Meine Mutter fuhr mich mit heruntergelassenen Scheiben zum Flughafen. Es war kalt und ein ganz normaler Tag in meiner Heimat, Washington. Über uns, im Himmel, eine Wolkendecke. Es schien, als würde der nächste Regenschauer nichtmehr lange auf sich warten lassen. Ich hatte meinen Lieblings Pullover an, einen grauen mit dunkelblauer Aufschrift - es War wie eine Art Abschiedsgeste. Mein Flug würde länger dauern, trotzdem bestand mein Handgepäck nur aus einer Jacke.
Mein Ziel War Brasilien. Ich sollte dort in einer Kleinstadt bei meinem Vater wohnen.Aber ich wollt eigentlich garnicht nach Brasilien, ich liebte Washington, unsere ebenfalls kleine Stadt, in der es jeden Tag mindestens 2 mal regnete. Ich wollte eigentlich auch garnicht von meiner Mutter weg. Aber es war das beste so. Für sie, ihren neuen Mann und für mich, denke ich.
"Ella" sagte meine Mutter bevor ich durch die Absperrung ging.
"Du musst nicht gehen. Wir schaffen das, wenn Max seine Arbeit wieder hat und wir einen festen Wohnsitz haben, könnte alles perfekt werden. Du musst wirklich nicht gehen." das erzählte mir meine Mutter schon den ganzen Tag. Diese Rede hörte ich jetzt bestimmt auch schon zum hunderttausendsden Mal. Ich liebe meine Mutter, aber es ist wirklich das beste, wenn ich jetzt gehe und sie erstmal ihr eigenes Leben auf die Reihe bekommen lasse. Mir wurde ganz flau im Magen, wenn ich daran dachte, sie alleine zu lassen. Ich musste schon fast mein ganzen Leben auf sie aufpassen. Manchmal scheint es mir so, als ob bei uns die Rollen vertauscht worden wären. Aber jetzt hat sie Max, der ihre Rechnungen bezahlen kann und ihren Kühlschrank füllen kann...
"Ich will aber" erklärte ich ihr schließlich - auch schon zum hunderttausendsden Mal. Ich War schon immer eine schlecht Lügnerin gewesen, aber da ich diesen Satz in letzter Zeit sooft wiederholen musste, ging er mir erstaunlich leicht über die Lippen. Ich denke sogar, das er jetzt überzeugend klingen konnte. Man konnte mir meine Lüge glauben.
Dann gab Mom schließlich auf.
"Dann grüß deinen Vater von mir."
"Mach ich" antwortete ich dann.
"Wir sehen uns bald, ich werde dich besuchen!" versprach sie. "Du kannst jederzeit anrufen und Bescheid sagen, falls du wieder zu uns zurück willst. Dein Bett wird für dich bereit stehen." 'Bett' betonte sie so eigenartig, weil mein 'Bett' eigentlich nur eine Couch in Max Wohnwagen war. Es war mir nie unangenehm gewesen, in einem Wohnwagen zu Leben. Wir hätten uns ein Haus leisten können, aber das mit Max's Arbeit War so ein Ding. Er ist Baseballtrainer, nur Momentan ohne trainierbares Team. So fuhren meine Mom und Max also im ganzen Land herum, um einen Job für Max zu finden.
Bis jetzt ohne Erfolg, und genau deswegen werde ich zu meinem Vater ziehen. Damit sie mehr Zeit haben.
"Mach dir bitte keine Sorgen" sagte ich beruhigend. "Es wird bestimmt schön, mal wieder etwas mit Dad zu machen. Ich liebe dich, Mom."
Sie hielt mich einige Zeit in ihren Armen. Dann gab sie mir einen Kuss auf die Stirn und ging. Sie war verschwunden.
Der Flug aus Washington nach Rio dauert acht Stunden, von dort aus dann noch etwa eine halbe Stunde zu dem Haus von meinem Dad, Jackson.
Der Flug machte mir keineswegs, auch nur im geringsten, etwas aus, doch vor der Autofahrt mit Jackson hatte ich einwenig bammeln.
Er wollte mich vom Flughafen abholen, wofür ich ihm auch sehr dankbar bin, denn ich hätte mir nicht vorstellen können noch länger in einem Touristenbus zu sitzen.
Jackson hatte ziemlich gut darauf reagiert, das ich nun wieder bei ihm wohnen sollte. Ich glaube sogar das er sich wirklich freut. Denn, ich ziehe das erste mal langfristig zu ihm.
Als ich meinen Koffer geholt hatte und nach draußen ging, sah ich meinen Dad schon von weitem. Er lief mir entgegen. Er sah aus wie früher, mit seiner blauen Jeans und seinem karierten, kurärmeligen Hemd, den blonden Haaren und dem Bart.
Als ich das lächeln in seinem Gesicht bemerkte, konnte ich nicht anders, als ebenfalls zu lächeln.
Er nahm mich in die Arme und drückte mich fest an sich.
"Ella"
"Dad""Wie war dein Flug? Wie geht es dir? Wie geht es deiner Mutter?"
"Gut, gut und... gut" bei einem gut, zuckte ich einwenig zusammen.
"Das ist sehr schön. Komm, lass uns zum Auto gehen."
Wir gingen zum Auto und Jackson packte meinen kleinen Koffer in sein Auto. Dann stieg ich ein. Kurze Zeit später ließ sich auch Jackson neben mir auf den Fahrersitz gleiten.
Er startete den Motor und schon war das Auto geradewegs auf dem Weg zu Dad's Haus. Wir fuhren vom Parkplatz, danach durch die Stadt und nach Kurzer Zeit waren wir auf einer Landstraße. Erst jetzt, sagte mein Dad wieder etwas.
