1.KAPITEL

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Ein Tag. Vierundzwanzig Stunden. Eintausend vierhundertvierzig Minuten. Sechsundachtzigtausend vierhundert Sekunden.

Vergeht wie im Flug oder zieht sich ewig in die Länge. Fängt eines Morgens an und vergeht in der folgenden Nacht.

Ein Tag kann alles ändern, dir Kraft geben, dir etwas schenken oder dir Alles nehmen.

Es ist ein Anfang oder ein Ende. Ein Neubeginn, ein Wiederaufbau oder eine Zerstörung. Er kann in die Geschichte eingehen oder vergessen werden.

Es hängt ganz davon ab. Aber wovon? Wovon hängt ein Tag ab? Von Gott allein? Vom Schicksal? Von eigenen Entscheidungen? Dem Getanen oder dem Nichtgetanen?

Ich weiß es nicht.

Eins weiß ich aber, dieser Tag ist einer der schlimmen. Einer der Alles verändert. Alles zerstört und in meine persönliche Lebensgeschichte eingeht.

Was bunt war und für andere Menschen noch farbig ist sehe ich nur noch schwarz und weiß.

Schwarz wie der Tod. Weiß wie der heutige Tag.

Man ließ sie hinunter gleiten mit vielen Blumen. Ja es waren Rosen. Die Blumen der Liebe, ihre Lieblingsblumen. Es roch nach ihr wie an keinem Tag davor. Sie wurde vermisst wie an keinem Tag davor. Und geliebt, von uns, wie an jedem Tag davor.

Mein Brief nass von meinen Tränen, legte ich mit zitternden und eingefrorenen Händen auf ihren Sarg. Ein Stück Papier der ausdrückte was sie mir bedeutet hatte, was sie immer für mich sein würde und wie ich sie vermissen würde. Es war ein schon so uralter Brief. Ich hatte ihn geschrieben als ich 7 war und dachte ich würde sie nie mehr wieder sehen. An dem Tag als mein Vater ums Leben gekommen war und sie ewig auf sich warten lies. Vierundzwanzig schreckliche Stunden. Ohne ein Lebenszeichen von ihnen. Ohne jegliche Hoffnung.

Jetzt war es soweit 5 Jahre später an einem kalten Novembertag verließ auch sie uns endgültig.

Ich spürte eine kleine Hand auf meiner. Hörte jemanden kleine Tränen vergießen und drehte mich nach rechts um meine kleine Schwester zu umarmen. „ Heute ist der Tag an dem wir endgültig alles verloren haben „ , flüsterte Emma in mein Ohr. „Nein Emmi du hast mich und ich habe dich, das wird auch noch lange so sein." Aber ich sagte es mehr zu mir selber als zu ihr. Irgendwie musste ich mich beruhigen.

Ich löste mich von ihr nahm ihre Hand und trat ein wenig vor so dass Emma die letzte und schönste Rose in das Grab werfen konnte. Sie war zu klein um sich hinunter zu beugen und den Sarg ein letztes Mal zu berühren.

Ohne auf die anderen Personen zu achten, zog ich sie hinter mir her. Weg von dem Friedhof und ohne mich einmal umzudrehen. Das hätte mich zu viel Kraft gekostet, zu viel Mut und jetzt war nicht die Zeit für Selbstmitleid ich musste mich um meine Schwester kümmern.

„Mave hör auf, du bist viel zu schnell. Wovor läufstdu denn weg?", rief sie als wir in unsere Straße einbogen. „ Hör auf zu jammern.Du musst jetzt tapfer sein. Sobald wir zuhause sind packst du deine Sachen. Nurdas wichtigste. Wir lassen uns nicht trennen. Schon gar nicht von ein paar Wächtern.Hast du verstanden?" Ich blieb kurz stehen und schaute ihr ins Gesicht. IhreAugen waren nicht so schön blau wie sonst immer. Sie waren cremig und ihre roten Adern sah man hervortreten. Ihr sonst glänzendes braunes Haar hing fettig über ihre Schultern. Ihr schönes feines Gesicht war blass und unter den Augen sah man schwarze Augenringe. So fertig hatte ich sie noch nie gesehen. Trotzdem zwang sie sich zu einem Lächeln. Es war kein fröhliches Lächeln, es ähnelte eher einer Grimasse aber es tat trotzdem gut, sie so tapfer zu sehen.Emma nickte noch kurz und dann zog ich sie schon wieder mit.

