Kapitel 1

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August 2015:

"Lily, ich bin jetzt weg, ja? Falls du etwas brauchen solltest ruf an Schatz. Oh und Essen ist im Kühlschrank du musst es nur -"

"Mum, ich komm schon zurecht", sagte ich lachend zu meiner Mutter.

"Klar kommst du das", erwiderte sie augenrollend.
"Ich muss jetzt wirklich los, sonst verpass ich den Flug! Pass auf dich auf." Sie warf mir noch einen Luftkuss zu und verschwand, dann auch schon aus der Haustür.
Als nächstes hörte ich wie die der Motor des Autos zum leben erweckt wurde und die Kiessteine unter den Reifen knirschten.

Endlich war ich alleine um etwas die Gegend zu erkundigen.
Meine Mum und ich sind erst vor ein paar Tagen hier eingezogen. Es ist ein kleines Haus mit 2 Etagen, mitten im sonnigem Kalifornien. Aufgewachsen bin ich zwar in London, doch letztes Jahr kamen wir beide zu dem Entschluss, dass wir irgendwo neu Anfangen sollten. Dieses 'irgendwo' wurde, dann Amerika.

Zwar arbeitet Mum immer noch als Ärztin, allerdings hat sie mir versprochen öfter zu Hause zu sein. Ich bezweifle es zwar, aber ich habe mich mittlerweile damit abgefunden alleine zu sein. Sie wird jetzt die nächsten 4 Tage sowieso auf einer Fortbildung in Mailand sein.

Schnell griff ich nach meinem iPhone 5s und schaute auf die Uhr.

10:34 a.m

Ich ging in das Badezimmer, welches direkt an meinen Zimmer anschließt und begann mir die Zähne zu putzen. Während dessen betrachtete ich mein Spiegelbild vor mir.

Hellblonde lange Haare, die allerdings nicht künstlich blond aussahen, sondern eher natürlich, obwohl sie einst braun waren.
Blaue Augen meiner Mutter und rosarote Lippen. Im Prinzip finde ich mich nicht hässlich, allerdings auch nicht hübsch. Der kleine Höcker an meiner Nase zum Beispiel bringt mich noch zum durchdrehen, genauso die wenigen Sommersprossen, die an meinen Wangen und an meiner Nase verteilt sind.

Ich spuckte die Zahnpasta in das weiße Waschbecken, spülte mir den Mund aus und trocknete mir mein Gesicht ab.

Nachdem ich meine Augen noch mit Mascara hervorgehoben habe und mein Gesicht mit Make-up nicht mehr so blass habe wirken lassen, ging ich auch schon direkt zu meinem Kleiderschrank.

Wie jeden Morgen brauchte ich wiedermal eine Weile um mein Outfit zu suchen und so wurden es 20Minuten später eine schwarze High waisted short und ein eng anliegendes weinrotes Shirt, wobei ein klitzekleiner Teil meines Bauches frei war.

Alle die von der Vergewaltigung letzten Jahres wissen, können nicht verstehen wie ich mich so anziehen kann und viele meinten sogar, dass ich diese Vergewaltigung nur erfunden hätte um Aufmerksamkeit zu bekommen. Nur meine Mum steht 100% hinter mir. Aber sollte ich mich jetzt anziehen wie eine Nonne? Nein. Zumal ich mich sowieso nicht daran erinnern kann und es teilweise auch meine Schuld war. Ich bin einfach in die falschen Kreise geraten und so kam es, dass ich mitten in der Nacht, völlig zu gedröhnt und mit gebrochenem Herzen durch eines der gefährlichsten Stadtteile Londons lief.

Freunde die ich vermissen könnte habe ich nicht. Nur die 30-Jährige Gerry, die zu den Sitzungen der Selbsthilfegruppe immer so leckere Kekse mitbrachte, ist mir etwas ans Herz gewachsen. Wenn ich so darüber nachdenke, ist das echt traurig, dass sie sozusagen meine einzige 'Freundin' war, aber hey, die Kekse waren verdammt gut!

