Vorgeschichte: Silent Henry

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Hunger...ich habe so Hunger...
Ich rolle mich zusammen.
...Es ist so kalt hier...
Ich schließe die Augen und versuche mir vorzustellen, dass es warm und gemütlich ist, doch ein Schlüssel im Schlüsselloch nimmt mir meine Konzentration. Hart wird die Tür aufgeschlagen. Eine tiefe, raue Stimme brüllt:"Hey! Aufstehen!!!" Da es meiner Gesundheit anders wahrscheinlich nicht gut tun würde, befolge ich den Befehl. "Komm!", meint dieselbe Stimme kurz angebunden. Ich folge dem Mann und lande in einem Raum. Und dort bietet sich mir ein Bild, welches ich mir nie im Leben erträumt hätte, einmal mit eigenen Augen zu sehen: überall lagen und saßen Kinder auf dem kalten, dreckigen Boden. Ältere aber auch solche, die genauso alt oder sogar noch jünger sind als ich. Und alle verdreckt und in Handschellen. Ihre trostlosen Gesichter haben die Hoffnung auf Rettung zwar noch nicht ganz aufgegeben, stehen aber kurz davor. "Wie lang sie wohl schon hier sind?", frage ich mich, während auch mir nun Handschellen angelegt werden. Auch ich hatte es schon aufgegeben, hier vor meinen Kidnappern fliehen zu wollen, aber vielleicht ergibt sich mir ja andernorts eine Gelegenheit. Ich halte also die Augen offen und will mich gerade hinsetzen, da ruft einer der Aufpasser durch den ganzen Raum:"Alle aufstehen! Sofort!!" Ein verwirrtes Tuscheln erfüllt kurz den Raum, welches jedoch direkt wieder verstummt, als alle in die grimmigen Gesichter der Aufseher vor uns gucken. Ich muss schlucken und ein kalter Schauer läuft mir den Rücken herunter. Ihre Augen sind wie Eis. Sie sind schlimmer als die, der Verbrecher in der Zeitung. Sie sehen uns an als wären wir Ungeziefer. Nichts weiter als lästige Insekten, die es gilt loszuwerden. "Wird's bald?!?! Aufstehen hab ich gesagt!!!", schreit er nochmal. Nun stehen alle wie von der Tarantel gebissen auf. Der Kerl wirkt, als würde es ihm Spaß machen zu sehen wie alle nach seiner Pfeife tanzen. Widerlich! Doch gerade als ich zu Ende gedacht hatte, setzt er erneut an:"Ihr werdet jetzt durch diese Tür gehen! Draußen wird euch ein Flugzeug erwarten! Damit fliegt ihr! Am Ziel wird euch wieder jemand abholen! Er wird euch zu eurem neuen Zuhause bringen! Und von da an werdet ihr tun, was euch gesagt wird, kapiert?! Dann geht!!" Wir alle wissen, dass rebellieren nichts bringen würde, also gehen wir ins freie und danach ins Flugzeug. Doch der Flug dauert so lange...und ich hab so Hunger...aber ich bin anscheinend nicht der Einzige, denn nach einigen Minuten hört man, wie ein paar ungefähr 16-Jährige versuchen einen der Aufseher zu überreden, uns etwas zu essen zu geben. Doch natürlich geht es schief. Er schlägt die Typen und sagt ihnen, dass sie froh sein können, dass er ihnen ihr Leben lässt. Ab da halte ich mich zurück mit meinen Gedanken. Wenn es 9-Jahr ältere nicht schaffen, schaff ich's erst recht nicht...
Der Flug schien ewig zu dauern und als wir ankamen wurde es nicht besser. Der Mann, der uns abholte, übergab uns an wieder andere Muskelpakete. Wieder bekam ich nichts zu essen, nur dass mir diesmal auch das Reden verboten wurde.
Er brachte mich zu einem großen Anwesen. Als wir ausstiegen und er eine Sekunde nicht hinsah, nutzte ich meine Chance und rannte weg. Ich kam nicht weit, doch biss ich um mich und richtete bei meinen Angreifern so einigen Schaden an. Der Geschmack von Blut breitete sich in meinem Mund aus...es war ekelhaft. Sie mussten mehrere Male auf mich einschlagen, um mich ruhig zu bekommen. Danach schleiften sie mich auf ein Zimmer und schlossen mich ein.