"Ich habe dein Zimmer neu gestrichen" er hielt inne. "Und du hast ein neues Bett"
"Oh, wow, danke Dad"
"Natürlich. Es ist jetzt weiß, rot. Du magst doch rot oder?"
"Ja, rot ist cool. Danke"
Danach schwiegen wir wieder. Es war kein peinliches schweigen, es war ein angenehmes Schweigen. Ich dachte darüber nach, wie es meiner Mutter und Max gehen würde. Oder was sie jetzt so tun würde, ohne mich.
Plötzlich wurden meine Gedanken abrupt gestoppt. Jackson war stehen geblieben, vor uns, ein kleines aber schönes Haus. Auf der Rasenfläche davor, stand ein schwarzes Auto.
"Da wären wir"
Er stieg aus und ich auch. Dad nahm wieder mein Gepäck, was ich auch hätte alleine nehmen können, und stapfte zur Haustür. Nachdem, er den Schlüssel gefunden hatte und die Tür aufschloss, ging er eine Treppe hinauf. Ich folgte ihm. Ich kannte den vertrauten Weg zu meinem Zimmer.
Vor der Tür, die mir vertraut war,blieb er stehen.
"Hoffentlich gefällt es dir." murmelte er leise, sodass ich es fast nicht verstanden hätte.
Dann machte er die Tür auf.
Das zimmer war weiß gestrichen, nichtmehr hellblau wie früher. Die Bettwäsche war rot.
"Ich finde es schön" und das meinte ich auch ernst. Es war aufjedenfall besser als die vergilbten Wände des Wohnwagens.
"Wirklich. Es ist perfekt."
"Das freut mich, ich hatte sorge das es dir nicht gefällt. Dann hätte ich es natürlich wieder umgestrichen."
"Nein Dad, ganz erlich, ich finde es wirklich hübsch so"
"Nadann ist ja gut. Ich stelle dir deine Tasche hier hin und lass dich dann erstmal alleine. Gewöhn dich erstmal wieder ein. Schau dir alles an"
Ich nickte.
Er stellte die Taschen ab und ging.
Ich setzte, mich auf mein neues Bett und schaute mir mein Zimmer an.
Es gefiel mir.
Ich weiß nicht wie lange ich dort saß und alles angestarrt hatte, aber nach einiger Zeit ging ich wieder runter.
Jackson saß vor dem Fernseher und schaute sich eine Serie an. Als er mich hörte, drehte er sich um.
"Mit der Schule hier habe ich alles geregelt. Du könntest schon morgen hingehen. Aber wenn du nicht möchtest, kannst du auch noch einen Tag hierbleiben, und dich ausruhen. Außerdem kannst du mein zweites Auto benutzen. Das schwarze, was vor dem Haus steht. Ich bin sicher du hast es schon gesehen."
"Ja, das habe ich. Ich werde morgen zur Schule gehen. Das ist garkein Problem für mich. Je schneller ich meinen ersten Tag an dieser neuen Schule überstanden habe, desto besser."
"So schlimm wird es bestimmt nicht."
"Wer weiß" antwortete ich
"In einer halben Stunde gibt es Abendessen "
"Ist gut. Hättest du etwas dagegen, wenn ich mich solange zu dir setze ?"
"Überhaupt nicht"
Ich setzte mich auf die Couch, die neben dem Sessel stand, auf dem Jackson saß.
Wir schauten die Serie an und als sie zuende war, stand Jackson auf, um das essen zu machen. Ich blieb sitzen, angelte mir die Fernbedienung von dem Sofa, und drückte einen Knopf nach dem andern.
Auf dem einen Sender, lief eine Sendung über Löwen, auf einem anderen eine Sendung über vermisste Personen und auf wieder einem anderen eine Sendung über zwei Personen, die sich auf tragische Weise verlieben. Ich schaute es mir für einpaar Sekunden mit, bis es mir zu viel wurde. Zuviel liebe. Ich War noch nie verliebt gewesen und hatte es in nächster zeit auch nicht vor. Erlich gesagt fand ich es eklig wie liebe in filme dargestellt worden war. Deswegen schaltete ich zurück zu der Sendung, über die Löwen.
"Essen ist fertig"
Ich schaltete den Fernseher aus, stand auf und ging zum Tisch. Jackson hatte Backkartoffeln gemacht, nicht gerade mein Leibgericht, aber es war trotzdem lecker. Jackson aß seine Portion auf und Wartete bis ich mit meiner ebenfalls fertig war. Dann stand er auf und stellte seinen Teller in die Geschirrspülmaschine. Ich tat dasselbe.
"Du bist bestimmt müde und möchtest schlafen, oder?"
"Ja,Dad. Gute nacht"
"Gute Nacht"
Ich ging durch Wohnzimmer, durch den schmalen Flur, über die Treppe, in mein Zimmer.Es sah noch genauso aus wie vorher, bevor ich es verlassen hatte. Ich kramte meine Schlafsachen -ein altes t-shirt und eine Jogginghose - und meine Zahnbürste aus meinem Koffer. Dann ging ich ins Badezimmer und putzte mir die Zähne.Als ich fertig war, zog ich mir meine Schlafsachen an und schlich wieder zurück in mein Zimmer. Ich schlüpfte sofort unter die Decke meines Bettes und machte die Augen zu.
Ich versuchte zu schlafen, doch es klappte einfach nicht. Ich machte mir viel zu viele Gedanke über meine Mom, meinen Dad und über er den Tag, der mir morgen bevorstand. Ich hatte keine Ahnung was passieren würde. Ich dachte an die vielen Blicke die mir zugeworfen werden würden und ganz einmälig vielen mir die Augen zu.