Unser Haus war klein aber es genügte uns völlig. Wir alle Drei hatten uns ein Schlafzimmer geteilt. Es war im oberen Stockwerk. Eigentlich ein alter Dachboden aber es war ausreichend. Unten war ein kleiner Raum den nutzen wir als Bad. Er hatte keine Fliesen und auch keine Dusche. Aber dafür eine kleine Wanne ein alter Tisch, der einmal Oma gehört hatte und über dem Waschbecken hing die Hälfte eines Spiegels. Sonst war da nur noch ein Raum. Der größte im Haus. Wohnzimmer, Küche und Esszimmer in einem. In einer Ecke war ein Ofen. Gleich daneben stand, an die Wand gelehnt, ein heruntergekommenes Sofa. Der grüne Stoff hing an fast allen Ecken herunter. Trotzdem war es gemütlich. Gegenüber war der größte Tisch im Haus. Es passten vier Stühle an den Tisch, bei uns aber standen nur drei. Den vierten hatten wir verkauft als Papa gestorben ist. Gleich neben meinem Stuhl war eine Arbeitsplatte mit integriertem Wasserhahn.

Unser kleines Haus unterschied sich nicht von den andren in der Straße. Alle waren gleich aufgebaut nur andere Möbel befanden sich darin.

Meine Schwester sammelte unsere Kleidung in einer Tasche, die ich einmal in der Stadt gefunden hatte. Die Tasche war schwarz, mit einem Goldenen Bändchen an einem der Riemen. Sie hatte ein paar Löcher war aber dennoch hübsch.

Ich suchte alles Essbare zusammen und stopfte es in unseren größten Koffer. Die Tasche drückten wir dann gemeinsam in den Koffer, der plötzlich ziemlich klein wirkte.

Emma schnappte sich noch das einzige Bild auf dem wir alle 5 zu sehen waren. Oma hatte es mal an Weihnachten geschossen. Ich hatte die Augen geschlossen, Emma war noch ein kleines Baby und weinte im Arm meiner Mutter. Mein Vater hatte ein breites Grinsen im Gesicht. Man sah ihm an, das er stolz auf seine Familie war. Ja und dann war da noch die fünfte Person. Thomas. Damals muss er ungefähr mein jetziges Alter gehabt haben. Ich kann mich noch genau daran erinnern wie er nach dem Bild meine Hand genommen hat. Ich wusste, er hatte Angst vor irgendetwas. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich aber noch nicht vor was. Das Bild war ziemlich dunkel und man erkannte nicht sehr viel. Trotzdem war es mein Lieblingsbild.

Zum letzten Mal schloss ich die Tür unseres Hauses ab. Ich drehte mich ein letztes mal zu dem Haus um und ich spürte eine kleine Träne meine Wange herunterrollen. Zu viele Erinnerungen holten mich ein. Ein ziehen an meiner Hand holte mich in die Realität zurück.

„Emmi warte mal kurz hier.",befahl ich meiner Schwester. Mit dem Schlüssel in der Hand ging ich um das Haus und suchte nach dem kleinen Loch. Als ich noch keine 8 war hatten Thomas und ich mal Verstecken gespielt. Ich hatte ein Loch in die Wand schlagen wollen, um mich besser zu verstecken.  Natürlich klappte das nicht und so entstand ein ganz kleines Loch, wo gerade mal der kleine Hausschlüssel oder ein kleiner Brief hineinpasste, in der hinteren rechten Ecke unseres Hauses. Nach kurzem fand ich, unter einem bisschen Schnee, unser Geheimversteck und legte den Schlüssel hinein. Dieser Ort war nach dem Versteckspiel zu einem Platz geworden an dem Thomas und ich zum Spaß Briefe ausgetauscht hatten. 

Auch den winzigen Garten betrachtete ich ein letztes Mal. Eine dünne Schneeschicht überzog ihn. Meine Spuren von Gestern waren schon längst überschneit. Es sah so aus als wäre nie jemand im Garten gewesen. Als wäre hier alles längst verlassen.

„Au!", ich hörte einen kurzen Schrei.

Emma! 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 05, 2023 ⏰

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