Ein paar Tage ließen sie mich darin hungern. Und gerade als ich dachte, sie würden mich verhungern lassen, wurde die Tür aufgemacht. Jemand in einem weißen, jedoch blutverschmierten, Kittel kam einen Stein in der Hand haltend herein. Was danach geschah, werde ich meinen Lebtag nicht vergessen: er band mich fest und schliff die Ecken meiner Zähne ab, sodass sie spitz zuliefen. Es tat weh. Es tat so unglaublich weh! Jeder Atemzug schmerzte und mit jedem Zahn würde es schlimmer. Beim letzten glaubte ich zu sterben. Immer wenn die Kälte Luft die Zähne berührte, fühlte es sich so an als würden mir tausend Nadeln in mein Zahnfleisch gerammt werden. Schließlich, als sie fertig waren, gaben sie mir essen. Es war sogar eine warme Suppe. Hastig nahm ich ein Löffel in den Mund. Es brannte  und ich musste mich unglaublich beherrschen es nicht direkt wieder auszuspucken. Auch, wenn es brannte, wie die Hölle aß ich alles, bis auf den letzten Tropfen, hatte danach jedoch noch immer Hunger. Die Aufseher klebten mir ein rotes X aus Pflastern auf meinen Mund und wiesen mich an von nun an nichts mehr zu sagen. Und das tat ich. Nie wieder würde ich mich dagegen lehnen, was ein Aufseher sagte, nahm ich mir vor. Nie wieder wollte ich etwas wie das erleben. Von da an sollte ich Showkämpfe, zur Belustigung der Reichen machen. Ich kämpfte immer wieder gegen die anderen Sklaven. Und ich wurde bejubelt. Sie klatschten und riefen meinen Namen. Sie nannten mich "Shikkui". Was das heißt, weiß ich selber nicht, aber es spielt auch keine Rolle. Es ist ja nur ein Name. Essen bekam ich nur einmal im Monat und daran hat sich auch jetzt, nach acht Jahren nichts geändert. Doch heute haben wir schon den 5. Tag des neuen Monats und eigentlich sollte ich schon vor Tagen etwas zu Essen bekommen, doch ich bekomme nichts. Ich hab so Hunger...doch fragen kann ich natürlich niemanden...Hunger...so großen Hunger...der Beifall ertönt. Wie immer habe ich in einem Kampf gesiegt. Die Kämpfer hier können mir schon lange nichts mehr. Ich trete auf den Flur. Da ich schon seit Jahren nicht mehr versucht habe auszubrechen, vertraut man mir soweit, dass ich selbstständig auf mein Zimmer gehen darf. Doch auf dem Weg in mein Zimmer höre ich ein Schluchzen. Erst zögere ich eine Sekunde, doch dann gehe ich den Geräuschen nach. Hunger. Ein Aufseher steht in einem dunklen Raum und weint leise. Sowas ist nichts ungewöhnliches. Viele kommen mit ihrer Arbeit hier nicht klar und leiden deswegen unter Depression. Ich kann ihm eh nicht helfen, also drehe ich mich um und will gerade gehen, da erkenne ich zwischen den Schluchzern Wörter. Ich höre genau hin und erkenne einen Satz:"Bitte...töte mich..." Hunger. Schlagartig schießt mir das Versprechen von damals durch den Kopf. Ich wollte mich nie mehr gegen etwas lehnen, was ein Aufseher mir sagte. Also beschließe ich auch diesmal zu tun, was mir gesagt wurde. Ich gehe in den Raum hinein. Da der Mann so sehr mit sich selbst beschäftigt ist, bemerkt er mich gar nicht. Ich stelle mich genau vor ihn. Blicke auf ihn, wie er da am Boden kauert. Langsam beuge ich mich zu ihm herunter und entferne das X. Meine Haare streifen über seine Schulter. Hunger. Hunger. Hunger. Hunger. Hunger. Als meine Hand sein Gesicht berührt, bemerkt er mich, doch da ist es schon zu spät. Ich schlage meine Spitzen Zähne in sein Fleisch. Da ich ein großes Stück heraus reiße, ist er wenig später auch schon tot. Ich schmecke wieder Blut in meinem Mund...doch diesmal ist es nicht schlimm...Hunger! Hunger! Hunger! Hunger!!! Das Verlangen wird zu groß, sodass ich das Fleisch aufesse. Und es schmeckt gut. Ich fange an zu weinen. So etwas gutes hab ich seit Jahren nicht mehr gegessen...Als die restlichen Wachen bemerken, was vor sich geht, war ich verschwunden und zum ersten mal seit Acht Jahren wieder satt...
Und nun...will ich noch mehr von diesem...leckeren...Fleisssssssssch...

P.s.: "Shikkui" bedeutet einfach nur Pflaster...^^;

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