Kapitel 2

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Nach einer langen Fahrt stoppte die Kutsche abrupt. Ich sah gespannt aus dem Fenster, da ich nicht oft aus dem Schloss heraus kam. Eirren drückte die klinke der Kutschentür herunter und öffnete die schwere Tür. Nach ihr stieg mein Vater aus der Kutsche, ich folgte ihnen. Meine Lungen füllten sich mit kalter, reiner Winterluft. Es war wirklich kalt draußen.

"Alsha", erst als meine Schwester mich zu sich und unserem Vater rief, bemerkte ich, dass die beiden schon ein gutes Stück vorangegangen waren. Ich, verträumt wie immer, hatte wieder mal vergessen, warum wir überhaupt da waren. Als ich die beiden eingeholt hatte, passierten wir schon die eisernen Eingangstore des Parks. Im Park standen mehrere Bäume, die blaue Knospen trugen. Sie waren extra für das Klima im kalten Winter gemacht und blühten auch nur zur kältesten Jahreszeit. Deswegen der Name "Eiskristallene". Überall gab es weiße Bänke und Klettergerüste, Schaukeln und Sandkästen. Außerdem Trampoline, deren silberne Netzte in der Wintersonne funkelten. Ich drehte mich einmal um die eigene Achse um die Schönheit dieses Ortes in mich aufzusaugen. Unwillkürlich musste ich lächeln. Mein Vater hatte wirklich ganze Arbeit geleistet.

"...Außerdem möchte ich mich noch herzlich bei meiner Tochter Eirren bedanken, die mir geholfen hat den park zu planen und auszustatten!". Damit beendete mein Vater seine Rede und verbeugte sich während die Zuschauer klatschten. Ich klatschte auch und zwinkerte meiner Schwester verschwörerisch zu. Sie zwinkerte zurück und strahlte bis über beide Ohren. Eirren war wie gemacht für die Rolle der zukünftigen Königin, da war ich mir ganz sicher.

Nachdem größtenteils mein Vater, aber auch manchmal Eirren und ich, die Hände vieler dankbarer Leute geschüttelt hatten, begaben wir uns auf den Rückweg zu unserer Kutsche. Mein Vater öffnete meiner Schwester und mir die Kutschentür, wir stiegen ein und ich zog mir stöhnend meine hohen Schuhe von den Füßen. Eirren sah mich schmunzelnd an und ich zog eine Grimasse. Zufrieden lehnte ich mich zurück und war schon bald eingeschlafen.

Ich erwachte, als die Kutsche wieder hielt. Schnell schlüpfte ich in meine Schuhe und stieg hinter Eirren aus. Der Kies unter meinen Füßen knirschte, als ich mich auf den Weg zum Schloss machte. Als ich nach mehreren Stockwerken endlich mein Zimmer erreichte, schleuderte ich meine Schuhe in eine Ecke und warf mich auf mein Bett. Dort blieb ich eine Zeit lang liegen und starrte an die Decke, die mit feinen Fresken verziert war. Sie zeigten die Vorfahren des Herrscherhauses, die mit magischen Kräften gegen das Böse kämpften. Schon als kleines Mädchen fragte ich mich warum in vielen Legenden meine Vorfahren magische Kräfte hatten und mit Eisblitzen und Schneestürmen ihr Land beschützen konnten, aber niemand meiner Verwandten diese Kräfte besaß. Genauso wenig wie ich, wobei ich mir als kleines Kind immer magische Kräfte gewünscht hatte. Ich musste gestehen das die Vorstellung magische Kräfte zu haben auch jetzt noch gewisse Reize hatte.

Meine Gedanken wurden von einem ungeduldigen klopfen an der Tür unterbrochen. Ich sprang auf und hastete zur Tür, da ich schon ahnte wen ich dahinter vorfinden würde. Ich behielt Recht, sobald ich die Tür aufstieß, umarmte mich meine beste Freundin Aura stürmisch. Sie hatte rote Locken die sich widerspenstig um ihren Kopf rankten. Ihre Augen waren blitzblau und glänzten bei allem, was sie tat, vor Begeisterung und Freude.

