Kapitel 3

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Am nächsten Morgen wurde ich unsanft von vielen, lauten Stimmen geweckt. Ich richtete mich auf und rieb mir die Augen. Mein Wecker zeigte 7.12 Uhr. Ich stönte. Viel zu früh für mich jetzt schon aufzustehn. Ich legte mich gerade wieder hin, als ich ein leises Schluchzen von draußen wahrnahm. Ohne lange zu überlegen stand ich auf und ging hinaus in den Flur weiter Richtung Küche. Dort war das Schluchzen deutlich zu hören. In einer Ecke sah ich eine Silouette. Es konnte eigentlich nur mein Bruder sein. Ich kniete mich neben ihn auf den Boden, nahm ihn in den Arm und streichelte über seinen Kopf. Er vergrub sein Gesicht in meiner Schulter. Eine Weile sprachen wir beide nichts, bis er sich etwas beruhigt hatte. Schließlich wollte ich endlich wissen, was der Grund seines Weinens war. "Was ist denn los? Warum weinst du?" Er sah mich an und fing schon wieder an zu weinen. Das konnte ja noch eine Weile dauern, bis er mal ein Wort herraus brachte. Ich war gerade in Gedanken, als das Telefon klingelte. Ich zuckte zusammen. Sollte ich jetzt rangehen? Ich hasste es meinen Bruder weinen zu lassen. Aber was, wenn es wichtig war? Vielleicht war es auch meine Mutter. Ich hatte sie heute noch nicht gesehen. Dann ließ ich Finn los und stand auf. "Hallo? Hier ist Tameka." "Gut, dass du es gleich bist. Es ist was passiert!" Ich musste gar nicht erst fragen, wer am anderen Ende war. Ich wusste es. Es war Jake. Ich würde in, allein an seiner Stimme, unter tausenden wieder erkennen. "Was ist passiert?" fragte ich schnell.

"Wo ist dein Bruder?" fragte Jake, ohne mir eine Antwort zu geben.

"Er ist in der Küche und weint. Er bringt kein Wort herraus."

"Hol ihn und komm so schnell wie möglich zum Brunnen!"

"Jake, sag mir endlich was hier los ist!" schrie ich fast.

"Das würde zu lange dauern. Beeil dich!" Ohne, dass ich noch etwas erwiedern konnte, legte er schon auf. Langsam legte ich den Hörer auf die Station. Seine Worte hallten in meinem Kopf wider. "Beeil dich." wiederholte ich leise.

Erst nach ein paar Minuten hatte ich mich wieder gefangen und rannte in die Küche. Finn saß noch immer auf dem Boden und hatte sein Kopf auf seine angewinkelten Beine gelegt.

"Schnell, steh auf. Wir müssen zu Jake!" Er sah mich kurz an, sagte aber nichts und stand dann auf. Ich zog mir noch schnell eine Hose an und schlüpfte in eine Jacke. Finn wartete schon auf mich, als ich noch meine Schuhe anzog. Ich glaub, so schnell war ich noch nie angezogen. Ich schnappte mir die Schlüssel und wir verließen das Haus.

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