dass uns Mr Ausgeburt der Hölle finster anstarrte. Ich konnte seinen stechenden Blick, der sich in meinen Rücken bohrte, förmlich spüren. Als es dem Lehrer schließlich zu blöd wurde auf uns warten, erklärte er uns schnell, dass wir die Tür zumachen sollten wenn wir nach draußen gingen und dass er keine Verantwortung übernehmen würde falls wir von einem anderem Lehrer während der Pause im Klassenzimmer entdeckt und zum Direktor geschickt werden würden. Als er endlich mit seiner ewiglangen Predigt fertig und aus dem Klassenzimmer gestürmt war konnten wir unser Lachen nicht mehr zurückhalten und kicherten haltlos drauf los. "Manchmal frage ich mich echt was im Kopf eines Lehrers vorgeht. Ob die sich überhaupt überlegen was sie sagen und tun?", fragte mich Helen nachdem wir und beruhigt hatten. "Ich habe keine Ahnung wie Lehrer so ticken aber vorstellen könnte ich es mir schon. Das eben ist doch das perfekte Beispiel: Er wartet bis er merkt, dass wir noch etwas länger brauchen. Weil er keine Lust hat noch länger dumm rumzustehen will er gehen, hält uns dann aber eine total lange Rede wegen der er dann doch noch eine Weile dumm rumgestanden ist. Und im Endeffekt ist er doch erst gegangen, als wir ohnehin schon fast fertig waren", erläuterte ich immer noch grinsend. So vergingen die nächsten Schulstunden ohne große Ereignisse...

Der Schwindel brach ganz plötzlich über mich herein. Alle Geräusche wurden leiser und mein Umfeld begann sich in wirbelnden Farben aufzulösen. Ganz leise hörte ich eine Stimme- von der ich vermutete, dass sie Helen gehörte-fragen ob es mir gut ginge, aber ich konnte mich nicht darauf konzentrieren. Mein Kopf fühlte sich als würde er gleich platzen und gerade als ich dachte ohnmächtig zu werden blitze ein Bild vor meinem inneren Auge auf. Ich sah grüne Hügel übersäht mit Butterblumen und in einem kleinen Tal, durch das sich ein plätschernder Fluss seinen Weg bahnte konnte ich viele niedliche Holzhäuschen erkennen. Doch der Schein trügte. Selbst bei genauerem Hinsehen konnte ich keine Menschenseele sehen. Es wirkte fast, als würde seit vielen Jahren keiner mehr hier leben. Ich hatte keine Ahnung wie ich in diesen kurzen Augenblick all diese Informationen in meinem Hirn speichern konnte, doch lange konnte ich darüber nicht nachgrübeln, denn so schnell wie der Schwindel gekommen war verflog er auch wieder und es blieb nur ein komischen Gefühl in meinem Magen zurück. Eben dieses wollte mich augenscheinlich darauf hinweisen, dass ich heute noch nichts außer einem Apfel gegessen und warscheinlich einfach nur Hunger hatte. "Hey, ich habe dich gerade gefragt ob es dir gut geht und du hast nicht geantwortet, also versuche ich es jetzt nochmal: Geht es dir gut?", schrie mir Helen förmlich ins Ohr. "Ersten: Bitte schrei mir nicht nochmal so laut ins Ohr...", bat ich sie. "Okay, aber..." "Und zweitens...",unterbrach ich sie."habe ich glaube ich einfach nur einen riesigen Kohldampf". Auf diese Erklärung hin grinste Helen nur und meinte: "Ja dann los zur Cafeteria, aber Vorsicht. Ich habe dich gewarnt wenn du wegen Lebensmittelvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden musst. Im Übrigen gibt es erst in der nächsten Stadt wieder eines. In diesem Kaff gibt es noch nicht mal einen Arzt." Lachend spazierten wir durch die mittlerweile fast menschenleeren Schulflure. der Weg zur Cafeteria war länger als gedacht. Meine Vermutung war gewesen, dass sie ziemlich zentral im Hauptgebäude liegen würde wie in meiner alten Schule. Ach, was machte ich mir vor, hier gab es ja nur ein Schulgebäude, dachte ich zumindest. Die Wahrheit war leider ganz anders. Tatsächlich war der Schulhof größer als der meiner alten Schule. Sogar viel größer. Man musste also diesen riesigen Hof einmal überqueren bis man an ein kleines, hässliches und unspektakuläres Nebengebäude kam. Das Essen kam genauso rüber: Hässlich und unspektakulär. Doch in Wirklichkeit war es leider nicht nur das sondern außerdem noch schleimig, ekeleregend und um es zusammenzufassen einfach nur wiederlich. Als ich mir den ersten, recht großen Bissen in der Mund steckte, spuckte ich ihn fast instinktiv wieder auf meinen Teller zurück. Was setzten die Leute hier den Schülern denn bitte schön für einen Fraß vor? das alles war noch schlimmer als ich gedacht hatte und nicht mal Helens Andeutung hatte mich darauf vorbereiten können. Helen sah meinen Bemühungen das Essen, wenn man es denn so nennen wollte, herunterzubekommen amüsiert zu. Irgendwann gab ich es auf, erhob mich von meinem Platz und packte mein Tablet um es wieder nach vorne zu bugsieren. Auf dem Wag zum Mülleimer fragte ich mich ernsthaft, ob man erst eine Essenstherapie oder etwas ähnliches über sich ergehen lassen musste um dieses Zeug auf meinem Teller herunterzubekommen, aber meine Aufmerksamkeit wurde unglücklicherweise bevor ich zu