"Erzähl, wie war es außerhalb?", neugierig musterten mich ihre hellen Augen. "Wunderschön! Ich wünschte du hättest mit mir kommen können!". Aura war Bedienstete in der Schlossküche und arbeitet schon seit ihrer Kindheit im Schloss, da auch ihre Eltern Bedienstete waren. Als ich klein war, setzte ich mich immer zu den anderen Kindern in die Küche um mit ihnen zu spielen. Dabei lernte ich Aura kennen und wir wurden unzertrennlich. Sie war schon oft außerhalb des Schlosses gewesen und erzählte mir immer von bunten Märkten und nächtlichen Dorffesten. An einem dieser Dorffeste hatte sie ihren Freund Sol kennengelernt, deswegen glaubte sie fest daran, dass auch ich meine große Liebe außerhalb der Palastmauern finden würde.

"Niemanden?", sie schaute mich fragend an. Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf. "Ich habe nicht einmal mit jemanden geredet, wie soll ich mich da erst verlieben?", fragte ich sie. Enttäuscht starrte sie mich an, doch kurz darauf erhellte sich ihr Gesicht wieder. Ich schaute sie fragend an. "Der Ball, dort wirst du sicher jemanden finden!", rief Aura aufgeregt. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Heute war der Ball, der den Anfang des Winters einläutete. "Oh nein, Aura, ich muss mich noch fertig machen." hektisch schielte ich zur Uhr. "Und müsstest du nicht in der Küche helfen?". "Hätte ich fast vergessen", flötete sie unschuldig und lief aus dem Zimmer. "Wir sehen uns später", hörte ich ihre immer leiser werdende Stimme noch rufen.

Während ich ein Kleid, das mir Eirren zu meinem letzten Geburtstag geschenkt hatte aus dem Kleiderschrank zerrte, klingelte ich nach Ria, meiner Kammerzofe. Ich schlüpfte schon in das schwere, rote Tüllkleid, als Ria ins Zimmer kam. Sie war schon alt und ihre Haare waren fast vollkommen weiß. "Dreh dich um, mein Kind", sagte sie mit ihrer weichen Stimme. Folgsam drehte ich mich um, nahm meine Haare im Nacken zusammen, damit Ria mir mein Kleid zuschnüren konnte. Trotz ihrer zarten Hände, zog sie das Mieder fest zu, sodass ich kurz keine Luft bekam. Ria lachte ihr herzerwärmendes Lachen und sagte, wie schon sooft," Wer schön sein will muss leiden." Ich verdrehte die Augen, Ria war manchmal wirklich altmodisch, trotzdem hatte ich sie lieb. Schon als kleines Kind kümmerte sich Ria liebevoll um mich, außerdem war sie der weiseste Mensch den ich kannte. Nachdem Ria damit fertig war, mein Kleid zuzubinden, schob sie mich zu meiner Frisierkommode und begann meine Haare zu einer komplizierten Frisur zu verflechten. Wäre Ria nicht, wäre die Frisierkommode schon mit zentimeterdickem Staub bedeckt, da ich es einfach nicht zusammenbrachte meine Haare zu bändigen, geschweige denn zu frisieren. Daher gab ich nach ein paar missglückten Versuchen auf und trug meine Haare stets offen.

Nachdem mich Ria noch ein letztes Mal unter ihrem strengen Blick bedachte, konnte ich mich endlich im Spiegel betrachten. Meine Haare waren zu einem Kranz auf meinem Kopf geflochten und schimmerten golden im Licht. Das Kleid betonte meinen schlanken Körper und die eingearbeiteten Rubine glitzerten verführerisch. An meinen Ohren baumelten silberne Ohrringe, die wie schillernde Wassertropfen geformt waren. Dazu passten mehrere Armreifen die sich kalt an meine Handgelenke schmiegten. Hinter mir sah ich wie Ria zufrieden lächelte. Ich sah wirklich wunderschön aus. "Danke, Ria!". Sie lächelte und sagte:" Wenn du dich nicht beeilst, dann war alles umsonst." Ich verdrehte die Augen, gab ihr einen Kuss auf die Wange und begab mich auf den Weg zum Festsaal.

Ich war bereit für den Ball.

***

Ich hoffe mein 2. Kapitel hat euch gefallen!

Somewhere coldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt