Kapitel 1

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Ich öffnete meine Augen, und schloss sie direkt wieder, als ich das Chaos um mich herum sah. Was war bloß geschehen? Geplant war ein ruhiger, gemütlicher Abend mit meinen engsten Freunden. Meine Eltern vertrauten mir und ich hatte ihr Vertrauen noch nie missbraucht, und ich hatte es auch nicht geplant, doch es schien als hätte ich es gestern, oder heute, unabsichtlich getan. Ich war vollkommen überfordert mit der Situation.

Ich blinzelte noch einige Male mit den Augen, in der Hoffnung, dass ich bloß geträumt hatte, aber so war es leider nicht. Ich warf einen Blick auf meine Uhr, doch anstatt des Ziffernblatts sah ich, dass jemand mit einem schwarzen Stift das Glas bemalt hatte, sodass ich die Zeiger nicht mehr erkennen konnte. Frustriert stieß ich einen leisen Schrei aus. Ich richtete mich nun vollständig auf, dann marschierte ich ins Badezimmer und schloss mich ein. Ich brauchte jetzt eine ruhige Minute um einen klaren Kopf zu bekommen. Ein Plan musste her, und zwar schnell. Ich warf einen Blick in den Spiegel, doch es war nicht wie erwartet das vollkommen verschmierte Make-Up, was mich schrecklich aussehen ließ, sondern der aufgemalte Bart und die willkürlich verteilten schwarzen Punkte. Wer hatte denn den Sinn eines Eddings nicht verstanden? Ich atmete ruhig ein und aus, um nicht einen Wutanfall zu bekommen. Langsam öffnete ich den Schrank und holte Abschminktücher hervor. Fast motorisch versuchte ich die Farbe aus meinem Gesicht zu entfernen. Nach dem Schrubben sah meine Haut allerdings nicht viel besser aus, sie war rot und schmerzte. Aber egal, ich musste diese Menschen aus dem Haus bekommen, und dann würde ich die verantwortliche Person, die mir diese Katastrophe eingebrockt hatte, leiden lassen.

In meinen Kopf schmiedete ich bereits Rachemethoden, die meine Laune tatsächlich ein wenig verbesserten.

Also machte ich mich auf die Suche nach einer meiner Freundinnen, und stieg dabei über die schlafenden Körper von Personen, die ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen hatte. Und um ehrlich zu sein hoffte ich, dass ich sie in Zukunft nie wieder sehen müssen würde. Erleichtert atmete ich auf, als ich die roten Haare meiner Freundin Alice zwischen ein paar schlafenden Jugendlichen entdeckte. Vorsichtig stieg ich über die Beine einiger anderen, bis ich mich fragte, warum ich überhaupt Rücksicht auf diese Menschen nahm, die sich höchstwahrscheinlich selbst eingeladen hatten und mir nun die Nerven raubten. Also änderte ich meine Taktik und trat dem einen oder anderen auf die Finger oder Füße, der nur genervt aufbrummte.

Ich beugte mich herunter zu Alice, strich die Haare aus ihrem offenen Mund, aus dem der schreckliche Geruch von Alkohol kam, und rüttelte an ihrem Körper. Solange ich nicht wusste, wer genau für das Chaos verantwortlich war, wollte ich nicht ungerecht sein.

Alice schnarchte ein letztes Mal laut auf und schreckte dann hoch. Blitzschnell richtete sie sich auf und sah sich verängstigt um.

„Alles in Ordnung?", fragte ich besorgt. „Ja. Ja, es ist alles in Ordnung. Nur, also mein Kopf fühlt sich an, als wär ein Auto darübergefahren", mit schmerzverzerrten Gesicht hielt sie sich die Hand an den Kopf. Genervt schüttelte ich den Kopf. „Weißt du, wo Lina und Chris sind? Ich hab sie noch nicht gefunden."

Als Alice äußerst langsam den Kopf schüttelte, wurde mir bewusst, dass ich mit ihr in den nächsten Stunden recht wenig anfangen können würde. Ich seufzte laut auf. „Du gehst jetzt erstmal deine Zähne putzen, dann machst du Kaffee, ganz viel Kaffee. Und weck die Leute, schick sie weg. Ich werde wahnsinnig. Und", drohend sah ich sie an, „wenn du die Verantwortung für diesen eskalierten Abend trägst, dann denk dir schnell eine einigermaßen logische Erklärung aus. Denn ich glaube nicht, dass du willst, dass ich dir den Kopf abreiße."

Ohne auf eine Antwort zu warten erhob ich mich, ging zur Musikanlage und stellte die Musik auf die lauteste Stufe. Ich fühlte Genugtuung, als sämtliche schlafende Gestalten sich aufrichteten und die Augen öffneten, sodass ich anschließend in vorkommen übermüdete Gesichter blicken konnte. Es war mir egal, ob die Fremden dachten, dass ich eine Spaßbremse oder Spielverderberin war, denn sie hatten mir mein entspanntes Wochenende verdorben. „Okay Leute, die Party ist vorbei. Wo auch immer ihr hergekommen seid, geht zurück dorthin. Die Tür ist direkt rechts." Ich unterstützte meine Aussage, indem ich mit meinem rechten Arm auf die Tür deutete. Ich stapfte in den Flur und öffnete die Tür, um die Unbekannten dazu zu bringen, sich zu beeilen. Die meisten kamen meiner Aufforderung —Gottseidank! — ohne Widerstand nach. Nachdem ich beinahe das gesamte Haus abgesucht hatte, um sicherzugehen, dass nicht noch irgendwo jemand herumlag, fand ich Chris und Lina in meinem Bett.

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