einem Ergebnis kommen konnte auf etwas anderes gelenkt. Vor mir in der Schlange zum Mülleimer (Ja, es gab doch tatsächlich eine Schlange vor dem Mülleimer, weil der Großteil der Schüler dieses Glibberzeug wohl auch nicht herunterbekam) stand ein Junge. Ich sah ihn zwar nur von hinten, aber etwas kam mir sofort komisch vor. Als er sich umdrehte stockte mir der Atem. Das erste was mir an ihm auffiel war, dass er übermenschlich gut aussah und mit übermenschlich meine ich auch übermenschlich. Sein Harr war kohlrabenschwarz und seine Haut hatte einen hellen Bronzeton. Sein Körper war, soweit ich das beurteilen konnte, recht muskulös, aber nicht so arg, dass es zu protzig aussah. Doch das Beeindruckenste waren wohl seine Augen. Sie hatten eine grün-blaue Farbe wie der karibische Ozean an sonnigen Tagen und waren auch genauso tiefgründig. Wie gesagt: einfach übermenschlich. Das zweite was mir auffiel waren seine markanten Gesichtszügen, die mir so unmöglich es auch war, unglaublich vertraut vorkamen. Fast als kannte ich ihn schon mein ganzes Leben lang. Seit ich mich erinnern konnte hatten meine Mutter und ich in Stuttgart gewohnt. Es konnte natürlich sein, dass ich ihn schon einmal in der Stadt gesehen und mich Aufgrund seines guten Aussehens an ihn erinnern hatte, aber diese Art von Wiedererkennen war es nicht. Es war... anders...einfach...Ich schüttelte den Kopf. Und das dritte was mir dummerweise als Letztes auffiel war, dass er mich mit seinen stechenden Augen direkt ansah. Verdammt. Ich fühlte mich als nagelte er mich mit diesem Blick an die Wand. "Hi-i", stotterte ich unbeholfen. Ist das dein Ernst, Lillith?, schalt mich mein Unterbewusstsein nicht gerade hilfreich. Der Typ schaute mich genauso seltsam an wie ich mich gerade fühlte. In Gedanken war ich schon wieder ganz wo anders-keine Ahnung was in letzter Zeit mit mir los war- als er sich räusperte. "Ähmm ich weiß ja nicht was du hast und warum du mich so anstarrst", bei dem zweiten Teil musste er grinsen. Arschloch. "Aber du bist dran und ich würde gerne vorbei", beendete er seinen Satz. Tatsächlich war die Schlange weitergegangen und ich stand vor dem Mülleimer. Naja fast. Zwischen mir und dem Mülleimer stand nur noch dieser Typ, der mich jetzt mit einem undefinierbarem Blick musterte. Lillith, mahnte mich mein Unterbewusstsein erneut. Dieser ziemlich gutaussehende Typ möchte an die vorbei und du stehst da wie eine Salzsäule-im Weg. Schnell trat ich einen Schritt zur Seite, wobei ich leider übersah, dass die Schlange ja auch noch weiterging und ich dem nächsten in der Reihe den Inhalt meines Tellers aufs T-Shirt schmierte. "O Gott, das tut mir echt total leid...", begann ich mich schon zu entschuldigen, bis ich in das Gesicht des Unglüchksrabens sah und Helen erkannte. Erleichtert atmete ich die aufgestaut Luft aus. Ich drehte mich zum Mülleimer, wo mittlerweile kein heißer Typ mehr stand und kippte den Rest, der jetzt nicht auf Helens T-Shirt klebte aus. Helen tat es mir nach- so gut hatte es ihr anscheinend auch nicht geschmeckt und sprach mich wieder einmal grinsend an: "Hey, du Glückpilz. Du hast grade Tyler, den heißesten Typen auf dieser Schule kennergelernt und er hat sogar mit dir gesprochen! Weißt du eigentlich wie viele Mädchen sich seit Jahren wünschen, dass sie einmal mit Tyler reden können und du sprichst gleich an deinem erste Schultag mit ihm!" "Egal wie gut er aussieht, hast du gesehen, wie arrogant er war. Kannst du mir mal verraten warum alle heißen Typen so einen scheiß Charakter haben müssen?",regte ich mich auf. Ja, ich weiß, ich übertrieb total, aber irgendwie hatte ich schon Recht. An meiner alten Schule hatte es auch einen super heißen Typen gegeben in den ich seit der Grundschule verschossen gewesen war. Er hatte blonde Haare und schwarze Augen gehabt, sah aber eindeutig nicht so gut aus wie Tyler. Sein Name war Jason gewesen. Einmal hatte ich ihn angesprochen, doch er hatte mich, wie sollte es auch anders sein, vor allen Leuten bloßgestellt, weil wie ich ja schon angedeutet hatte alle heißen Typen einen scheiß Charakter haben, so auch Jason. Seit diesem Ereignis war ich sozusagen allergisch gegen Typen die sich aufgrund ihres guten Aussehens wie sonst was benahmen. "Weißt du was?", fragte ich Helen mit einem gezwungenen Lächeln. "Lass uns dieses Thema beenden und dir ein neues T-Sirt holen. Un weil es meine Schuld ist, dass du jetzt ein neues brauchst, bekommst du mein Ersatz T-Shirt. Ich habe immer eins dabei, weil es mir nicht selten passiert, jemandem mein Essen überzukippen. Ich habe in diesem Gebiet schon Erfahrung." Wir kicherten und machten uns auf den Weg zu meinem Spind.





Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 26, 2016 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Elements-Geister der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt