Hätte ich mein Leben mehr geniessen sollen, als ich noch alles hatte? Diese Frage jagt mir ständig durch den Kopf. Der Wind zerzaust meine dunkelbraunen Haare und zahlreiche meiner Tränen fallen in die Tiefe. Ich stehe alleine auf einem Wolkenkratzer, schaue in die Leere des Abgrundes und entscheide, ob ich leben will oder nicht.
"Alle Passagiere des Fluges 12 nach England, begeben sich bitte zum Gate C. Ihr Flug hebt in 10 min ab." Ich ziehe meinen Koffer hinter mir her und renne durch den Flughafen. Voran mein Vater, der meinen kleinen 7-jährigen Bruder Josh an der Hand hält, darauf folgen meine Mutter und ich. "Entschuldigung", murmle ich als ich ausversehen einen Jungen in meinem Alter anremple und dieser daraufhin strauchelt. Sieht so aus als ob er auf den gleichen Flug muss. Aber ich schenke ihm keine weitere Beachtung und folge meiner Familie. Ich höre nur noch wie er mir einen Fluch hinterher schreit.
Kaum habe ich es mir in meinem Sitz gemütlich gemacht, fährt das Flugzeug langsam auf die Startbahn zu. Josh hält verängstigt meine Hand und die meiner Mutter . Für uns alle ist es der erste Flug. Eigentlich fliegen wir nur wegen mir, da ich mir diese Reise auf den 17. Geburtstag gewünscht habe. Niemand in meiner Familie ist besonders begeistert vom Fliegen. Doch mein Traum ist es, aus meiner kleinen Stadt in der Schweiz herauszukommen und die echte Welt zu entdecken. Deutschland ist etwa 8 mal so gross wie die Schweiz, deshalb ist es doch nur verständlich wenn man mehr sehen will als dieses kleine Land.
Während das Flugzeug abhebt, beobachte ich die Menschen um mich. Links neben mir sitzt eine ältere Dame, die verängstigt auf ihre verkrampften Hände starrt. Ein paar Reihen vor mir glaube ich die pechschwarzen, verstrubelten Haare des Jungen, den ich zuvor umrannte, zu sehen. Als ich die Leute weiterhin beobachte, denke ich mir was wohl ihr Träume und Ziele in ihrem Leben sind. Wollen auch sie einfach dem Alltag entfliehen, wie ich? Oder wollen sie eine Familie gründen und mit ihrem Partner alt werden? Wie konnte ich wissen, dass alle diese Träume in einem einzigen Moment zerplatzen würden? Niemand hätte es erwartet. An diesem Abend dem 10.9.15 einem Samstag würden alle Nachrichtensender der Welt die gleiche Nachricht überbringen. Es ist mein zweiter Tag als siebzehnjähriges Mädchen und vielleicht auch mein letzter. Denn kaum sind wir über dem Ärmelkanal gehen plötzlich die Lichter aus. Ich höre einen Schrei, daraufhin ein Schuss und tödliche Stille. Mein Bruder fängt an zu weinen. Das ganze Flugzeug ist von dem Schluchzen der Kinder und Babys erfüllt. Das Licht geht wieder an und zehn Männer stehen mit Maschinengewehren im vorderen Teil des Flugzeuges. Ein Junge meines Alters steht hinter ihnen, ebenfalls bewaffnet, doch nur mit einer Pistole. Im Hintergrund kann ich eine gefesselte Familie erkennen, die den Knaben verzweifelt ansieht. Der Junge hat pechschwarze, verstrubelte Haare. Mit seinen braunen Augen starrt er auf den Rücken der Männer vor ihm. Da realisiere ich wer dieser Junge ist. Er ist der Junge den ich anrempelte.
Mein Bruder schaut mich mit seinen blauen Kindsaugen, die meinen sehr ähneln, an und ich kann ihm eine Angst ablesen, die ich zuvor noch an niemanden gesehen habe. Mein Vater, der zwei Sitze von mir entfernt sitzt, versucht eine tapfere Miene zu halten, doch seine Stirn glänzt von Angstschweiss. Meine Mutter, die mutigste Frau, die mir alles beibrachte, sieht verängstigt aus. Auch ich spüre einen Klos in meinem Hals, die Angst lähmt mich und ich kann nur das Geschehen mitverfolgen.
Sie fangen am Ende des Flugzeuges an und zerren die Passagiere nach vorne. Einer nach dem anderen werfen sie aus dem Notausgang. Nun erreichen sie schon die Reihe hinter uns. Ich gebe meinem Bruder einen letzten Kuss auf seine aschblonden Haare und schaue meinen Eltern in die Augen. Unsere Blicke sind so gefühlsvoll und voller Liebe wie sie eben sein können,eine Träne kullert aus meinem Auge. Als ein Mann meinen Bruder packen will, schreitet meine Mutter ein und dieser erschiesst sie ohne mit der Wimper zu zucken. Ein Aufschrei der Entsetzung entweicht mir, als ich meine Mutter tot zu Boden sinken sehe. Mein Vater haben sie schon längst geholt. Ohne Widerstand führen die Männer Josh und mich zum Vorderteil und reihen uns ein. Der schwarzhaarige Junge hilft den grausamen Männern die Menge im Griff zu behalten. Doch als ein Mann ihm die Aufgabe gibt, ein Kleinkind aus dem Notausgang zu werfen und somit in den Tod zu schicken, weigert er sich. Darauf beginnt ein Streit und ein anderer Mann, der wie der Anführer aussieht, erschiesst die Familie, die gefesselt ist. Da fällt mir die Ähnlichkeit zwischen der dreiköpfigen Familie und dem Jungen auf. Das war wohl seine Familie. Er hat gerade seine Eltern und seine jüngere Schwester verloren. Der Junge wirft sich zu Boden und fängt an zu schluchzen. Er wird nicht mehr beachtet.
Das Flugzeug leert sich langsam und nun sind nur noch Josh und ich in der Reihe. Ich versuche die Männer abzuhalten meinen Bruder zu schnappen, doch ich kann es nicht.
"ZOEEEEE!", schreit Josh meinen Namen verzweifelt und verschwindet in der Dunkelheit des Abgrundes. Ich habe das Gefühl jemand sticht mir mit einem Dolch in mein Herz. Den Schmerz, den ich spüre, halte ich nicht mehr aus. Es ist mir egal ob ich sterbe. Ich habe meine ganze Familie in einem Augenblick verloren, mein Leben ist nichts mehr wert. Ich habe meine Kraft verloren. Die Männer müssen mich zum Rand schleifen. "Bellamy, schau wir geben dir die Ehre sich unserem letzten Passagier zu entledigen.", sagt der Anführer zu dem Jungen mit den schwarzen Haaren. Dieser kommt zu meiner Bestürzung auf mich zu. Im Hintergrund sagt einer der Männer: " Der hat alles verloren, dem ist es egal, wenn er sie umbringt" Ich höre Männergelächter. Bellamy, so heisst er anscheinend, beugt sich zu mir hinunter und zieht mich hoch. "Vertrau mir.", flüstert er mir ins Ohr. Er macht einen grossen Satz, packt mich und springt. Erschrocken schrei ich auf. Unser Todesurteil ist gefällt.
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Flug Nummer 12
Adventure"Wie konnte ich wissen, dass alle diese Träume in einem einzigen Moment zerplatzen würden? Niemand hätte es erwartet. An diesem Abend dem 10.9.15 einem Samstag würden alle Nachrichtensender der Welt die gleiche Nachricht überbringen. Es ist mein zwe...