*Chapter 1*

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*Chapter 1*

2265.

Barfuß tanzte ich über die warmen Steine und entfernte mich immer weiter von Sektor 4, den ich als mein Zuhause bezeichnete. Meine langen, schwarzen Haare flogen um mein schmales Gesicht und mein blaues Kleid wehte im Wind. Immer wieder blickte ich nervös zurück.

Ich wollte sicher gehen, dass mich keiner sah. Das, was ich gerade tat, war nämlich strengstens verboten. Niemand durfte einfach so seinen Sektor verlassen. Das Risiko von Leuten aus den anderen 3 Sektoren entführt zu werden war hoch. Doch das Gefährlichste waren die großen Krater, die mit glühender Lava gefüllt waren. Schon etliche Menschen waren ums Leben gekommen, wenn die Lava anfing zu brodeln und hinaus zu spritzen.

Doch für mich war das alles kein Hindernis. Ich hätte den Weg auch mit verbundenen Augen gehen können und mir wäre nichts passiert. Als ich 6 Jahre alt war, hatte ich ein Loch im hintersten Teil des Zaunes gefunden, der unseren Sektor eingrenzte. Danach war es für mich eine Leichtigkeit gewesen, über die 3 Meter hohe Steinwand zu klettern. Klettern war schon immer meine Stärke. Das lag in der Familie. Bisher hatte mich noch nie jemand erwischt, was vielleicht daran lag, dass der Wächter, der für diesen Abschnitt zuständig war 12 Stunden am Tag besoffen war und die anderen 12 Stunden verbrachte er mit schlafen.

Dieses Loch war über die Jahre hinweg meine einzige Rettung. Ich hatte es schon immer gehasst eingesperrt zu ein. Ich liebte es frei zu sein. Das Gefühl unabhängig zu sein und nur auf sich allein gestellt. Keine anderen Menschen, vor denen ich mich verstellen musste.

Leichtfüßig setzte ich einen Fuß vor den anderen. Ich lächelte, als ich nach einer Weile das unverkennbare Geräusch von brechenden Wellen und Gischt hörte. Rasch überwand ich die letzten Meter, die mich von meinem Ziel trennten. Lächelnd stand ich am Rand der Klippe. 10 Meter unter mir tobte das Meer. Die Meeresluft drang in meine Poren und der Geruch des Salzwassers umgab mich. Ich breitete meine Arme aus und lehnte mich gegen den Wind. Mein Kleid flatterte wild umher. Ich liebte diesen Ort. Das Meer gab mir Kraft und ich könnte stundenlang hier sein. Alle Sorgen vergessen und schwerelos sein. Immer wenn mich die Sehnsucht nach einem freien Leben heimsuchte oder ich mich abregen musste, stand ich hier.

Noch nie hatte ich das Meer berührt, so wahnsinnig war ich nicht, einfach aus 10 Meter Höhe zu springen und nicht zu wissen was in den Tiefen des Meeres lauerte. Meine Freunde kannten das Meer nur aus Erzählungen. Wie gesagt, es war uns verboten, unseren Heimatsektor zu verlassen.

Dort seien wir sicher, hieß es immer. Ich wollte aber nicht sicher sein, sondern frei.

Vor 35 Jahren waren die Sektoren gegründet worden, nach dem Asteroideneinschlag. Anstatt zusammen zu arbeiten splitteten sich die Überlebenden in 4 verfeindete Sektoren. Warum, wusste ich nicht. Jeder, den ich danach fragte tat als wisse er von nichts. Seufzend wandte ich mich von dem unruhigen Meer ab. Es war Zeit zurück zu gehen, bevor meine Mum noch etwas merkte.

30 Minuten später kletterte ich durch den Zaun. Unbemerkt lief ich durch einige Nebenstraßen. Obwohl fast 10 tausend Leute in meinem Sektor lebten, begegnete ich kaum welchen. Ein Blick auf die große Kirchturmuhr zeigte mir, dass es fast 19 Uhr war und somit in einer halben Stunde die Sperrstunde beginnen würde. Ich hasste es. Rasch überquerte ich den fast ausgestorbenen Marktplatz und bog in eins der vielen, gleichaussehenden Wohnviertel ab. Das war auch etwas, dass ich nicht ausstehen konnte. Jedes Haus sag gleich aus – oder sollte ich sagen Hütte? Jede Straße verlief gleich und alles war grau in grau. Hier und da sah man mal ein grünes Fleckchen. Bei schönem Wetter war dort schon fast ein Massenauflauf. Viele kannten es nicht anders.

Meine Grandma hatte mir schon von klein auf Geschichten über die frühere Welt erzählt. Sie erschienen mir so unwirklich und wundervoll zu gleich. Handys, Autos, Roboter und all das andere Zeug kannte ich nicht. Es muss ein tolles Leben damals gewesen sein. Man konnte reisen wohin und sooft man wollte. Man war nirgends eingesperrt und alles war grün.

Was will man mehr?

Ich habe ein einziges Mal ein Bild gesehen, von einer grünen Landschaft. Ein einziges Mal hatte meine Oma nachgegeben. Es war nämlich strengstens verboten über die sogenannte erste Welt zu reden. Alle Andenken waren vernichtet worden mit der Begründung man solle im Hier und Jetzt leben.

Doch meine Oma hatte schon immer eine Vorliebe gegen Regeln zu verstoßen – genau wie ich. Alles in Allem war ich meiner Oma sehr ähnlich. Ich hatte ihre meerblauen Augen und Erzählungen zu folge das gleiche dichte, lange, schwarze Haar wie sie. Jetzt war es grau und kurz aber das störte sie nicht. Auch was meinen Charakter anging kam ich nach ihr. Ich war genau so stur und eigensinnig wie sie aber auch neugierig, einfühlsam und eine gute Zuhörerin.

Endlich hatte ich das Haus von meiner Mutter, meiner Großmutter und mir erreicht.

„Da bist du ja endlich!", sagte Mum erleichtert, als sie mir die Tür öffnete. Ihre braunen Augen sahen mich vorwurfsvoll an. „Tut mir leid, ich wurde aufgehalten", log ich und drängelte mich an ihr vorbei in den Flur.

„Luca! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du entweder Schuhe anziehen sollst oder deine Füße waschen, bevor du den ganzen Boden dreckig machst?", rief meine Mum als ich in die Küche wollte.

Genervt rollte ich mit den Augen. Ohne ein Kommentar streckte ich einen Fuß nach dem anderen ins Waschbecken und entfernte den Schmutz. Im Esszimmer begrüßte mich Grandma mit einem belustigten Zwinkern. Ich wollte gerade auf sie zugehen als ich bemerkte, dass sie etwas hinter ihrem Rücken versteckte. „Oma, was hast du da?", fragte ich neugierig.

„Ach nichts, nur ein Buch", sagte sie scheinbar gelassen, doch ich kannte sie gut. Immer wenn sie diese kleine Falte an der Stirn bekam war sie entweder sauer oder nervös.

Ohne nachzudenken ging ich auf sie zu und nahm ihr das Buch aus den Händen. „Hey!", sagte sie empört und überrascht. Normal hatte ich den größten Respekt vor meiner Oma, doch ich hasste es wenn man vor mir Geheimnisse hatte.

Vorsichtig strich ich über den dicken, grauen Einband des Buches. Vier Symbole waren mit schwarzer Tinte aufgemalt und auch der Titel war Handgeschrieben.

„Kinder der Elemente", las ich wie hypnotisiert vor. An einem der Zeichen blieb mein Blick hängen. Erstaunt blickte ich auf, in die Augen meiner Großmutter: „Dieses Zeichen – es sieht aus wie dein Tattoo."

Dann passierten mehrere Dinge auf einmal. Meine Mum kam wütend ins Zimmer gestürmt und riss mir das Buch aus den Händen. Ein lauter Gong ertönte und das Hologramm flackerte auf. Eine tiefe Männerstimme ertönte und jagte mir einen Schauder über den Rücken.


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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 10, 2016 ⏰

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