Geburtstag

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Es ist soweit. Heute ist mein Geburtstag. Zu diesem Anlass habe ich mir ein wunderschönes, trägerloses weißes Kleid gegönnt (Endlich mal eine Onlinebestellung, die ich selbst ent- gegennehmen konnte! Diese Tatsache erfüllte mich beinahe ein wenig mit Stolz.). In diesem Aufzug würde ich es heute (ungeachtet der kargen Gästezahl meiner Geburtstagsparty) so richtig krachen lassen. Kein Anlass rechtfertigt ausgelas- senes Feiern in extravaganten Kleidchen mehr, als der eigene Geburtstag in einer fremden Stadt, mit einer Anzahl an Partygästen, die man an einer Hand abzählen kann. Eigentlich fühle ich mich in trägerlosen Kleidern immer so nackig, aber man lebt schließlich nur einmal und dieses Kleid ist einfach zu heiß, um es nicht zu tragen. Für dieses Kleid habe ich so- gar extra selbstklebende Silikoneinlagen gekauft, damit das gute Stück noch besser zur Geltung kommt. Damit meine ich sowohl das Stück Stoff, als auch meine Brüste selbst. Ein Tipp von meiner Schwester, die es nach über 8 Monaten Stillzeit schließlich wissen muss. Und wenn ich mich jetzt so ansehe, kann ich nur sagen, diese Einlagen sind wirklich jeden Pen- ny wert. Als ich mich vorhin im Spiegel drehte und wendete, hatte ich das Gefühl, mich in ein riesiges Sahnebaiser ver- wandelt zu haben.

Das Wetter spielt an diesem Julitag endlich einmal mit, und so stehe ich also strahlend weiß, total aufgekratzt und hoffnungslos overdressed vor dem Mexikaner, den mir Gwen empfohlen hat, und warte auf sie und ihre Freundin.

Während ich auf meine ZWEI geladenen Gäste vor der Ein- gangstür des El Cantina im (subjektiv aus der Cocktailkleid- Perspektive betrachtet) etwas zu kühlen Schatten warte und meine hohen Hacken dafür sorgen, dass die Schwerkraft mei-

ne Zehen zwar bis jetzt nur leicht, jedoch dafür mit grausamer Beständigkeit foltert, versuche ich mich daran zu erin- nern, wann ich das letzte mal so richtig Party gemacht hatte.

Spontan fällt mir der Abend ein, den ich letzten Winter zusammen mit Sebastian auf dem Münchner Tollwood ver- bracht hatte. Der Wind pfiff uns um die mützenverhangenen Ohren, als wir über das schlammige Erde-Kies-Gemisch, an den Verkaufsständen vorbei, in Richtung einer Hütte mit der Aufschrift „Feuerzangenbowle" schlenderten. Es war kalt, feucht und der gesamte Platz war gnadenlos überfüllt. Spä- ter, als wir uns in den Zelten weiter umsahen, auf der Flucht vor den unfreundlichen Witterungsbedingungen, wurden die Menschenmassen nicht weniger. In den Zelten war die Luft schlecht und das Preis-Leistungs-Verhältnis der dort feilge- botenen Weihnachtsmarktware noch schlechter. Aber, mein Gott, was hatten wir an diesem Abend für einen Spaß! Wir waren in völligem Einklang miteinander. Steckten uns mit unseren betrunkenen und amüsierten Gemütern gegenseitig an und hörten, trotz des vorherrschenden Lärmpegels um uns herum, irgendwann nur noch unser von Glück beseeltes, den Moment definierendes, gemeinsames Lachen. Die Inten- sität der Erinnerung prallt schmerzlich mit dem Wissen um meine gegenwärtig doch recht trostlose Lage zusammen und verschmilzt zu einem überdimensionalen Knoten in meiner Brust. Meine Rippen drücken sich vehement gegen die Nähte meiner Partyuniform und ich bekomme Beklemmungsgefüh- le. Als ich versuche, den Knoten wegzuatmen, spüre ich mein Handy durch meine kleine Stofftasche vibrieren. Mein Smart- phone teilt mir mit, dass einer meiner unzähligen Facebook- Freunde mir gratuliert hat. So, wie 34 andere im Laufe dieses Tages es auch schon getan haben. So viele liebe Menschen, die an mich gedacht haben. Meine Schwester, Georg ... Es ist ein schönes Gefühl, so viele Glückwünsche zu erhalten. Umso grausamer ist es allerdings, immer wieder aufs Neue festzustellen, dass die wichtigste Person noch nicht gratuliert hat.

Weder über Facebook, noch über WhatsApp. Nichtmal eine beschissene Postkarte. Sebastian. Ich hole noch einmal so tief Luft, wie es die Enge des Outfits zulässt. Meine Gedanken drehen sich mittlerweile so oft um diesen Mann, dass es be- reits an eine leichte Besessenheit grenzt. Ohne die Nachricht geöffnet zu haben, stecke ich mein Handy wieder zurück in meine Stofftasche. Wenige Augenblicke später erscheint Gwen mit ihrer Freundin und wir betreten das Restaurant, das als Schauplatz eines legendären Partyabends ausgesucht wurde.

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⏰ Last updated: Mar 21, 2016 ⏰

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Reine Kopfsache!?? Glück ist keine Frage der LogikWhere stories live. Discover now