soul

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Immer wieder höre ich die Worte in meinen Ohren, immer wieder drücke ich auf das kleine Dreieck, um die Nachricht ein weiteres Mal abspielen zu können. Um die Worte ein weiteres Mal an meine Ohren dringen zu lassen. Ich will mir selber klar machen, dass ich mir das nur einbilde, aber leider ist es nicht so. Die Worte sind immer dieselben, sie finden nicht einmal Dinge, über die sie sich lustig machen können, nennen nur meinen Namen und beginnen gehässig zu lachen. 

Ich spüre, wie meine Unterlippe beginnt zu zittern, ein leises Wimmern entweicht mir, meine Augen beginnen zu brennen. Die erste Träne entweicht mir und ich werde wütend auf mich selbst, habe ich mir nicht geschworen keine einzige Träne mehr wegen ihnen zu vergießen? Ich tippe verzweifelt auf meinem Laptop herum, lasse die Lieder laufen, die ich nie wieder hören wollte und spüre die Verzweiflung in mir hochsteigen.

Nur noch zweieinhalb Jahre. Noch zweieinhalb Jahre. Das ist so eine lange Zeit. So lange habe ich sie noch an der Backe. Sie werden nie aufhören. Eine weitere Träne tropft auf meine Tastatur, als ich mich daran erinnere, dass genau die Leute dabei sind, die mich noch vor einem Jahr verteidigt haben. Ich unterdrücke das Wimmern, presse meine Hand auf meinen Mund und kneife meine Augen fest zusammen, in der Hoffnung, dass ich aufwache, aus dieser albtraumähnlichen Realität. 

Mit zitternden Fingern stelle ich meinen Laptop beiseite, stehe auf, taumele kurz und einen Moment lang dreht sich die Welt vor meinen Augen. Meine schlürfenden Schritte bringen mich ins Bad, ich schaue in den Spiegel und beginne wieder zu weinen. Einen Moment lang wundere ich mich darüber, dass mir keine der üblichen Sätze in den Kopf springen. Kein 'Du hast es verdient.', kein 'Du bist es nicht wert', sondern 'Sie finden nicht einmal etwas, für dass sie dich runtermachen können.' und 'Du bist viel zu toll dafür.'. Trotzdem verlassen weitere Tränen meine Augen und mit taumelnden Schritten laufe ich in mein Zimmer. 

Ohne nachzudenken laufe ich zu dem Schreibtisch, ignoriere das Chaos, das dort herrscht und greife nach der kleinen Flasche, lese die Aufschrift einen Moment lang. Alkohol. Meine zitternden Hände haben Probleme, den kleinen Deckel abzulösen, ehe ich den mickrigen Inhalt auch schon herunterkippe und mich gleichzeitig frage, wieso ich schon wieder so tief gesunken bin. Meine nächsten Schritte tragen mich zu dem Regal, ich schiebe einige Bücher beiseite und greife nach der großen, viereckigen Flasche aus dunkelgrünem Glas. Nur noch ein Viertel ist in ihr, den Rest habe ich Anfang des Schuljahres erfolgreich geleert. Ich drehe den Deckel ab, setze sie an meinen Lippen an und halte die Luft an. Trotzdem steigt mir der eklige Geruch in die Nase und ich muss die Flasche absetzen, um husten zu können. Der eklige Geschmack liegt auf meiner Zunge, brennt im Hals und jeder Atemzug brennt, als würde ich Feuer verschlucken. Ein weiterer Schluck und ich schraube den Deckel zu und lasse mich an meinem Schrank zu Boden sinken. Weitere Tränen rinnen über meine Wangen und ein verzweifeltes Wimmern kommt über meine Lippen. 

soul [Oneshot]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt