„Dreimal giftiger Krötenschleim, ganz stinkig sollst du Kissen sein!" Voller Enthusiasmus schwang Mara ihren Zauberstab durch die Luft und öffnete wieder die Augen. Vorsichtig roch sie am Kissen ihres Bruders und seufzte. „Och menno, schon wieder nicht geklappt."
Seit einer Viertelstunde versuchte sie nun schon das Star-Wars-Kissen zu verhexen, doch es wollte ihr einfach nicht gelingen. Mittlerweile roch es mehr nach Gewürznelke, als nach dem gewünschten Hundehaufen.
Aber aufgeben war nicht drin. Morten hatte es verdient. Mara musste sich ganz dringend für die verzauberte Zahnbürste vom Wochenende rächen. Ihr Zwillingsbruder hatte ihr Klobürstengeschmack verpasst und Mara bemerkte es natürlich erst, als sie den Mund voller Klobürstenschaum hatte.
Sie wollte gerade zu einem neuen Versuch ansetzen, dem Kissen Fußgeruch zu hexen, als sie ihre Mutter aus dem Wohnzimmer rufen hörte: „Maraaa, Mooorten! Gleich ist Zeit für's Bett! Hopp hopp, Zähne putzen!" Und nach einer kurzen Pause fügte sie noch lauter hinzu: „Und keine Zauberei! Habt ihr mich verstanden?"
„Jaaahaaa ...", tönte es aus dem Flur. Mara zuckte zusammen. Sie hoffte nur, dass Morten jetzt nicht in sein Zimmer wollte und spähte durch den Türschlitz. Ein paar Sekunden später lief ihr Bruder an der Zimmertür vorbei und rumpelte im Badezimmer herum.
Erleichtert atmete Mara aus und schlich sich schnell aus dem Raum, um dann auf Höhe ihres eigenen Zimmers mit lauten Schritten in Richtung Badezimmer zu traben.
„Hey, Blödbacke!", empfing Morten sie und dachte gar nicht daran am Waschbecken auch nur einen Zentimeter Platz zu machen.
„Rück rüber, Stinker." Mara streckte ihm die Zunge raus und drückte ihn mit der Schulter zur Seite. Morten hielt dagegen. Nach ein wenig Hin-und-her-Gedrängel hatten beide ungefähr die Hälfte an Platz vor dem Becken und gaben sich damit zufrieden. Mara roch prüfend an ihrer Zahnbürste und Morten grinste breit.
„Keine Sorge, mit solchen Babyzaubern geb' ich mich nicht mehr ab. Ich hab viel coolere gelernt!"
„Angeber ...", murmelte Mara, während sie ihre Zähne schrubbte.
„Bist ja nur neidisch, Babyhexe.", zischte Morten und floh schnell aus dem Badezimmer, bevor seine Schwester ihn mit Zahnpastaschaum bespritzen konnte.Gerade als Mara ihre Bettdecke zur Seite schlug und die Nachttischlampe anknipste hörte sie durch die Wand Mortens Stimme. „Igitt, was müffelt hier denn so?! Maaraaa! Das zahl ich dir heim!"
Sie ließ sich auf ihr Bett fallen und kringelte sich vor Lachen. Auch, wenn das Kissen nicht nach Hundehaufen roch, war Mara recht zufrieden mit ihrer Arbeit. Morten würde sicherlich noch am nächsten Tag in der Schule nach Gewürznelken riechen.
Sie kroch unter ihre Bettdecke, machte das Licht aus und schloss die Augen. Doch sie war noch viel zu aufgekratzt, um jetzt einzuschlafen. Kurz überlegte sie, noch ein paar Minuten zu lesen, doch dann entschied sie sich für den Trick, den ihr ihre Oma gezeigt und der bisher immer wunderbar funktioniert hatte. Schafe zählen. Als Oma Elisa ihr zum ersten Mal davon erzählte, fand Mara die Idee ziemlich seltsam und ihre Oma ganz schön komisch. Aber dann hatte sie es doch ausprobiert und ist bisher nie weiter als bis zum Schaf Nummer 32 gekommen. Mara schloss die Augen und konzentrierte sich. Als sie die Schafe gut vor ihrem inneren Auge sehen konnte, fing sie leise an zu zählen. „Eins, zwei, drei ...", flüsterte sie in die Dunkelheit.
Plötzlich wirbelte ein Luftzug durchs Zimmer und Mara spürte etwas Schweres neben sich auf der Bettdecke landen. Erschrocken öffnete sie die Augen. Mitten auf ihrem Bett saß ein riesiges Schaf.
„Määäh", meckerte es Mara ins Gesicht. Und da hörte sie schon Morten kichern.
„Hihihi, du müsstest mal dein Gesicht sehen!" prustete er los. Morten hatte sich auf dem Bauch durch die leicht geöffnete Tür gerobbt und lag nun mit den Beinen auf der Fußleiste in Maras Zimmer. Lachend drehte er sich auf den Rücken und trommelte mit den Füßen auf den Teppichboden.
„Du bist soooo blöd!", fauchte Mara ihn an.
„Määäh", rief das Schaf erneut.
„Pssst! Nicht so laut!", zischte Mara. „Morten, lass es wieder verschwinden, sofort!"
„Kann ich nicht."
„Was soll das denn jetzt heißen?"
„Der Zauber lässt irgendwann von selbst nach." Morten grinste.
Mara überlegte kurz, ob sie einfach ihren Eltern Bescheid sagen sollte, aber dann würde Morten sicherlich die Sache mit dem Stinkekissen petzen. Das würde Ärger geben. Sie musste sich selbst um das wollige Problem kümmern.
Kurz dachte sie nach, dann hatte sie eine Idee und schnappte sich ihren Zauberstab aus der Nachttischschublade. Vielleicht würde ja eine Abwandlung des Flecken-entfern-Spruchs auch dieses riesige Schaf von ihrem Bett entfernen können.
„Ich wünsch mir mein Bettchen wieder rein, du großes Schaf sollst jetzt nicht mehr sein!" Gebannt starrte sie auf das Tier. Auch Morten war verdächtig still geworden.
Plötzlich fing das lockige Fell an zu zittern. Zuerst nur ganz leicht, dann immer stärker und stärker, bis das Schaf mit einem letzten lauten „Mäh" explodierte. Überall im Zimmer regnete es kleine Miniaturschafe auf den Teppichboden. Die Luft war erfüllt vom leisen Meckern tausender lebender Wattebälle.
„Oh nein!" Mara wedelte panisch mit ihrem Zauberstab in der Luft herum und Morten musste aufstehen, um nicht unter der Schafwolke begraben zu werden. Die kleinen Schäfchen hüpften wie Flummis vor den beiden Kindern auf und ab. Mara versuchte ein paar von ihnen einzufangen, doch sie kletterten von ihrem Arm auf Kopf und Schultern und eines von ihnen fing an, Maras Haare zu fressen. Morten konnte sich kaum noch auf den Beinen halten vor lachen.
„Hilf mir gefälligst, sonst hex ich dir welche von den Dingern in dein Zimmer!"
„Pff, das schaffst du ja gar nicht!"
„Na, dann trag ich sie halt rüber!"
Morten verzog den Mund. „Na gut, überredet. Hast du eine Idee?"
„Ich? Es war dein Schaf. Und du bist doch der ach so tolle Zauberer hier."
„Wieso mein Schaf? Du hast das hergeträumt. Außerdem hast DU es in tausend kleine Watteballschafe explodieren lassen!" Wieder fing er an zu kichern.
„Was machen wir denn jetzt? Wir können sie nicht alle zur Haustür raus scheuchen, das würden Mama und Papa bemerken." Mara pulte sich eins der Minischafe aus den Haaren.
„Wir machen einfach das Fenster auf und schaufeln sie raus!"
„Bist du wahnsinnig? Die armen Schäfchen!" Empört schüttelte sie den Kopf.
„Dass die doofen Dinger auch nicht fliegen können...", murmelte Morten.
„Hey, wieso denn nicht? Ich wette zusammen kriegen wir das hin!"Nachdem sie ein paar Minuten über einen passenden Spruch gestritten hatten, waren die Zwillinge sich einig und hoben ihre Zauberstäbe in die Luft. Morten sah noch einmal rüber zu Mara und diese nickte. Sie sprachen die Worte gemeinsam.
„Tausende Schafe auf dem Boden hier, jedem Schaf zwei Flügel, das wünsch ich mir!"
Zwei kleine Lichtkugeln schossen aus den Spitzen der Zauberstäbe und flogen wie Blitze im Zickzack von Schaf zu Schaf. Und tatsächlich! Jedem kleinen Watteballschäfchen wuchsen zwei winzig keine Flügel auf dem Rücken.
„Es klappt!", rief Mara begeistert und die ersten Schäfchen hoben vom Boden ab und flatterten wie große weiße Hummeln umher.
Morten lief schnell zum Fenster und öffnete es. „Treib sie hier her!"
Mara schob vorsichtig einen Schwarm Schäfchen zu ihrem Bruder herüber und die weißen Bälle flogen in die Nacht hinaus. Ihr Fell schimmerte im Mondlicht, während sie eine große Runde um den Wohnblock flogen. Mara und Morten schauten ihnen hinterher.
Es dauerte noch eine ganze Weile, bis sie alle Schäfchen erwischt und aus dem Raum geschafft hatten. Erschöpft standen die Zwillinge am offenen Fenster und betrachteten die Lichter der Nachbarschaft.
„Hoffentlich lässt dein Zauber bis morgen nach. Ich habe keine Ahnung, wie wir Mama und Papa die vielen geflügelten Schäfchen auf dem Balkon erklären sollen."
Morten sah zum Balkon seiner Eltern herüber und fing bei dem Anblick der hüpfenden Schäfchen sofort wieder an zu kichern. Und diesmal musste auch Mara mitlachen.
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Die Schafastrophe
Short StoryDie junge Hexe Mara und ihr Zwillingsbruder Morten spielen sich gern magische Streiche. Doch eines Abends geht ein Zauber schief... Diese Kurzgeschichte für junge Leser ist für die Clue Writing Blogparade entstanden, bei der es darum ging die Clues...