Als sich ein Teil meiner Seele frühzeitig verabschidete

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Das laute pling-Geräusch des Aufzuges signalisiert mir, dass der Aufzug im Erdgeschoss angekommen ist und ich atme noch einmal tief durch, streiche mir durch die Haare und beobachte, wie die schweren Metalltüren sich mit einem Ruck öffnen. Am Ende des Ganges, mit lässig verschränkten Armen, den Rücken gegen die Wand gelehnt, steht Ian.

Er trägt ein weißes Hemd, dessen obere Knöpfe er offen trägt, und hat ein passendes schwarzes Jacket über seine Schulter geworfen. Mir bleibt bei seinem Anblick die Luft weg, und ich halte mich unauffällig an dem Geländer fest, das jemand netterweise im Aufzug angebracht hat, sicherlich für solche Momente wie diesem hier. Oder für solche Momente wie dem, als durch die verschmutzten Glasfenster des Gebäudes das Sonnenlicht hereinfällt und Ians dunkelblonde, verwuschelte Haare glänzen lässt, sowie seine braunen Hundeaugen strahlen, als Ian seinen Kopf zu mir dreht, und mich mit unbewegter Miene ansieht. Dann breitet sich ein Grinsen in seinem Gesicht aus und er ruft mir von der anderen Seite des Ganges zu "Ist lange her, dass wir auf einer Party waren, wenn ich mich nicht täusche, über ein Jahr." Ich erwiedere sein Lächeln und trete aus dem Aufzug, bevor die Türen sich wieder schließen. "Das letzte Mal war aber nur eine kleine Gartenparty von deinem Cousin. Damals hast du noch grottig getanzt.", vermerke ich und muss mir ein kichern verkneifen, weswegen ich mir unglaublich doof vorkomme. Seid wann bin ich so nervös, wenn ich mit Ian zusammen bin?

Ich stehe immer noch vor dem Aufzug und bin unentschlossen, was ich als nächstes tun soll, als Ian seine Arme ausbreitet, in der einen Hand das schwarze Jacket. Nach kurzem Überlegen laufe ich auf ihn zu und springe in Ians kräftige Arme, sein Oberkörper ist warm und ich schmiege meinen Kopf gegen seine Brust, er umfasst mit einer Hand meine Schulter und streicht mit der anderen über meine Haare. Seufzend legt Ian sein Kinn auf meinem Kopf ab und ich spüre seinen warmen Atem auf meiner Kopfhaut. "Das habe ich vermisst.", grummelt er mit rauer, tiefer Stimme in meine Haare hinein und ich muss darüber lächeln. Gierig sauge ich seinen Geruch in mich ein, eine Mischung aus Kaffee, Wald und Jungenparfum. Ich zwinge mein Gehirn, sich an jedes Gefühl, jede Wahrnehmung dieses Momentes zu erinnern, sollte so ein Moment in Zukunft aus irgendeinem Grund nicht mehr passieren, möchte ich sicher sein, dass ich nicht vergesse, wie es sich anfühlt, Ian so nah zu sein.

So geborgen wie in seiner Nähe fühle ich mich sonst bei niemandem. Dann löst sich Ian langsam wieder von mir und sieht mir in die Augen, während er eine Haarsträhne aus meinem Gesicht nimmt, die aus der komplizierten Frisur entkommen ist. Als seine Hand ganz leicht meine Wange berührt, nehme ich seine Hand und lege sie in meine. So gehen wir Hand in Hand (wie El prophezeit hat :)) aus dem Hochhaus und den Innenhof entlang, auf die Straße zu. Als wir auf den Asphalt treten, bleibe ich unentschlossen stehen und suche die Straße nach einem parkenden Auto ab, doch Ian sieht mich nur mit hochgezogenen Augenbrauen an und zieht mich weiter. "Wie, wir fahren nicht mit einem Auto?", frage ich enttäuscht. Ian lacht auf und boxt mir leicht gegen den Arm. "Wann soll ich denn deiner Meinung nach den Führerschein gemacht haben? Ich bin doch erst 17, süße. Genau wie du" er schaut mich mitleidig an und setzt bedauernd hinzu "Ich habe etwas viel besseres gefunden: Einen Bus." Stöhnend lasse ich mich von ihm zur nächsten Bushaltestelle ziehen und murmele "Dann hättest du mich ja gar nicht abholen brauchen. Mit dem Bus kann ich auch alleine fahren." und mein Traum von Ian in einem schicken Auto zerplatzt wie eine Seifenblase, wenn sie auf dem Boden ankommt.


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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 15, 2016 ⏰

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