"Mou?"
Keine Reaktion.
Wo ist die denn?
Nach einer kurzen Pause spürte er sie dann. Sie war im zukünftigen Arbeitszimmer, schien aber keine Bewegungen zu machen.
Buraindo ging den Flur entlang und links durch die Tür.
Sie wird doch nicht... Aber natürlich tut sie es...
Als Buraindo das Zimmer betrat, entdeckte er Mou sofort. Siehatte aus Umzugskartons eine couchähnliche Struktur errichtet und lag dort, die Hände seitlich unter dem Kopf verschränkt, auf der Seite und schlief.
Buraindo lehnte sich an den Türrahmen und ließ die Situation auf sich wirken.
Es war nun ungefähr ein halbes Jahr her, dass sie aus der Nummer mit der Force-Academy raus waren... Wenn man allerdings sein ganzes Leben lang gelernt hat, wie man effektiv Leute erledigt... Ist es... Schwer... Sich in der normalen Gesellschaft zurechtzufinden.
Das grad eben im Treppenhaus zum Beispiel... Auf der Force-Academy hätte jemand ihn vielleicht gelobt zu der Reaktionszeit... Aber keiner hätte da mit offenem Mund wie ein Armleuchter gestanden, so was war da an der Tagesordnung gewesen... Zumindest in den höheren Rängen.
Buraindo trat ins Zimmer und sah sich um. Hier sollte das Arbeitszimmer reinkommen, rechts der Schreibtisch, vor das große Fenster kommt Mous Staffelei und die linke Wand wird mit Bücherregalen zugedeckt sein.
Voller Vorfreude auf die neue Einrichtung, trat er nun an die Kartoncouch und setzte sich vorsichtig, um Mou nicht wecken.
Diese wälzte sich nun im Schlaf und legte ihre Hände in Buraindos Schoß und kuschelte dort weiter.
Langsam fuhr Buraindo mit seinen Händen durch Mous Haar und stellte sich vor, wie es zwischen seinen Händen zerfloss.
Er döste eine Weile vor sich hin, während Mou in seinem Schoß schlief und die Minuten vergingen.
Die Sonne lief langsam am Fenster vorbei und verschwand hinter den anderen Häusern während im Radio zum fünften Mal innerhalb einer halben Stunde 'Irreplaceable' von Beyoncé gespielt wurde.
Können die nicht mal was anderes spielen...?
Buraindo hatte zwar keinen besonders großen Musikgeschmack, was das angeht war er ziemlich altmodisch, aber auch er konnte es nicht ab, ein Lied gefühlt dreißig Mal am Tag zu hören...
Immerhin riss ihn das Lied aus seinem Schlummer und sein Blick fiel auf die Uhr.
17:38 Uhr.
Buraindo gähnte. Sie müssten sich noch was zum Abendessen besorgen, tendenziell auswärts...
Er stupste Mou an. "Hey, aufstehen!"
Keine Reaktion.
Sie schlummerte einfach still weiter, ohne seine Weckversuche besonders zu beachten.
Nun gut, du willst es auf die harte Tour? Kannst du haben!, dachte Buraindo und grif nach der Einkaufstasche und holte seine Geheimwaffe raus.
Eine Tafel Schokolade.
Er öffnete sie und hielt Mou die aromatische kakaohaltige Süßigkeit unter die Nase. Sie fing an zu schnuppern und versuchte nach ein paar Sekunden reinzubeißen. Doch Buraindo zog die Schokolade kurz vorher immer wieder weg. Nach acht Versuchen zog er die Schokolade wieder zu sich.
Sooo, und jetzt das ultimative Aus-... naja, eher Anschaltmanöver...
Er führte die Schokolade langsam an Mous Kopf ran, in Richtung offenliegendes Ohr, Mou beginnt wieder zu schnüffeln... Und kurz bevor die Schokolade ihr Ohr berühren würde...
Knacks!
Das Geräusch ließ Mou hochfahren und mit dem Kopf gegen Buraindos Kinn knallen.
Autsch!
Buraindo rieb sich das Kinn.