Ich zog mir nur noch schnell meine weinroten Vans an und holte mein neues Penny Board und schon rollte ich mit beeindruckender Geschwindigkeit durch die Straßen LA's. Naja, solange bis mir irgendein Vollidiot in den Weg kam und ich nicht ausweichen konnte. Ich hätte echt erst das Lenken lernen sollen, bevor ich da raufgestiegen bin. Dank meines spitzen Schreies konnte das Mädchen mit den Feuerroten Locken wie ich gerade sehe, noch rechtzeitig zur Seite springen, sodass ich vom Board fiel und mit voller Wucht Bekanntschaft mit dem staubigem Boden machen durfte.

"Oh mein Gott! Ist alles okay mit dir?", hörte ich das Mädchen rufen, währenddessen sie zu mir läuft.

'Klar ist alles okay, ist ja nicht so als wär ich gerade mit gefühlten 1000 km/h gegen den Boden gekracht', dachte ich mir, entschied mich aber in letzter Sekunde dazu es nicht zu sagen.

"Ja alles okay, danke", antwortete ich stattdessen.

"Oh mein Gott, war das meine Schuld? Ja es war meine Schuld. Oder? Ich hätte nicht so sehr auf mein Handy konzentriert sein sollen und- Oh gott du Blutest ja. Soll ich dir ein Pflaster hohlen oder doch lieber einen Verb-"

"Alles gut, es ist nur eine Schürfwunde und eigentlich war es ja meine Schuld", unterbrach ich das unbekannte Mädchen mit einem grinsen von ihrem Redeschwall. Erst jetzt betrachtete ich sie genauer. Süße rote Sandalen mit Absatz, weiße Hotpans, Rotes Trägershirt und Feuerrote Locken. Ich denke sie mag rot. Ihre Augen sind Haselnussbraun und ihre Nase ist so eine von der süßen Sorte, auf die ich immer neidisch war. Im Grunde genommen war sie ganz hübsch, allerdings nichts besonderes.

"Ich bin Lily.", stellte ich mich vor.

"Ava.", sagte sie mit einem sympathischem Lächeln und gab mir eine Hand um mir auf zu helfen.

"Ich wollte gerade zu Starbuck, willst du vielleicht mit?", fragte sie mich und schaute mich erwartungsvoll an.

Ich überlegte kurz, eigentlich gehe ich ja nicht mit Fremden mit, aber sie sieht jetzt nicht gerade gefährlich aus.

"Komm schon. Ich wär sonst so allein.", sagte sie mit einem Schmollmund, als ich immer noch nicht antwortete.

Ich lachte kurz und willigte, dann ein.
Zehn Minuten später fand ich mich, dann selber im Starbucks mit einem Erdbeershake vor mir.

"Also Lily, du klingst nicht gerade Amerikanisch, kann das sein?", fragte Ava mich.

"Ich bin vor ein paar Tagen aus London hierher gezogen.", antwortete ich ihr locker, woraufhin sie große Augen machte und einen so starken Hustanfall bekam, dass ich dachte sie würde verrecken. Zaghaft klopfte ich ihr auf den Rücken.

"London? Dieses London? London aus England London? Das Englische London?", fragte sie ungläubig.

"Ja, dieses London.", sagte ich ihr lachend.
"Wieso so überrascht?"

"London ist mein Traumziel. Ich wollte immer schon mal nach London.", erzählte sie jetzt mit strahlenden Augen und schulterzuckend.
"Ich denke ich bin einfach überrascht"

Nachdem sie mich erstmal wie in einem Kreuzverhör über London und mein Leben ausgefragt hat (ich hab ihr den Grund für meinen Umzug nicht erzählt und ich hab es auch nicht vor), habe ich erfahren, dass ihr Dad gestorben ist und sie mit ihrer Mum und ihrem kleinen Bruder, der übrigens 5 ist und Luke heißt, zusammen in einem Haus nur etwa 5 Minuten von mir entfernt wohnt.

Ava warf einen kurzen Blick auf die Uhr und sprang hastig auf.

"Lily, ich muss los, ich muss Luke von einen Freund abholen. Nummern haben wir ja getauscht oder? Oh gott, nein haben wir nicht! Los gib mir schnell deine Nummer!", sagte sie hastig und hielt mir ihr Smartphone hin.

Ich tippte ihr meine Handynummer schnell ein und gab es ihr wieder.

Wir umarmten uns zum Abschied, bis Ava sich ihre Tasche schnappte und schnell raus ging.

"Ich schreib dir!", rief sie noch, bevor sie endgültig aus der Tür verschwunden war.

Also ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell schon eine Freundin finden würde.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 17, 2016 ⏰

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