Teil I: Ungewollt schwanger

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1. Du bist schwanger, Schatz!

Einen gewissen lokalen Bekanntheitsgrad erreichte ich, als ich den begehrtesten Jungen der Rixe-Oberschule für mich gewann. Auf den Tag genau zwölf Wochen lang gingen wir an jedem Sonnabend miteinander aus, dann machte er Schluss.

Steigt man an der S-Bahnstation Köllnische Heide aus und geht über den Bahnsteig zum Ausgang, so sieht man kurz vorm Fahrstuhl linkerhand ein altes Haus.

Die Fassade zeigt sich übel beschmiert, und ganz rechts findet man in blauer Schrift die Buchstaben „SR" auf rotem Grund. Wobei gilt, dass nur ein absolut Eingeweihter in den höheren Schmierkünsten dieses „R" auch als solches identifizieren kann.

„SR" steht für Starl Reims. Dieser begann vor Jahren auf der untersten Stufe der Fassadenschmierer, bevor er dann zum besten Freund und Speichellecker des Königs aufstieg. Von da an war er nicht mehr der Starl, sondern der Eisheilige. Dieser genoss das unbedingte Vorrecht, stets die Verflossenen des Königs zu übernehmen.

Schon nach dem ersten Ausgehen mit dem König feixte der Eisheilige, dass ich schon allzu bald seine Bettgespielin sein werde. Er sollte Recht behalten.

Mit kalter Ironie quittierte das wie üblich meine Mutter. Während Vati sich hinter der Morgenzeitung versteckte, fegte sie die mit Salz und Pfeffer gewürzten Tomatenscheiben auf ihr Frühstücksbrot. Mir blieb noch eine Scheibe löchriger Käse, die ich mit halbierten Gurken belegte.

„Dieser so nette wie hübsche Junge von den Königs," attackiert sie mich mit bissiger Schärfe, „der hat dich doch abserviert, Sarah, oder?"

Kauend und auf mein Brot starrend erwiderte ich irgendetwas wie: „Ja, das stimmt schon, Mutti, wir sind nicht mehr zusammen."

Dabei spürte ich, wie ich unter dem hämischen Blick meines Bruders Killemann tiefrot anlief. Eigentlich heißt er Kilian, doch selbst seine besten Freunde halten ihn eines solch edlen Namens nicht für wert.

Ein vierschrötiger und kantiger Blondschopf ganz nach dem Vater, der gerade mal die Hauptschule mit Ach und Krach schaffte. Glück für ihn, dass er in der Fleischerei unseres alten Herrn gleich eine Lehrstelle als Metzger erhielt.

Seine vorstehenden Froschaugen quollen jetzt über, als er mit unverschämtem Grinsen sagte: „Gewöhnlich überlässt der Jan seine Verflossenen doch immer dem Eisheiligen zur Nutzung, nachdem er sie durchgeorgelt hat, nicht wahr?"

„Ich habe mit Jan König nicht geschlafen", platzte ich mit Tränen in den Augen hinaus, während ich meine Tasse mit heißer Schokolade an die Lippen führte.

Das ist sogar zur Abwechslung mal die Wahrheit – die reine, eherne, nackte Wahrheit.

„Hör auf, um den heißen Brei herumzureden, Fräulein", zischte meine Mutter ärgerlich, mit einem Zahnstocher zwischen ihren Zähnen herumpulend. „Ich habe diesen abgebrochenen Kasper jetzt dreimal hereingelassen. Ist er jetzt dein verdammter Freund, oder ist er's nicht?"

Ich biss mir auf die Unterlippe und nickte schweigend.

Mutter rückte prüfend ihre Brille zurecht. „Mit ihm schläfst du doch aber, Sarah, stimmt's oder habe ich Recht?"

In dreckiger Weise bleckte mein Bruder seine gelben Pferdezähne. „Ist doch wohl unüberhörbar, dass die da hinhält", bemerkte er genüsslich.

Meine Mutter ließ den Zahnstocher sinken. „Das reicht, Kili", wies sie meinen Bruder scharf zurecht. Mit leicht geschürzten Lippen wandte sie sich dann an mich.

„Ihr seid bei der Liebe tatsächlich laut genug", sagte sie scharf. „Ich wiederhole also meine Frage, Fräulein: Schläfst du mit dem?"

Nun hämmerte ich mein Besteck auf den Tisch. „Ich bin siebzehn", schluchzte ich, „und er ist mein Freund, verflixt noch mal! Was wollt ihr eigentlich von mir?"

Die VerflosseneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt