Das Geheimnis des aufbrechen, ist der Hebelansatzpunkt. Findet man diesen, geht es vollkommen ohne Mühe und großen Aufwand. Ein seufzends Knacken ertönte und die wenigen Münzen kullerten in meinen verschließenen Stoffrucksack. Ein euphorisches und wohliges Gefühl fließt durch meine Ardern. Das Brecheisen liegt vertraut in meiner Hand. "Cat! Unvorsichtig wie früher." Die Stimme lässt mich erschaudern. Die Welt steht für einen Moment still. Sie hält die Luft an. Versteinert. Abwartend. Ich drehe mich langsam um, um dem Grauen in die Augen zu schauen. "Du warst schon immer zu vertrauensvoll und gutmütig für die Straße." Ein lautes Scheppern ertönte. Das Brecheisen kam neben meinen Füßen zum liegen, nachdem es mir aus der Hand gerutscht war. Dominik! "Auch schön dich zu seh'n. Und wie geht's dir so Cat?" seine wohl vertraute Stimme triefte vor Sakasmus. Ich schluckte schwer. Von einem Moment auf den Anderen fühlt sich meine Zunge wie Sandpapier an. Die Spannung zwischen uns ruhte schwer auf mir. Sie zog mich förmlich nach unten. Verzweifelt suchte ich nach einem Ausweg. Meine Gedanken kämpften sich durch Sumpf, erschlagen von den Ereignissen. Hinter Dominik baute sich bedrohlich Micke auf. Solange geklappt. So lange in Sicherheit gewiegt. So lange. Bis jetzt. Ein kurzer Check meiner Gegner reichte, um mir zu zeigen, dass ich nur eine Strategie, eine Chance hatte. Micke ist gut gebauten. Im Nahkampf keine Chance. Doch er hatte schon immer Probleme mit Ausdauer. Dominik mit seinem langen, kraftvollen, schlanken Körper ist unglaublich schnell und nutzt gerne den Überraschungseffekt . Genau wie ich. Doch auch er hatte eine Schwachstelle: Hindernisse überwinden. Falls dies noch zutraff. Sonst blieb mir keine andere Möglichkeit mehr übrig. Während meiner Abschätzung waren nur wenige Sekunden vergangenen, die nur mit dem plätschernden Geräusch des Flusses, neben uns, gefüllt war.
Ich wirbelte auf dem Absatz herum, schwang währenddessen meine Tasche über die Schulter und sprintet die Treppenstufen hinauf. Weg vom Fluss. Weg von ihnen.
Durch den Überraschungseffekt ergatterte ich mir einen geringen Vorsprung, den ich auch dringent nötig hatte. Auf den Verkehr nahm ich keine Rücksicht. Auf der anderen Straßenseite schlug ich einen Haken und rannte über die Kreuzung. Für die hoch gewachsenen Palmen sowie die Stadt hatte ich keine Blick. Diesmal hatte ich nicht so viel Glück. Hupent beschwerten sich die verärgerte Autofahrer über mich. Auf den Gehweg rannte ich fast einem jungen Mann um, der erschrocken einen Schritt zurück sprang. Ich nutze das Chaos und warf einen Blick über die Schulter auf meine Verfolger. Sie hatten aufgeholt, steckten jedoch noch im Verkehr fest. Hastig richtete ich meinen Blick wieder nach vorne. Vor mir tauchte wie aus dem Nichts einen Sitzebank auf. Kurzerhand packte ich die Rückenlehne und schwang mich mit Hilfe eines Rades über sie hinweg. Als ich wieder Boden unter den Füßen hatte, schlug ich die Richtung Bahnhof ein. Ich spürte die Anstrengung. Mein Atem ging nur noch stoßweise. Meine Beine schmerzten. Mein Hals brannte bei jeden Atemzug. Ich erreichte den Haupteingang des verlassenen Bahnhofs. Hier fahren schon lange keine Zuge mehr. Ich hetzte durch die Empfangshalle Richtung Gleise. Hinter mir vernahm ich schnelle Schritte sowie schweres Schnaufen von Micke. Seitdem ausländische Lebensmittel mit Hilfe von moderner Technik überall angebaut werden können, wurde der Import mit Zügen still gelegt. Sonstige Waren und Rohstoffe werden nur noch mit Divern transportiert. Riesige dreieckige Flugzeuge, die nur so über den Himmel hinweg zischen und mit Unmengen an Gewicht beladen werden können. Containerschiffe sind veraltet. Nicht nur der begrenzte Platz sondern auch der Zeitaufwand haben sie vom Import- und Exportmarkt verdrängt. Es hat sich viel verändert seit das ganze System zusammen gebrochen ist. Wichtige Arbeitsplätze fielen weg, die selbst durch den Lebensmittelanbau nicht ausgeglichen werden konnten. Große Armut brach über das Land aus. Soziale Hilfe wurde gestrichen und Waisenhäuser mussten schließen. So wie meines. Das Gleisbett war uneben und verwittert. Schon seit Jahren kümmert sich niemand mehr darum. Ich stolpert nur halbwegs über sie hinweg. An manchen Tagen müssen einfach Entscheidungen getroffen werden. Ich habe soeben entschieden. Ich werde gehen. Ich werde die Stadt verlassen. Ein Straucheln meinerseits lässt die Jungs aufholen. Das kann und darf nicht andauern. Wenn ich es schaffe in die Gasse zu gelangen, kann ich sie abhängen. Langsam breiter sich ein schmerzhaftes Kribbeln in meiner Seitengegend aus und in meinen Beinen habe ich bereits das Gefühl verloren.
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Die Fremde
Ficção AdolescenteEs gibt drei Regeln um auf der Straße zu überleben. 1. Hab immer etwas zu essen. 2. Verwickel dich nicht in Straßenkämpfe. Und 3. lass dich unter keinem Umständen und niemals erwischen. Lynn ist wild entschlossen, lässt sich nichts vorschreiben u...