Mit Kopfhörer im Ohr verlässt sie das Haus, während ihr noch Fragen gestellt werden, die sie ignoriert. Die Musik stellt sie mit jedem Schritt lauter, vergräbt ihre Hände tief in ihrem Parka, ihrer einzigen Winterjacke. Denn mehr Jacken gibt es nicht, denn sie sind teuer, sagt ihre Mutter und kauft sich selbst jedes Jahr mindestens zwei Stück. Sie trägt eine ihrer einzigen drei Jeans, denn auch sie sind teuer, wie ihre Mutter immer wieder betont, wenn sie sich monatlich eine neu kauft, während ihre Tochter hofft, dass sie abends eine frische aus der Wäsche bekommt. Mit ihrer Hand streicht sich das Mädchen durch ihre dunkelbraune Haare, die sie sich färben lies.
Die Worte, die ihr immer wieder vorgeworfen werden, kommen ihr in den Sinn. Sie sei zu faul, würde nichts tun, wäre zum viel am Computer und würde sich nicht anstrengen. Sie hat einen Schnitt von 2,7, mit dem ihre Mutter zufrieden war, bis sie sagte, dass sie dafür nicht lernen musste. Dann wurde sie angeschrien, dass ihre Mutter sich immer anstrengen musste und nicht aufs Gymnasium gehen durfte. Aber sie ist zufrieden mit ihren Noten und mit der Zeit, die sie für jene aufwendet.
Sie durchsucht ihr Zimmer, kontrolliert ob sie auch richtig aufräumt, aber sie ist sechzehn. Sie fühlt sich, wie ein Kind behandelt. Sie muss kochen und backen. Nicht nur für sich selbst, sondern auch Sachen, die sie niemals essen würde. Sie muss Schnitzel panieren, dabei ist sie kein Fleisch, denn sie hat begonnen, das Stück Fleisch mit dem niedlichen Schwein zu verbinden und kann es mit sich selbst nicht mehr vereinbaren das Tier zu essen. Einem Lebewesen leid zuzufügen.
Sie muss zuhören, wie ihre Eltern über Asylanten und Ausländer schimpfen, würde aber nicht sagen, sie wäre rassistisch. Aber Vorurteile, die haben sie bestimmt und davon mehr als genug. Jedes Mal möchte sie sich die Ohren zuhalten oder einfach nur schreien, aber sie sitzt stumm da und versucht die Worte zu ignorieren, die sie selbst so sehr treffen. Es ist nicht so, als würden ihre Eltern den Medien glauben, was man ja schon als positiv ansehen könnte, aber sie haben Ansichten, die sich auf falsche Fakten stützen und haben keine Ahnung, von dem was sie reden.
Sie sitzt abends da, schaut Youtube Videos oder Serien, während ihre Eltern RTL schauen. Sie weigert sich vehement mitzuschauen und wird deswegen oft angeschrien. Aber sie will das nicht sehen, dieses Assi-TV. Ihre Mutter vergleicht Youtube mit RTL. Es mag zum Teil stimmen, aber die Youtuber, die sie aktiv verfolgt, die sie zu ihren Vorbildern macht, die sind in keinster Weise mit der primitiven Art dieses Fernsehsenders zu vergleichen.
Ihre Schritte bringen sie wieder nach Hause, sie öffnet die Haustür und lässt ihren Hund hinein. Der Hund, der der ganzen Familie gehört, aber sie muss mit ihm spazieren gehen. Jeden Tag. Sie liebt ihn, aber es nervt sie. Einfach, dass sie die einzige ist. Und obwohl sie Schmerzen im Knie hat läuft sie.
Sie betritt das Haus und geht sofort wieder ins Wohnzimmer, wo sie sich auf die Couch setzt. Ihr Laptop findet den Weg auf ihren Schoß, sie tippt das Passwort ein und meldet sich im Internet an. Du bist zu viel im Internet. Über diese Aussage kann sie nur lachen. Sie hat hier viel mehr Freunde, als sonst irgendwo. Laut ihrer Mutter, ist es kein Wunder, dass die anderen Mitschüler sie hassen. So wie sich benimmt, mit ihrer vorlauten, rebellischen Art. Dabei will sie doch gar nichts mit den anderen zutun haben. Als Antwort bekommt sie immer nur, dass sie noch oft mit Menschen klar kommen muss, mit denen sie eigentlich nichts zutun haben will. Insgeheim denkt sie sich, dass sie nie in einem normalen Job arbeiten wird, denn das ist nichts für sie.
Sie vertieft sich wieder in ihre Geschichten und wird gleichzeitig traurig, denn sie weiß, dass sie ihre Idole nie treffen wird. Und wenn, dann wird es nie so ablaufen, wie sie es sich erträumt. Sie ist sich des Altersunterschied bewusst, weiß, dass das alles nur Träumereien sind. Doch sie hätte diese Leute gerne als Freunde, doch sie weiß, es ist alles nur Illusion. Sie ist nur ein Fan unter vielen, aber sie vertieft sich wieder in ihre Geschichten, deren Reads immer mehr steigen, auch wenn der Grund für sie nicht greifbar erscheint. So gut findet sie ihren Schreibstil nicht, denn sie schreibt nur, weil es für sie ist, wie für andere die Luft zum Atmen.
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writing girl [Oneshot]
Short Story» So gut findet sie ihren Schreibstil nicht, denn sie schreibt nur, weil es für sie ist, wie für andere die Luft zum Atmen. « #48 in Kurzgeschichten am 30.3.2016