Das habe ich jetzt nicht einkalkuliert...
Aber die Aktion hatte die gewünschte Wirkung erzielt. Mou war wach.
"Oooooh maaanno!" waren die ersten Worte, die man von Mou hörte. "Ich hab dir doch gesagt, du sollst aufhören mich so zu wecken, dann krieg' ich immer Heißhunger auf Schokolade!"
Buraindo konnte sein Kichern nicht unterdrücken.
"'Tschuldige, ich konnte einfach nicht widerstehen!", antwortete er und lachte dabei.
Doch er hörte schnell damit auf, als er die schmollige Miene von Mou sah.
"Hey, Kartonprinzessin... Es war doch nicht böse gemeint...", sagte er und strich ihr liebevoll über die Wange. "Hier, still' deinen Heißhunger!"
Mit diesen Worten reichte er ihr die Schokolade.
Mous Augen leuchteten auf und sie blickte einen Moment lang wie gebannt auf die Schokoladentafel. Doch dieser Moment dauerte nicht lange an und schon griff sie schnell nach der Schokoladentafel, bevor Buraindo es sich am Ende noch anders überlegen konnte und begann damit, sie aufzuessen.
Mou hatte sich mittlerweile aufgesetzt und saß mit angezogenen Knien auf der Kartoncouch. Buraindo hatte sich seitlich neben sie gesetzt und den linken Arm um ihre Schulter gelegt.
"Was hältst du davon, den ersten Tag auswärts essen zu gehen?", fragte Buraindo und blickte Mou tief in die Augen. "Du entscheidest auch wo wir hingehen!"
Mou dachte einen Moment nach. Oder zumindest versuchte sie so zu tun. Denn Buraindo war es klar, dass sie zustimmen würde. Essen gehen? Für Mou immer!
"Jaa... Ich glaube das wäre eine gute Idee...", antwortete sie und nickte dabei langsam. Zwar wurde ihre Antwort durch den mit Schokolade gefüllten Mund ein wenig verzerrt, doch Buraindo verstand den essenzielen Teil ihrer Aussage: Das Ja.
"Gut, dann lass uns gleich aufbrechen!", sagt er und stand auf, während sich Mou die letzte Reihe der Schokoladentafel quer in den Mund schob.
"Ich gehe noch kurz meine Sachen holen!", sagte sie und ging, um ihre Jacke auszupacken, die noch in einem der Kartons war.
Obwohl es später Herbst war, waren für heute Abend schon etwas kältere Temperaturen angekündigt, also hatte Buraindo Mous geraten, ihre Jacke aus dem Karton zu holen.
Während sie im zukünftigen Wohnzimmer umherwuselte, ging Buraindo an seine alltägliche Arbeit: "Mou hinterherräumen".
Er fing damit an, die Kartons wieder na die richtigen Stellen zu stellen. Er hatte nämlich alle Sachen ungefähr dahin gestellt, wo sie später hinkommen sollten, so dass nicht mehr viel rumgeräumt werden müsste. So leid es ihm auch tat, Mous Kartoncouch-Konstriúktion auseinanderzunehmen, aber leiber jetzt als wenn sie sich daran gewöhnt.
Kaum war er fertig, kam Mou mit ihrer Jacke aus dem Wohnzimmer.
"So, wir können!", rief sie, marschierte aus der Tür und deutete wie ein Offizier, der auf den Feind deutete nach vorne. "Los Schatzi, gehen wir!"
Buriando wollte schon ihr hinterher, doch spürte er noch ein ungutes Gefühl...
Er drehte sich nochmal in Richtung Wohnung und besah sich das Wohnzimmer... Und stöhnte auf.
Mou hatte anscheinend auf der Suche nach ihrer Jacke beinahe alle Kartons im Wohnzimmer geöffnet und deren Inhalt auf dem Boden verteilt.
Mit einem gemischten Gefühl von einem nicht-so-fröhlichen Gedanken an die Monsteraufräumaktion und einer Vorfreude auf das Essen, schloss er die Tür und beeilte sich Mou zu folgen, die bereits fröhlich die Treppe heruntergehüpft war.