2. Kapitel

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Eine halbe Stunde, nachdem Gideon die Wohnung verlassen hatte und zur Uni gefahren war, hockte ich auf dem Sofa und schaute mir eine von diesen unzähligen Telenovelas im Fernsehen an. Meine Gedanken schweiften dabei immer wieder zu dem bevorstehenden Ball in der Vergangenheit, welchen Gideon und ich an dem Tag besuchen sollten. Es ging ins 18. Jahrhundert zu einem vom Grafen selbst veranstalteten Ball. Ein Willkommens-Ball, stand auf der Einladung, die der Graf uns einst höchstpersönlich überreicht hatte. Für wen? Keine Ahnung. Es müsste irgendwer berühmtes sein, sonst würde der Graf doch keinen Ball veranstalten. Falls ihr euch fragen solltet, warum Gideon und ich uns trotz allem immer noch mit dem Grafen treffen,ist die Antwort recht einfach. Wir spielen weiterhin seine unwissenden Untergebenen. Das macht alles einfacher.
Zurück zu dem Ball. Am Tag zuvor hatte Madame Rossini mir mein Kleid für den Ball gezeigt. Es war ein dunkelblaues Reifenkleid, mit einer Schleppe aus Tüll. Am Kragen war es perlenbesetzt und es hatte wunderschöne Stickereien um die Taille. Ich hatte mich auf den ersten Blick in das Kleid verliebt. Madame Rossini hatte auch schon mit meinen Haaren experimentiert und wir hatten uns nach fünf verschiedenen Varianten für eine lockige Hochsteck-Frisur entschieden. Mein Make Up würde dezent werden. Wie eigentlich immer.
Als die Werbung im Fernsehen begann, klingelte mein Handy und eine Version von Greensleeves auf der Violine ertönte. Und ja, Gideon hatte das Lied gespielt und ich hatte es aufgenommen. Ich nahm mein Handy, welches immer griffbereit neben mir lag in die Hand und drückte auf Annehmen. "Hallo?", fragte ich und hielt mir das Handy ans Ohr. "Hey Gwen. Ich kann heute früher gehen. Treffen wir uns in einer halben Stunde in der Loge?" , fragte Gideon. Ich bejahte seine Frage und legte kurz danach auf. Es kam sehr selten vor, dass Gideon früher gehen konnte. Und wenn, hatten wir nicht einmal mehr Zeit füreinander, denn wir mussten ja in die Loge zum Elapsieren.
Ich stand auf und schlenderte ins Badezimmer. Ich stellte mich vor den Spiegel und begutachtete meine zerzausten Haare und mein ungeschminktes Gesicht. Ich beschloss mich zuerst zu schminken und band meine Haare zu einem Zopf zusammen. Als ich zehn Minuten später halbwegs passabel aussah, machte ich mich ans Haare Kämmen. Nachdem ich sie entwirrt hatte, flocht ich sie zu einem Zopf und verließ kurze Zeit später wieder das Bad. In Windeseile packte ich meine braune Ledertasche und verließ eine viertel Stunde nach Gideon's Anruf die Wohnung. Ich nahm die U-Bahn und kam pünktlich in der Loge an. Gideon wartete bereits in der Eingangshalle und kam mir lächelnd entgegen, als er mich sah. "Wie war es in der Uni?",fragte ich ihn nachdem wir uns geküsst hatten. "Ganz okay",antwortete er mir immer noch lächelnd und zog mich zu Madame Rossini's Atelier. Dort wurden wir gleich für den Ball fertig gemacht.
Das Make Up musste nicht neu gemacht werden, also hatte Madame Rossini mir gleich die ausgemachte Frisur gemacht und mir anschließend ins Kleid geholfen. Nachdem auch Gideon fertig angezogen war, wurden wir zum Chronografen geführt und reisten ein paar Minuten später ins Jahr 1766. "Nervös?",fragte Gideon als er Sekunden später neben mir erschien. Wie immer lag ein Grinsen auf seinen Lippen. Und dieses Grinsen liebte ich. "Ach bitte, Herr De Villiers. Wie haben schon unzählige Bälle hinter uns und du fragst noch, ob ich nervös bin?" ,konterte ich schmunzelnd. "Bei dir weiß man nie", sagte er etwas arrogant und lachte, als er mein gespielt genervtes Gesicht als Antwort auf seine, meiner Meinung nach nicht richtige Aussage sah. "Meine geliebte Gattin, Miss Elizabeth Withe, man erwartet uns", fuhr Gideon fort und hielt mir seine Hand hin, sodass ich mich bei ihm unterhaken konnte. Diesmal hießen wir Elizabeth und James White. Geboren 1742 und 1745, aus wohlhabenden Häusern und seit fünf Jahren glücklich verheiratet. Oh entschuldige Charlotte, ich meinte natürlich vermählt.
"Sehr wohl, mein lieber Gatte" sagte ich mit erhobenem Kinn und hakte mich bei ihm unter. Mit einem Lächeln im Gesicht betraten wir Arm in Arm den prunkvollen Ballsaal. Diesmal hatte der Graf sich echt übertroffen. In der Mitte des Saales war eine Fläche zum Tanzen aufgebaut und am hinteren Ende des Saales befanden sich Tische mit Getränken und kleinen Häppchen. Alles war mit zierlichen Girlanden geschmückt und in jeder Ecke standen Vasen mit prachtvollen Blumen darin. Die Kronleuchter, welche von der Decke hingen, setzten den Raum in ein sanftes Licht. Nicht zu dunkel und nicht zu hell.
Als meine Augen zurück zur Tanzfläche schweiften, blieben sie am Grafen hängen, welcher mit drei anderen Gästen plauderte. Neben dem Grafen stand eine Person, mit feuerroten Haaren. Sie trug ein zitronengelbes Ballkleid, welches mit Mustern bestückt war. Die Farbe des Kleides bildete einen wunderschönen Kontrast zu ihren roten Haaren,welche in Locken über ihren Rücken und ihre zierliche, schlanke Taille fielen. *Die sieht von hinten ja fast so aus wie...* In dem Moment drehte sich die rothaarige Dame um und mir blieb die Luft weg. Unmöglich. Gideon hatte die Person anscheinend ebenfalls identifiziert, denn er zog mich gleich aus ihrer Sichtweite. Charlotte! Meine Cousine Charlotte Montrose!

13 ZeitreisendeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt