Kapitel 2

752 50 20
                                    

Kapitel 2



Ihr Auftritt näherte sich dem Ende. Der letzte Song wurde angestimmt und das Publikum ein letztes Mal angeheizt. Doch für ihn war es wie jedes andere. Wie in Trance tanzten die vielen Lichter vor seinen Augen. Die Fans konnte er gar nicht richtig erkennen, lediglich das Gejubel und Geschrei drang zu ihm durch. Nun war sein Part an der Reihe. Er trat aus dem dunklen Hintergrund heraus in das Licht der Scheinwerfer. Wie aus Reflex schloss er die Augen. Die vielen Farben verwandelten sich in ein gleißendes, weißes Licht. Doch er ließ es sich nicht anmerken. Stattdessen drehte er noch mal voll auf. Wirbelte herum, sang sich die Stimme aus dem Leib und lieferte eine grandiose Show ab. Das war sein Job. Das quirlige, trotzdem brave Bandmitglied. Der Ruhepol. Der vernünftige. Der auf den man sich verlassen konnte. Der der immer einen kühlen Kopf bewahrt, egal wie verzwickt die Situation ist. Der, der die Anderen Heim brachte, wenn sie zu viel Getrunken hatten. Der, der immer einen guten Rat wusste. Der, der quasi immer gute Laune hatte, die ihm keiner vermiesen konnte.


Der, der dem ganzen aber irgendwann nicht mehr standhalten konnte. Die Last und Verantwortung, die mit diesen ganzen Erwartungen auf ihm lastete.


Ja, auch ein Lukas Strobel war nicht perfekt. Irgendwann war auch seine Belastungsgrenze erreicht. Und diese Grenze hatte er bereits vor einigen Wochen weit überschritten.


Er hatte einen Zusammenbruch...



In den letzten Monaten hatte er an seinem neuen Album gearbeitet und haufenweise Interviews gegeben. Zwischendurch standen noch Proben mit Trailerpark an. Das hieß aber nicht nur, dass sie den ganzen Tag zusammen saßen, an Beats feilten und versuchten geile Texte zu finden. Meißtens war er derjenige, der ernsthaft bei der Sache war und sich das Hirn nach neuen Ideen zermarterte. Nein, es standen im Anschluss noch diverse Partys an. Erst wurde gekokst, dann ging es in die erste Disco. Dort wurde gesoffen. Ja, trinken konnte man das bei diesen Mengen nicht mehr nennen. Zwischendurch landete dann Speed auf den Tischen und schließlich in den Körpern von vier der fünf Jungs. Dann ging es weiter in den nächsten Schuppen. Manchmal landeten sie sogar in einem Puff. Spätesten dann hieß es für ihn seine Kollegen in ein Taxi zu verfrachten und sicher nach Hause zu bringen. Was sich jedoch leichter anhörte als es getan war. Es war selten, dass sich jemand widerstandslos in ein Taxi setzten ließ. Ob dies nun die größere Tortur war als das Feiern, konnte er nicht genau sagen. Doch dieses Mal gab es ihm den Rest. Timi, Steve und Basti waren wohl inzwischen allesamt zuhause und lagen im besten Falle im eigenen Bett. Er dagegen war ausgebrannt. Leer. Schlurfte gedankenverloren die Straße hinab. Als er das letzte Mal auf die Uhr gesehen hatte war es halb fünf. Morgens versteht sich. Die letzten vier Tage war er nicht vor sieben ins Bett gekommen. Doch heute war Schluss. In seinem Kopf verstummten langsam die Gedanken. Er fühlte sich mieß, dreckig und schlapp. Langsam bog er um eine Ecke. Seine Wangen brannten auf einmal wie Feuer, seine Sicht verschwamm. In seinem Hals bildete sich ein dicker Kloß und ein heftiges Zittern überkam seinen kompletten Körper.


Fahrig wischte er sich über die Augen. Nass. Alles nass. Doch seiner Kehle entkam kein einziger Ton. Er bog in eine schmale, dürftig beleuchtete Seitenstraße ab. Die Hände hatte er tief in den Taschen seines Hoodies vergraben und zu Fäusten geballt. Plötzlich traf es ihn wie ein Schlag. Ihm wurde schwarz vor Augen, sein Magen zog sich zusammen und seine Knie gaben nach. Machtlos dagegen sackte er auf den kalten, nassen Boden. Als er kurze Zeit später wieder zu sich kam, dämmerte es. Er brauchte ein paar Versuche um sich aufzusetzen. Seine Ellenbogen waren wie aus Gummi. Schließlich fuhr er sich zittrig durch die braunen langen Strähnen, die wirr in sein Gesicht hingen. Ein Hustenanfall gefolgt von einem Schütteln überkam ihn. Wie er danach nach Hause gekommen ist, war ihm nicht mehr klar. Schließlich fand er sich in seiner Wohnung mitten im Flur stehend wieder. Er musste sich jetzt hinsetzten, ausruhen und vor allem schlafen. Noch im Gehen streifte er sich seine Schuhe ab und ließ sie achtlos hinter sich. Im Wohnzimmer angekommen fiel ihm etwas auf. Auf seinem Couchtisch lag ein kleines Tütchen. Eigentlich konnte er schon fast ahnen um was es sich dabei handelte. Langsam ging er darauf zu und ließ sich auf das Sofa sinken. Die Hände hatte er im Schoß zusammengelegt und seine Schultern hingen hinab. Seine Körperspannung war ihm vollkommen abhandengekommen. Gedankenverloren starrte er die weiße Substanz in dem Tütchen an. Immer noch herrschte Stille und komplette Leere in seinem Kopf. Das Zittern hatte mittlerweile nachgelassen.


Nach einer gefühlten Ewigkeit streckte er langsam die rechte Hand aus und griff nach dem Plastiktütchen. Wahrscheinlich hatten es die Jungs vorgestern hier vergessen, sie hatten sich quasi selbsteingeladen. ‚Party bei Lukas' hieß es nur. Trotz Protest seinerseits waren seine vier Freunde dann kurze Zeit später hier eingefallen.


Gedankenverloren glitt das Tütchen durch seine Hände. Immer wieder, hin und her. Langsam kamen die Stimmen in seinem Kopf zurück, lauter und wirrer als zuvor. Erschrocken ließ er das Tütchen fallen und presste sich die Hände auf die Ohren. „Nein...", murmelte er mit geschlossenen Augen und schüttelte den Kopf hin und her. Sein langer Pony klebte vor Schweiß an seiner Stirn.


Ruckartig löste er sich aus dieser Position und rutschte vom Sofa auf die Knie. Fahrig griff er erneut nach dem Tütchen, nestelte eine Weile an dem Verschluss herum, bis er ihn schließlich auf hatte. Den kompletten Inhalt schüttete er auf den Tisch. Mit den Fingern verteile er das weiße Puder notdürftig. In einer seiner Hostentaschen fand er noch einen Zehner, welchen er eng zusammenrollte und an seine Nase ansetzte. Er beugte sich vor, bis er das Pulver erreicht hatte. Ohne ein Zögen hielt er sich das andere Nasenloch zu und zog das Koks mit einem mal durch die Nase.


Es fühlte sich scheiße an. Alles brannte, und vor seinen Augen wurde es erneut schwarz. Doch keine drei Sekunden später entspannte er sich. Die Stimmen wurden leiser, seine Gedanken waren wie ausgelöscht. Lukas ließ den Kopf nach hinten in den Nacken fallen. Langsam aber sicher gingen bei ihm die Lichter aus. Fast wie ein nasser Sack rutschte sein Körper seitlich am Sofa entlang gen Fußboden. Mitbekommen hatte er davon nichts mehr. Also blieb er zwischen Couchtisch und Sofa regungslos liegen.


Und mit diesem Abend nahm das Unheil seinen Lauf. Er hatte erkannt, welche Wirkung die Drogen auf ihn hatten. Es blieb jedoch nicht bei dem Koks. Landeten bei der Probe mit den Jungs etwas auf dem Tisch, gelang es ihm so gut wie immer unauffällig etwas einzustecken. Schließlich sollte niemand von seinem Problem erfahren. Wobei, in seinen Augen hatte er kein Problem. Vielleicht war es ihm unterbewusst klar, eingestehen wollte Lukas es sich jedoch nicht. Irgendwie wäre es ein Zeichen von Schwäche. Doch er musste stark sein, auch wenn er sich damit nur etwas vor machte. Seine Starke Fassade musste er vor den Anderen aufrecht halten.


Zu Hause zog er sich alles Mögliche an Substanzen rein, nur um mit dem ganzen Druck fertig zu werden. Hatte er von der Probe nichts mitgenommen, kam er auch so an seinen Stoff. Man mag es kaum glauben, aber auch er kannte so einige Leute.


Und so auch heute...



Vor dem Konzert hatte er zu Hause eine fette Line gezogen. Von seinen Freunden hatte bisher niemand mitbekommen, dass er drauf war. Zu seinem Glück. Er war neben der Spur, den letzten Song brachte er aber noch professionell zu ende. So professionell wie man es eben von einem Trailerpark-Mitglied erwartete. Artig verbeugten sie sich vor den Fans bevor sie allesamt im Backstage verschwanden.



+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~



Hallo zusammen :)



Vielleicht hat euch ja das zweite Kapitel genauso gut gefallen, lasst es mich wissen ;)



Liebe Grüße,


Eure Jana <3


Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 22, 2016 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Mama, kannst du mich abholen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt